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Die Stadtflucht und das Klima

18.01.2024 / Michael Gams, CIPRA International
Viele Bergregionen im Alpenraum sind von Abwanderung betroffen. Doch der Klimawandel bewegt umgekehrt auch einige Menschen zur – zumindest vorübergehenden – Migration aus der Stadt in die Berge, wie ein italienisches Forschungsprojekt zeigt.
Bild Legende:
Von der Stadt in die Berge ziehen: Daran denken angesichts des Klimawandels immer mehr Menschen in Turin und anderen Grossstädten der Po-Ebene. (c) Ladiras_canva.com

Bei klimabedingter Migration denken viele an Wüstenregionen oder untergehende Inseln im Pazifik. Doch auch im Alpenraum spielt der Faktor Klimawandel eine immer grössere Rolle. Dem Soziologen Andrea Membretti zufolge ist es nicht mehr nur eine Lifestyle-Frage wie bei den «New Highlanders» im Alpenraum, die auf der Sinnsuche sind und deshalb ein neues Leben in den Bergen beginnen. Längere Hitzewellen, Luftverschmutzung und neue, klimabedingte Krankheiten: Immer mehr geht es auch um die eigene Gesundheit, denn das Klima verändert sich etwa in der norditalienischen Po-Ebene rund um Turin, Mailand und Verona stark. Dort leben Millionen von Menschen, die meisten bleiben wohl auch in den kommenden Jahrzehnten dort, meint Membretti, der an der Universität Turin forscht. «Nehmen wir an, nur drei Prozent der Bevölkerung von Mailand oder Turin ziehen in die Berge, dann ist das keine grosse Zahl. Aber es sind immer noch tausende Menschen.» In einem Dorf mit 200 Einwohnern mache schon die Ankunft von drei neuen Familien einen Riesenunterschied, so Membretti. Er koordinierte das 2023 abgeschlossene Projekt MiCliMi zu klimabedingter Migration und Mobilität.

Zwei Drittel würden umziehen

Das von den italienischen Botschafter:innen des Europäischen Klimapakts (Euclipa.it) ins Leben gerufene Projekt untersuchte, in welchem Ausmass der Klimawandel als einer von mehreren Faktoren die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Menschen von urbanen Regionen in Bergregionen abwandern. Anhand einer statistisch repräsentativen Stichprobe wurden mehr als 2‘000 Personen befragt. Zwei Drittel zeigten sich besorgt über die Auswirkungen des Klimawandels, zugleich zieht eine Mehrheit in Betracht, zumindest für ein paar Monate im Jahr in die Berge zu übersiedeln. Allerdings wünschen sie sich mehr Informationen und Unterstützung dabei.
Jene, die eine Ferienwohnung oder ein Haus in den Bergen besitzen, verbringen schon jetzt zumindest einen Teil des Jahres dort. «Es ist also auch ein Thema der sozialen Gerechtigkeit, wenn wir von den Auswirkungen des Klimawandels in urbanen Gebieten und Bergregionen sprechen: Wir sollten allen Menschen einen Zugang zum Leben in den Bergen ermöglichen, unabhängig von ihrem Einkommen», so Membretti.
Doch selbst in den Bergen sind Menschen nicht sicher vor dem Klimawandel. Auch dort gebe es vermehrt Dürreperioden und auch andere Risikofaktoren für die Lebensqualität wie zum Beispiel soziale und geografische Isolation oder Naturgefahren wie Hangrutsche und Ähnliches. «Wir alle befinden uns in Bezug auf die Auswirkungen des Klimawandels in der gleichen kritischen Lage. Deshalb sollte jede und jeder das Recht haben, umzuziehen.» Hier sieht Membretti den Staat sowie regionale und lokale Behörden in der Pflicht. «Solch eine saisonale Migration ist nicht nur für den Tourismus eine Chance, sondern vor allem für die lokale Wirtschaft in den Bergen. Aber das erfordert die nötigen politischen Rahmenbedingungen.»

 

Quellen und weiterführende Informationen:

www.miclimi.it (en, it), MICLIMI Abschlussbericht: www.researchgate.net/publication/375450647_MICLIMI_-_Migrazioni_climatiche_interne_nella_metromontagna_padana_-_report_finale (it)