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Good Practice

Wild geblieben

15.12.2023 / Henriette Adolf, CIPRA Deutschland
Frei fliessende Flüsse mit ihren sich ständig verändernden Landschaften, Flussläufen und Uferstrukturen sind in den Alpen eine kostbare Rarität. Einer der letzten ist die Friederlaine. Eine Gruppe junger Umweltschützer:innen erkundete das versteckte Juwel in den bayerischen Alpen.
Bild Legende:
Der mit Schutt bedeckte Boden im Friedergries/D. © Henriette Adolf, CIPRA Deutschland

Mitten im Friedergries zu stehen, fühlt sich ein wenig so an, als stünde man in einem Wald, der vor langer Zeit in einem Märchen gestorben ist. Das Geschiebe des Flusses breitet sich über den weiten Talboden des Friedergries aus und begräbt Bäume, die dann als Skelette vor einer beeindruckenden Bergkulisse aufragen und eine archaische Landschaft schaffen. Doch wer genauer hinsieht, entdeckt hier vielfältiges Leben: Grashalme schieben sich durch den vom letzten Hochwasser angeschwemmten Kies, ein seltener Schmetterling huscht vorbei und die Sonne malt Lichtmuster in die Schatten des lichten Heidewaldes am Rande der Schuttschneise, während irgendwo in der Ferne das Wasser der Friederlaine munter vor sich hin plätschert.

«Die Landschaft ist wirklich besonders», erklärt Julian (23). «Die meisten anderen Flüsse in den Alpen werden durch Dämme eingeengt und begradigt, um den Transport zu erleichtern und die Energiegewinnung zu ermöglichen». Die Friederlaine gehört nicht dazu: Sie kann frei fliessen und sucht sich ihren Weg durch die weite Auenlandschaft. Leider gibt es nicht mehr viele solcher Flüsse in den Alpen. Und die Renaturierung von Alpenflüssen, die einmal aus ihrem freien Lauf gerissen wurden, ist ein nahezu unmögliches Unterfangen: «Es ist nicht mehr viel Platz um sie herum», bedauert Moritz, 24 Jahre alt. «Der Boden wird für die Landwirtschaft oder für Gebäude genutzt.» Boden, den ein frei fließender Fluss als Überschwemmungsgebiet benötigen würde. Die vielen verschiedenen Eigentümer der an die Flüsse angrenzenden Flächen machen die Sache nur noch komplizierter. Die Friederlaine ist einer der letzten freien Flüsse in den Alpen – eine kleine Utopie in der dichten Infrastruktur, die unsere Alpen überzieht.

Fabia (23) hofft dennoch, dass die Flüsse in den Alpen wieder natürlicher gestaltet werden und die Artenvielfalt zunimmt. Genauso wie Tim, der sich eine Vielfalt der Lebensräume in den Flusslandschaften wünscht, Flüsse mit unterschiedlicher Verlandung – frei fliessende Flüsse. «Dafür sollten wir mehr tun», schlussfolgert der 26-jährige sachlich. «Damit sich natürliche Prozesse durchsetzen können.»


Quellen: Interviews Utopia-Exkursion «Wochenende in der Zugspitzregion» (Juli 2023)
Links: www.umweltatlas.bayern.de/standortauskunft/rest/reporting/sb_geotope/generate/Geotope.pdf?additionallayerfieldvalue=180R034 (de), www.zobodat.at/pdf/Jb-Verein-Schutz-Bergwelt_52_1987_0037-0070.pdf (de)

Photos (c) CIPRA Germany, Henriette Adolf

abgelegt unter: Visit Utopia

Steckbrief

Was: Visit Utopia - Friedergries/D
Das Friedergries ist der Schuttkegel der «Friederlaine»; ein Wildbach, der feinkörnigen Hauptdolomitschutt als Geschiebe transportiert.

Wo: Im südlichen Teil des Naturparks «Ammergauer Alpen», bei Griesen, einem Ortsteil von Garmisch-Partenkirchen.

Wann: seit dem Zeitalter des Noriums / Holozäns

Wie: Das Friedergries ist ein kombinierter Schwemm-/Schlammkegel, der fast ausschließlich aus Hauptdolomitschutt besteht. Dieser stammt aus dem Graben des Friederlainebaches.
Grössere Steine und Felsbrocken sind vor allem im unteren Teil des Schotters abgelagert. Sogar auf den Ästen von Bäumen sind Steine zu finden, als Überbleibsel grösserer Hochwasserereignisse. Viele Bäume sind «ertrunken», so dass sich die Friederlaine stellenweise durch einen abgestorbenen Wald schlängelt. Durch Hochwasser werden jedoch immer wieder Kiesbänke und Treibholz abgelagert. Dadurch entstehen neue Lebensräume für speziell angepasste Tier- und Pflanzenarten, wie z.B. die Kiesbankschrecke oder die Deutsche Tamariske.

Übertragbarkeit: Das Friedergries ist geowissenschaftlich bedeutsam. Der Geotop ist selten – es gibt weniger als fünf vergleichbare Geotope in der Region. Es gibt nur eine geologische Gegend mit ähnlichen Geotopen.