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Standpunkt: Wasser duldet keinen Widerstand

19.08.2021 / Kaspar Schuler, CIPRA International
Immer häufiger suchen extreme Wetterlagen auch die Alpen heim. Die Klimakrise treibt diese Entwicklung voran. Können immer mehr Dämme, Verbauungen oder Kraftwerke das Problem lösen und zugleich den wachsenden Energiehunger stillen? Wir müssen mit der Kraft des Wassers arbeiten anstatt gegen sie, meint Kaspar Schuler, Geschäftsführer der CIPRA und Co-Autor des neuen CIPRA-Positionspapiers zur Wasserkraft.
Bild Legende:
Kaspar Schuler ist Geschäftsführer bei CIPRA International. (c) DarkoTodorovic

Das Wort Wasserkraft hat diesen Sommer für viele Menschen eine bedrohliche Färbung erhalten. Beschauliche Bäche schwollen durch Starkregen zu tosenden Fluten an und bahnten sich mit solcher Urgewalt ihren Weg, dass gut gemeinte Schutzmassnahmen wie Flussverbauungen sich als nutzlos erwiesen. Das mussten Dörfer und Kleinstädte bei Hochwasserkatastrophen in den Alpen und darüber hinaus schmerzlich und todbringend erfahren. Die Kraft des Wassers kann nicht nur zur Stromproduktion genutzt werden, sie kann auch verheerend sein.

Waren nicht zumindest wir Alpenbewohner:innen bisher gut gegen die zerstörende Wucht des Wassers gewappnet? Wir kennen diese Urgewalten doch seit Jahrhunderten. Leider dürfen wir uns nicht in Sicherheit wiegen. Deutsche Klimaforscher:innen warnten im Juli: «Wir haben die wirklichen Extremwetter der bereits von uns verursachten Erderwärmung meist noch nicht erlebt. Unsere individuelle Erfahrung der Folgen der Erderwärmung läuft der realen Bedrohung um Jahre bis Jahrzehnte hinterher.» Wir reisen in einer Art Blindflug in die Zukunft, einzig unterstützt von errechneten Klimaszenarien.

Wir könnten weiterhin das unternehmen, was früher wirksam war. Zum Schutz von Gebäuden und Infrastruktur könnten wir mit riesigen Betonmengen noch mehr Ufer und Bäche verbauen. Wir könnten noch mehr Wasserkraftwerke zur Stromversorgung in die Berge stellen. Abhängig von der Art ihrer Bewirtschaftung und dem jeweiligem Füllungsgrad können Stauseen zur Wasserregulierung im Katastrophenfall beitragen. Allerdings würden sie auch den Haupttälern und den weiter entfernten Landstrichen – meist in anderen Ländern – das Wasser entziehen. Die Folgen wären fatal, denn Wasser ist ein zentrales Lebenselixier. Ohne im natürlichen Rhythmus an- und abschwellende Fliessgewässer oderartenreiche Flussauen und Moore gäbe es keine Artenvielfalt – und auch bald zu wenig Grund- und Trinkwasser für uns Menschen. Also müssen wir umdenken. Den Flussläufen in den Tallagen müssen wir durch Aufweitungen einen Teil ihrer alten, natürlichen Räume zurückgeben, damit sie sich bei Hochwasser verlangsamen, ihre zerstörerische Kraft verlieren und das mitgeführte Geschiebe ablagern. Mancherorts gilt es sich sogar zurückzuziehen, zum Beispiel aus Bauten in Gefahrenzonen.

Als Diskussionsbeitrag hat die CIPRA ein Positionspapier zur Nutzung der Wasserkraft im Alpenraum erstellt. In fünf eingängigen Leitsätzen gibt es Behörden und Elektrizitätsunternehmen eine Richtschnur für ihr Vorgehen. Zudem liefert es vielfältige Hintergrundinformationen und Quellenangaben, um fundierte Antworten auf die zentrale Frage zu finden: Wieviel zusätzliche Wasserkraftnutzung ist angesichts der heutigen Komplexität umweltverträglich und ökologisch tragbar?  Das muss uns im Alpenraum mehr denn je beschäftigen, grenzüberschreitend und kooperativ. Wir kommen gegen die Kraft des Wassers nicht an, aber wir können sie mit allem Respekt nutzen und müssen uns mit ihr neu arrangieren.

 

Quellen und weiterführende Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Hochwasser_in_West-_und_Mitteleuropa_2021 (de), https://info-de.scientists4future.org/die-flutkatastrophe-im-juli-2021-in-deutschland-und-die-klimakrise/ (de)

Zum Positionspapier Wasserkraft: www.cipra.org/de/positionen/wasserkraft-im-alpenraum/