Naturgefahren im Alpenraum nehmen zu
Auf einer von der Alpenschutzkommission CIPRA in Zusammenarbeit mit dem Gemeindenetzwerk „Allianz in den Alpen“ organisierten alpenweiten Fachtagung, diskutieren von 18. – 20. Mai 2006 über 200 Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Verbänden, Wirtschaft und Gemeinden in Bad Hindelang /Allgäu über die Auswirkungen des Klimawandels auf Tourismus und steigende Naturgefahren im Alpenraum. Bayerns Umweltminister Schnappauf forderte auf der Tagung dazu auf, angesichts wärmerer Winter alternative Urlaubsangebote zu entwickeln, statt überall Beschneiungsanlagen zu installieren. Maßnahmen zum Klimaschutz müssten weit über das Kyotoprotokoll hinaus reichen, so Schnappauf. |
Kunstschnee im Skigebiet Ofterschwang. Skigebiete unterhalb von 1500 m werden in wenigen Jahrzehnten auch mit Schneekanonen kaum noch Schneesicherheit garantieren können. |
Die Experten auf der Tagung sind sich einig: Einschneidende Folgen wären selbst dann unvermeidlich, wenn alle globalen Klimaschutzziele umgesetzt und verschärft würden. Aufgrund der Trägheit des globalen Klimasystems werden die Folgen der heute ausgestoßenen Treibhausgase erst in 30 - 50 Jahren voll wirksam sein. Die Alpen sind nach den Aussagen des Klimaforschers Prof. Wolfgang Seiler vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung in Garmisch-Partenkirchen hiervon besonders stark betroffen. Die Durchschnittstemperatur in den Alpen stieg in den letzten Jahrzehnten doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. Gleichzeitig reagiert der Alpenraum auf Klimaveränderungen besonders sensibel. |
Mure in Pietratagliata/Friaul/Italien 24.6.1996. Naturgefahren werden in Folge der Klimaerwärmung zunehmen. |
Prof. Gerhard Berz, ehemaliger Leiter der Abteilung GeoRisikoForschung der Münchner Rückversicherung, belegt in seinem Vortrag die als Folge der Klimaveränderungen zunehmende Gefährdung durch Naturkatastrophen in den Alpen: Gegenüber den 1960er Jahren nahm die Zahl großer Wetterkatastrophen um den Faktor 2,8 zu, die volkswirtschaftlichen Schäden stiegen um das 7,6-fache, die versicherten Schäden gar um den Faktor 25,6. Zukünftig werden die Schadensausmaße neue Größenordnungen erreichen. Dementsprechend wichtig sind planerische Reaktionen auf die steigenden Naturgefahren, wie sie auf der Tagung diskutiert werden. So muss der Hochwasserschutz verstärkt werden, indem Flüsse renaturiert werden und mehr Raum bekommen. Gleichzeitig ist die Raumplanung gefordert, angesichts der zunehmenden Konkurrenz um die eng begrenzten sicheren Flächen neue flächensparende Siedlungsmodelle und Gefahrenzonenpläne zu entwickeln. |
Skigebiet Oberjoch: Ist der großflächige Einsatz von Kunstschnee eine adäquate Antwort auf den Klimawandel? Bildquelle: CIPRA Deutschland, Güthler |
Tourismus ist als einer der wichtigsten Wirtschaftssektoren im Alpenraum nach Aussagen von Prof. Helga Kromb-Kolb von der Universität für Bodenkultur Wien besonders stark vom Klimawandel betroffen. Steigt bis zum Jahr 2050 die Grenze der Schneesicherheit für Skigebiete auf über 1500 – 1800 m Meereshöhe, wie es die Umweltbehörde der Vereinten Nationen erwartet, so können beispielsweise im bayerischen Alpenraum nur noch 2 – 3 Skigebiete als schneesicher gelten. Die Wintersportindustrie reagiert derzeit durch den Ausbau der künstlichen Beschneiung und die Erschließung hoch gelegener Regionen für den Schitourismus. „Die vielerorts einseitige Fokussierung des Wintertourismusangebotes auf den Schisport ist ökologisch wie wirtschaftlich problematisch“, so der Präsident von CIPRA-Deutschland, Dr. Stefan Köhler. „Um im Zeitalter von Globalisierung und Klimawandel konkurrenzfähig zu bleiben, ist die Entwicklung vielfältiger Angebote nötig, die auf den Besonderheiten der einzelnen Region basieren.