CIPRA Vertretungen:

Benutzerspezifische Werkzeuge

  Suchfilter  

Weiterführende Informationen

News

Die bewegte Motivatorin

26.06.2023 / Michael Gams, CIPRA International
Andrea Szabadi-Heine stieg einst auf den Gipfel des Aconcagua, heute freut sie sich über jede bewältigte Treppenstufe. Ihr Leben veränderte sich durch einen Unfall schlagartig und blieb dennoch bewegt – unter anderem bei einer inklusiven Alpenüberquerung.
Andrea Szabadi-Heine fährt mit einem Handbike auf einem unbefestigten Schotterweg in den Alpen. Hinter ihr ist noch eine Person auf einem Mountainbike zu sehen.
Bild Legende:
Erlebnispädagogin Andrea Szabadi-Heine motiviert andere Menschen für Sport und Bewegung. © Mel Presslaber

«Beweglichkeit ist auch Kopfsache», sagt Andrea und lächelt wissend. «Das reduziert sich nicht nur auf den Körper, bloss weil ich im Rollstuhl bin. Mir geht es auch darum, offen zu sein für Unterschiedlichkeit, für Menschen – für mich selber.» Obwohl das Gespräch online stattfindet, wirkt ihre Energie ansteckend, wenn sie erzählt: Übers Klettern, Skitourengehen und übers Bergsteigen. Mit Ende Zwanzig bestieg sie den Aconcagua, Südamerikas höchsten Gipfel. «Wenn mich Leute fragen, wie ich mit Krisen umgehe, dann fällt mir auch immer dieser Berg ein und die Frage: Wie schaffe ich es, weiter zu gehen?» Mit 31 Jahren war sie topfit, machte viele Sportarten und war auch «beruflich voll am Gas». Sie leitete eine erlebnispädagogische Zusatzausbildung im Schnee. Dort machte sie aus Spass mit einer Kollegin eine Doppelrolle bergab und landete kopfüber im Schnee. «In dem Moment brach meine Wirbelsäule, das habe ich sofort gespürt.» Der Hubschrauber flog sie ins Krankenhaus, nach der Operation und der Diagnose einer kompletten Querschnittslähmung trauerte sie zunächst ihrem alten Leben nach. Sie setzte sich das Ziel, die Klinik auf eigenen Beinen zu verlassen und schaffte es tatsächlich. Ihr Mann spielte dabei eine entscheidende Rolle. «Wenn ich ein paar Schritte gelaufen bin und am Boden landete, liess er mich selber aufstehen.» Im Alltag ist Andrea seitdem dennoch auf den Rollstuhl angewiesen. Flexibel und spontan sein, höher, schneller, weiter in die Berge gehen – das alles ist nicht mehr möglich. «Auf einmal konnte ich mich über Kleinigkeiten genauso freuen, wie wenn ich einen Achttausender bestiegen hätte. Für mich war es ein Aha-Erlebnis, dass sich Bewegung auch stark im Kopf abspielt und dass ich das für mich auch umdeuten muss.»

Sie machte eine Ausbildung zur Monoski-Lehrerin, begleitete als Erlebnispädagogin 2018 und 2019 eine inklusive Alpenüberquerung des Österreichischen Alpenvereins – vom Kennenlernen über die Streckenplanung bis hin zur Tour. Mit Mountainbikes und speziellen Handbikes rollte die Gruppe in mehreren Etappen auf zumeist unbefestigten Wegen von Scharnitz/D bis nach Torbole/I am Gardasee, auf einer Strecke mit über 500 Kilometern und 10‘000 Höhenmetern. Menschen mit und ohne Behinderung waren Teil der Gruppe. «Aber im Prozess haben wir irgendwann gesagt: Wer von uns hat jetzt eigentlich die offizielle Behinderung? Der eine kann die Beine nicht bewegen, der andere ist vielleicht im Kopf manchmal etwas unbeweglich und unflexibel.» Es sei einfach ein gegenseitiges Lernen. Herausfordernd, aber durchaus möglich ist es, als Rollifahrerin umweltfreundlich mobil zu sein. Ob zum Einkaufen, zur Therapie, oder zum Schwimmen: Viele Alltagswege legt Andrea mit dem Rollstuhl zurück, vor den sie ein elektrisches Zuggerät spannt. Wenn sie Monoski-Kurse gibt, fährt sie zwar mit dem Auto hin, bleibt aber ein bis zwei Wochen vor Ort. Sportliche Ausflüge unternimmt sie mit einem Handbike mit Motorunterstützung, eine sechswöchige Radreise führte sie mehr als 2’000 Kilometer weit durch Spanien. Flüge unternimmt sie seltener. Die inklusive Transalp bis zum Gardasee schaffte Andreas Gruppe übrigens trotz Schneegestöber und einer abgebrochenen Etappe. «Aber eigentlich war der grösste Erfolg, dass wir gemeinsam Schwierigkeiten durchlebt und gemeistert haben.»

abgelegt unter: SzeneAlpen