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Kurzgeschichte: Die Alpen von morgen

25.12.2022 / Irene Heinrich, Berge Lesen 2022
Zukunft als Veränderung, Alpabtrieb per Drohne, Menschen als Gedankenwesen, Hightech-Gesellschaft ohne Empathie, Wildtiere in einer Winternacht: Wir präsentieren die erste von fünf Kurzgeschichten, die bei der Berge-Lesen-Veranstaltung 2022 in Schaan ausgezeichnet worden sind.
Bild Legende:

Die Alpen von morgen – die Alpen von gestern. Wellen eingefroren im Moment des Jetzt.
Aufgetürmt in allen Schichten des Seins blieben sie stehen während einer Sekunde der
Ewigkeit. Throne von Thronen.
Sie spazierte durch die grünen Wälder des Jura. Am Boden ein Fossil. Wieder drehte sie sich
staunend einige Male um sich selber, atmete die Luft ein und schloss die Augen und für
einen Augenblick fand sie sich auf dem Boden des Meeres. Fische umschwimmen sie, ein
Delfin lädt zum Spielen ein.
Ein Juchzer, die Indianerflöte des Adlers der Sonne entgegenstreckend, wirken die Töne in
ihr nach. Eines Tages werden diese Töne sie wiederfinden, egal in welcher Form sie sein
wird.
Ihre Augen ruhen auf der Silhouette der Berge. Deren Aura ist heute still, kein Lüftchen
scheint zu bewegen und Fauna und Flora lauschen mit. Nun formen weisse Wolken einen
Schatten der Silhouette des Horizontes, ein Phänomen, welches sie zum ersten Mal sieht. Es
ist als würde ein Kunstschaffender eine Form nehmen, um ein Relief zu erstellen. Schliesslich
würde es neue Throne geben, dereinst, wenn die Jetzigen weitere Höhen erklimmen
werden. Was sind Jahrtausende im Angesicht der Ewigkeit?
«Einzig Veränderung ist beständig», denkt sie und geht weiter. Worte der Weisheit seit
Anbeginn des Bewusstseins.
Eine Fahne des weissen Kreuzes weht vor ihrem Fenster. Die weissen Kreuze siedelten vor
langer Zeit zwischen dem Jura und der Alpen. Sie waren den Läufen des Wassers gefolgt und
trafen sich an deren Quellen. Wächter des Wassers waren sie.
Doch sie vergassen. Sie vergassen, obgleich sie am Wasser sassen und wussten, wie wichtig
Wasser für Menschheit ist; weil Menschheit auch Wasser ist.
Sie sassen und vergassen.
Ist es wichtig zu vergessen? – «Wenn Du vergisst, siehst Du, was ist» flüstern die Winde.
Was wird morgen sein? – «Veränderung»
Was wird morgen sein? – «Du»
Was wird morgen sein? – «jetzt»
«Die Sonne geht immer auf
und immer unter
dies ist
jetzt
Ewigkeit»

abgelegt unter: BergeLesen