“ So sollten nach Köhler gerade kleinere und tiefer gelegene Tourismusorte verstärkt landschaftsorientierte Tourismusangebote wie wandern oder Rad fahren und Angebote für den Gesundheitstourismus entwickeln. |
Beim Empfang der bayerischen Staatsregierung von links: Landrat Gebhard Kaiser, Staatsminister Dr. Werner Schnappauf, CIPRA-Deutschland-Präsident Dr. Stefan Köhler, CIPRA-International-Präsident Dominik Siegrist, Bürgermeister Roman Haug |
Parallel zur Erarbeitung von Anpassungsstrategien ist die konsequente Umsetzung von Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen entscheidend, um die langfristigen globalen Folgen des Klimawandels weitmöglichst abzumildern. Mit dem alpenweiten Projekt „CLIMALP“ fördert die Alpenschutzkommission CIPRA den Bau energieeffizienter Häuser aus regional geerntetem und verarbeitetem Holz. „Damit werden nicht nur die besonders großen CO2-Einsparpotentiale im Gebäudebereich genutzt, sondern gleichzeitig auch noch die Regionalwirtschaft gestärkt“, so CIPRA-International-Präsident Dr. Dominik Siegrist auf der Tagung. In einer Resolution fordert die CIPRA dazu auf, das Potenzial zur Energieeinsparung zu nutzen. Nötig sind hierzu nach Ansicht der CIPRA sowohl finanzpolitische Maßnahmen auf nationaler wie europäischer Ebene, wie die konsequente Einbeziehung externer Kosten in die Energiekosten, wozu auch die Folgekosten der Klimaveränderung gehören, als auch ordnungsrechtliche Bestimmungen wie z.B. die Festlegung von Mindeststandards sowie Förderprogramme. Aufgrund der umfangreichen Ressourcen an Holz, Wasser, Sonne, Wind und Geothermie habe der Alpenraum das Potenzial, eine Modellregion zu werden, welche den Energiebedarf weitmöglichst durch regenerative Energien decken kann. |
Bildquelle: CIPRA Deutschland, Güthler |
Auf der Tagung präsentiert sich das von der Europäischen Union im Rahmen des Programmes „Alpine Space“ geförderte Interreg IIIB-Projekt DYNALP. Im Rahmen dieses Projekts haben 50 Partner (Gemeinden und Regionen im Alpenbogen von Slowenien bis zur Westschweiz) Pilotaktionen umgesetzt und mit diesen zur Umsetzung der Alpenkonvention auf kommunaler Ebene und auch zum Klimaschutz beigetragen.. Die Pilotaktionen reichen von der Erhaltung und Sanierung von Trockenmauern über die Einrichtung eines öffentlichen Busverkehrs bis hin zur Realisierung eines Naturparks. Die meisten der Projektpartner sind Mitglied beim Gemeinde-Netzwerk „Allianz in den Alpen“ und arbeiten dort schon länger sowohl an der Umsetzung der Alpenkonvention wie an der nachhaltigen Entwicklung ihrer Gemeinde bzw. Region. CIPRA-International-Geschäftsführer Andreas Götz wies auf die Verpflichtung für die Alpengemeinden zu Klimaschutzmaßnahmen hin, die im Energieprotokoll der Alpenkonvention festgelegt ist. Er forderte die Gemeinden auf, auf entsprechende Förderprogramme zur Umsetzung dieser Vereinbarungen zu drängen. |