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Aufwind für Bürgerinitiativen

01.10.2014 / alpMedia
David gegen Goliath. Die Geschichte zweier Bürgerinitiativen, die eine internationale Diskussion losgetreten haben: Dürfen BürgerInnen mitentscheiden, wenn Pestizide und Abgase ihre Lebensqualität verschlechtern?
Bild Legende:
Verschiedene Bürgerinitiativen in den Alpen fordern Mitsprache bei der Gestaltung ihrer Gemeinde ein, wie zum Beispiel die BürgerInnen von Mals/I. Sie stimmten gegen Pestizide im Obstbau. © Hermann Rohr / pixelio.de

Das kleine Dorf Mals/I am Rand von Europas grösstem Obstanbau-Gebiet in Südtirol hat es in die internationale Presse geschafft. Allein auf der Facebook-Seite von Greenpeace hat die News 13'400 «gefällt mir»-Klicks. Mitte September 2014 haben Dreiviertel der 5'000 EinwohnerInnen für ein Verbot von gesundheits- und umweltschädlichen chemisch-synthetischen Pestiziden auf Gemeindegebiet gestimmt. Am Referendum beteiligten sich fast 70 Prozent der MalserInnen.

Wer bestimmt?

Das Votum von Mals erregt nicht nur deshalb Aufsehen, weil eine Bürgerinitiative ein für Italien beispielloses Referendum initiiert hat. Auf das deutliche «Ja» der BürgerInnen folgte der Hinweis verschiedener Behörden, dass die Abstimmung nicht gesetzeskonform sei. Denn für ein Pestizidverbot sei Brüssel und nicht eine Gemeinde zuständig. Organisationen wie das «Pestizid Action Netzwerk» fordern jetzt die Politik auf, ein Umdenken auf EU-Ebene zu erwirken.

Österreich schafft mehr Mitsprache

Im Nachbarland Österreich haben Bürgerinitiativen zukünftig mehr zu sagen. Möglich macht es ein Entscheid zum Stadttunnel Feldkirch. Für das Strassenprojekt läuft zurzeit eine einfache Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Bürgerinitiativen sind eigentlich in dieser Art von Verfahren ausgeschlossen. Dagegen haben sich Bürgerinitiativen in Österreich und in dem vom Projekt tangierten Liechtenstein gewehrt – mit Erfolg. Beide haben die Parteistellung erhalten, d. h. sie können die Einhaltung von Umweltgesetzen vor Gericht einklagen. Begründet wurde der Entscheid, dass die BürgerInnen vom Projekt betroffen sind. Diese Betroffenheit sei unabhängig davon, ob ein Projekt eine vereinfachte oder eine «normale» UVP durchlaufe. Und unabhängig von Grenzen.

Bürgerinitiativen als Sensoren     

Dieser Entscheid hat Auswirkungen für die Alpen: Viele Projekte, z. B. Kleinwasserkraftwerke in besonders schützenswerten Gebieten, durchlaufen eine einfache UVP. Zukünftig haben Bürgerinitiativen mit Verweis auf den Stadttunnel Feldkirch auch in diesen Verfahren mehr Gewicht. Ist auch die Bevölkerung eines Nachbarstaates vom Projekt betroffen, muss die ausländische Bürgerinitiative gleich wie die inländische behandelt werden.

Als Folge des Referendums in Mals und des Engagements der dortigen Bürgerinitiative wird jetzt in Südtirol diskutiert, wie viel Entscheidungsmacht den BürgerInnen überhaupt zugetraut werden kann. Auch in Österreich stellt man sich diese Frage. Dabei haben sich beide Länder eigentlich mit völkerrechtlichen Verträgen wie der Aarhus Konvention zur Partizipation und der dafür notwendigen Wissensvermittlung verpflichtet. Die Bürgerinitiativen gegen den Stadttunnel Feldkirch haben jetzt die Chance zu beweisen, dass sie über Fachkompetenz verfügen und die Einbeziehung der Menschen vor Ort bessere Lösungen und damit mehr Lebensqualität für alle bringt.

Quelle und weitere Informationen: http://www.ohnetunnel.li/media/files/2014-09-12-bescheid-parteistellung.pdf, http://www.salto.bz/article/24092014/mals-goes-europe, http://www.greenpeace.org/international/en/news/Blogs/makingwaves/Malles-bans-pesticides/blog/50576/?utm_source=facebook&utm_medium=post&utm_term=link%20post,bees,agriculture,food,food%20for%20life,pesticides&utm_campaign=Food&__surl__=IgHlX&__ots__=1410723060258&__step__=1 (en)