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Im Dialog trotz Konflikt
Nur zwölf Prozent der Tiroler Landesfläche sind besiedelt und besiedelbar. Das führt bereits jetzt zu einem hohen Nutzungsdruck. Die Bedrohung durch Naturgefahren verschärft die Situation zusätzlich. Der Umgang mit Flüssen und mit der Versiegelung von Flächen in der Vergangenheit sowie die klimatischen Änderungen stellen uns heute vor ganz neue fachliche und gesellschaftliche Herausforderungen. Wir erlebten in Tirol in den Jahren 2005, 2013 und 2015 Extremereignisse wie Hochwasser und Muren. Infrastruktur, Gewerbegebiete und Siedlungen wurden dabei stark beschädigt. Schutzmassnahmen sollen helfen, solche Ereignisse künftig von besiedelten Gebieten fernzuhalten. Die für den Schutz benötigten Flächen sind allerdings nur noch eingeschränkt nutzbar, manche Nutzungen sogar ausgeschlossen.
Komplexe Interessenslage
Das Thema Hochwasserschutz im Tiroler Unterinntal macht die Komplexität von Konflikten um den begrenzten Raum besonders deutlich: Grundeigentümer wollen ihre Flächen als Landwirte bewirtschaften oder in Zukunft als Bauland nutzen; Gemeinden wollen ihre Gemeinde weiterentwickeln und brauchen Flächen für Strassen, Schulen, Gewerbegebiete, Wohnbau, Naturschützer wollen Naturraum. Mit Schutzmassnahmen kommen noch mehr Raumansprüche hinzu wie Dämme oder Überflutungsräume. Aber die Gruppe der künftig Geschützten deckt sich nicht mit jener, die Flächen für den Schutz zur Verfügung stellen müssten. Oftmals befinden sich diese beiden Gruppen nicht einmal in derselben Gemeinde.
Gemeinsam geht’s
Bei so komplexen Ansprüchen auf denselben Raum ist es notwendig, allen Beteiligten das übergeordnete Ziel klar zu machen, den Dialog aufzubauen und zu führen. Das Land Tirol hat im Tiroler Unterland für die Umsetzung von Hochwasserschutzmassnahmen einen mehrjährigen, gemeindeübergreifenden Dialogprozess gestartet. Strukturierte Information und regelmässiger Austausch sorgen dafür, dass sich Beteiligte mit unterschiedlichen Interessen treffen, voneinander lernen, gemeinsam nach Lösungen suchen und sich bemühen, Konflikte Schritt für Schritt zu bearbeiten. Der Prozess wird moderiert und der Situation und den Planungen laufend angepasst. Das führt idealerweise zu einem Ergebnis, mit dem alle leben können.
Bei den Revitalisierungsmassnahmen am Inn ist dieser Ausgleich sehr gut gelungen. Beim aktuellen Dialog zum Hochwasserschutz wird die dialogische Auseinandersetzung eher nicht darin münden, dass alle zufrieden sind. Aber sie unterstützt eine Atmosphäre, in der Lösungen gefunden werden können.
In einer Situation, in der eigene Interessen bedroht sind, ist die Herausforderung enorm, einen Dialog zu pflegen. Der Dialogprozess hilft dabei. Und er trägt dazu bei, dass das eigentliche Ziel im Mittelpunkt bleibt: der Hochwasserschutz für Menschen und Gebäude.
Sabine Volgger, Gesellschafterin wikopreventk, Bregenz/A