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Standpunkt: Für Gletscher ohne Skizirkus

17.02.2020 / alpMedia
In Tirol/A soll das grösste Gletscherskigebiet der Alpen entstehen – auf schmelzenden Gletschern. Die geplante Verbindung der Skigebiete in Pitztal und Ötztal widerspricht jeglicher Vernunft, meint Kaspar Schuler, Co-Geschäftsführer von CIPRA International.
Bild Legende:
Kaspar Schuler ist Co-Geschäftsführer bei CIPRA International. (c) CIPRA International

Das Drama begann 2009. Hans Rubatscher, Bergbahnkönig und überregional aufgestellter Immobilienbesitzer aus dem österreichischen Pitztal, hatte seinen übermächtigen Kontrahenten Jack Falkner, Bergbahnkaiser aus Sölden im benachbarten Ötztal, überzeugt. Seither planen sie den Zusammenschluss ihrer Skigebiete über eine riesige, bisher unerschlossene, vergletscherte Geländekammer.

Die Bergwelt nahe der Wildspitze, dem zweithöchsten Gipfel Österreichs, soll hemmungslos zerbaut werden. Mit fünf Seilbahnsektionen, einem weggesprengten Grat samt Skitunnel, Beschneiungsanlagen, Planierungen und Aushubdeponien. Das um 64 Hektar neue Pisten zu schaffen, sogar unter hochkritischen Lawinenhängen. So soll in seinem Verbund eines der grössten Gletscherskigebiete im Alpenraum entstehen.

Unbestreitbar gründlich geplant, würde, gemäss Umweltverträglichkeitsprüfung, die «sehr sensible ursprüngliche» Landschaft «massivst irreversibel» zerstört. Das Projekt benötigt 132 Millionen Euro an Investitionen und missachtet die Alpenkonvention generell wie auch reihenweise die Artikel ihrer Protokolle zu Tourismus, Landschaftsschutz und Verkehr.

Warum der Irrsinn? Weil es die zwei Tourismusgranden so wollen – bisher auf Teufel komm raus.

Zwar stehen die Gemeinden wie auch das Landesparlament stramm. Früher hätte das für einen klaren Behördenentscheid gereicht. Doch seit 2014 gibt es auch in Österreich eine zweistufige Gerichtsbarkeit, von der Politik echt unabhängig. Bisher kümmerte das die Planer wenig. Aber die UmweltschützerInnen liefen Sturm und sammelten 157'000 Petitionsunterschriften. Wie die Tiroler Tageszeitung im Januar eruierte, sprechen sich 70 Prozent der Befragten in der Bevölkerung dagegen aus.

Noch ist es ganz still dort oben. In der Bergeinöde thronen andere Herrscher: der grosse Mittelbergferner, der Karles- und der Hangender Ferner. Einst für die Ewigkeit gewachsene Gletscher, apern sie heutzutage im Sommer aus und schmelzen Jahr für Jahr rapid dahin. In 30 Jahren könnten sie im vorgesehenen Nutzungsbereich verschwunden sein. Sie haben ein mit zartem Leben erfülltes Gletschervorfeld freigegeben, voll verträumt spiegelnder Tümpel. Dort soll das «Zentrum» samt Speichersee hingeklotzt werden, der dreistöckige Dreh- und Angelpunkt des neuen Skigebiets.

Am 16. Januar 2020 wurde bekannt gegeben, dass die erstinstanzliche Verhandlung der Umweltverträglichkeit auf unbestimmt vertagt wird. Der Pitztaler König und der Ötztaler Kaiser haben doch noch kalte Füsse bekommen und beantragten kurz vor knapp die Aussetzung des Verfahrens. Sie wollen «weitere notwendige Erhebungen vor Ort – auch im schneefreien Zustand» vornehmen. Zeugt das von Einsicht oder wollen sie ihre Pläne nur redimensionieren? Gemäss Mitteilung der Tiroler Landesregierung soll das Projekt überarbeitet werden. Der irrwitzigste Reputationsschaden, den sich Österreichs Tourismus einhandeln kann, der Bruch mit der Alpenkonvention, er mag erkannt sein. Vom Tisch ist er noch nicht.