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Keine Landschaft in Sicht

30.01.2019 / alpMedia
Mit wachsenden Nutzungsansprüchen wird die alpine Landschaft mehr und mehr beeinträchtigt. Mit der «Zersiedelungsinitiative» versuchen UmweltschützerInnen in der Schweiz eine Trendwende einzuläuten. Sie wollen die Ökonomisierung der Landschaft eindämmen.
Bild Legende:
Wie Wirtschaft Landschaft verändert: Wintersportorte wie St. Moritz/CH machen es sichtbar. © Zacharie Grossen_wikimedia commons

Am 10. Februar 2019 geht es in der Schweiz ans Eingemachte, nämlich um Grund und Boden. An diesem Tag stimmen die SchweizerInnen über eine Volksinitiative der Jungen Grünen ab. Neue Bauzonen sollen nur noch erlaubt werden, wenn dafür andernorts Ausgleichsflächen geschaffen werden, bereits bebaute Flächen sollen für eine Siedlungsentwicklung nach innen «verdichtet», nachhaltige Formen des Wohnens und Arbeitens gefördert werden.

Pro Sekunde geht in der Schweiz ein Quadratmeter Kulturland verloren. Besonders einschneidend in die Landschaft seien Autobahnen, stellt der Verkehrs-Club der Schweiz fest. Seit 1980 sind diese um rund 65 Prozent gewachsen. Die Gesamtlänge der Eisenbahnschienen blieb dagegen fast konstant. BefürworterInnen der eidgenössischen Volksinitiative «Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (Zersiedelungsinitiative)» wollen den verschwenderischen Umgang mit Kulturland, Grünflächen und naturnahen Landschaften stoppen. GegnerInnen lehnen die Initiative als zu radikal und zu starr ab. Ihnen geht es um eine weiterhin florierende Wirtschaft. Das bedeutet: noch mehr Wohnhäuser, Supermärkte, Gewerbehallen, Strassen und Parkplätze. Auch andere Alpenländer sehen ähnliche Entwicklungen wie die Schweiz. So wird europaweit nirgendwo mehr fruchtbares Land für die Siedlungsentwicklung verbraucht als in Österreich. Jährlich wird dort eine Fläche der Grösse der Stadt Salzburg verbaut.

Wenn Wachstum schadet

Aus wirtschaftlicher Sicht besteht ein ständiger Nutzungszwang. Die Vorstellung ist: Landschaft hat nur dann einen Wert, wenn sie wirtschaftlich genutzt wird. Sie wird zur Ressource. Von der Kunstschnee-Erzeugung für den Wintertourismus bis hin zu übernutzten Wiesen und abgeholzten Wäldern: Die Ökonomie gestaltet und beeinflusst, wie sich Wald, Schnee und Landschaft in den Alpen darstellen, wie Irmi Seidl sagt. Sie ist Lehrende für Ökologische Ökonomie an der ETH und der Univeristät Zürich, Leiterin der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft und Mitglied im «Sounding Board» von CIPRA International. «Wenn wir uns die Landschaften heute anschauen, sind alle besiedelt, sie werden landwirtschaftlich genutzt.» Es sei immer die Ökonomie, die bestimme, wie diese Räume genutzt würden. «Wächst die Wirtschaft, verbraucht sie auch mehr Ressourcen – und somit mehr Landschaft.»

Laut Seidl gibt es kaum Anzeichen für eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch. Eine immer exzessivere Ressourcennutzung bedrohe die ökologische Lebensgrundlage unserer Gesellschaft. «Heute steht eigentlich jegliche Umweltpolitik unter dem Wachstumsvorbehalt.» Das heisse: Umweltpolitik ja, aber nur, wenn es dem Wachstum nicht schade. Dieses Wachstum könne nicht ewig anhalten, wie der Einbruch des Bausektors in manchen Regionen der Schweiz zeige.

Immer gefragter sind deshalb alternative, weniger exzessive Modelle des Wirtschaftens, die weniger von ökonomischen Schwankungen abhängig sind. Ein möglicher Ansatz sei die Suffizienz, wie Seidl erklärt. «Suffizienz besagt, dass man das richtige Mass sucht und mit den vorhandenen Ressourcen haushälterisch umgeht.»

Die CIPRA sammelt in ihrem Web-Dossier «Natur und Mensch» gute Beispiele aus allen Alpenländern. Diese zeigen, dass ein wirtschaftlich und ökologisch nachhaltiger Umgang mit Landschaft möglich ist.

 

Quellen und weitere Informationen:

www.zersiedelung-stoppen.ch,
www.nzz.ch/schweiz/die-zersiedelungsinitiative-auf-einen-blick-ld.1448742,
www.wienerzeitung.at/themen_channel/wz_reflexionen/vermessungen/859658_Raubbau-an-der-Landschaft.htmlwww.cipra.org/de/dossiers/natur-und-mensch/landschaft