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Luca Mercalli über die Klimapolitik in Italien - Gute Projekte - keine Strategie
04.11.2009
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Serena Rauzi
Luca Mercalli ist Italiens einsamer Rufer für einen effizienten Klimaschutz. Sein Land sei Lichtjahre von den Nachbarländern entfernt, sagt der Meteorologe und Fernsehmoderator. Von der Politik ist er vollends enttäuscht. Am ehesten findet er Gehör bei Teilen der Wirtschaft.
Auf die Frage, ob Italien genug gegen den Klimawandel tut, kann ich nur mit einem klaren "Nein" antworten. In Italien hat man noch nicht erkannt, was der Klimawandel bedeutet und welche Folgen er haben kann. In den letzten zehn Jahren ist es keiner Regierung gelungen, wenigstens ein seriöses und konkretes Informations- und Aktionsprogramm zum Thema Klimawandel auf den Weg zu bringen.
Heute haben wir eine zweigeteilte Situation: Auf nationaler Ebene sorgt die Regierung für Verwirrung durch widersprüchliche Aktionen, sei es die beim G8-Gipfel getroffene Entscheidung zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf zwei Grad Celsius, die Entscheidung für die Atomenergie oder der Antrag von Senatoren der Mehrheitsparteien, in dem sogar der Klimawandel als solcher bestritten wird. Auf lokaler Ebene dagegen häufen sich die Initiativen zur Förderung und Unterstützung von erneuerbaren Energien, aus denen eine Vielzahl von lobenswerten Projekten von Provinzen und Gemeinden hervorgehen.
Es fehlt demnach weder an Projekten noch an fähigen Akteuren für deren Umsetzung. Was fehlt, ist eine solide nationale Strategie, eine einheitliche und konsequente Vision der institutionellen Organe. Ihre Aufgabe wäre es, Verhaltensweisen und Gewohnheiten durch entsprechende Gesetze und Verordnungen zu steuern. Stattdessen hat man den Eindruck, dass auf institutioneller Ebene eine grosse Verwirrung herrscht, die die Bürgerinnen und Bürger verunsichert und entmutigt.
Bei diesen Themen ist Italien also Lichtjahre entfernt von anderen Alpenländern wie die Schweiz, Deutschland oder Österreich. Dabei gäbe es genügend Aufholpotenzial. Man müsste nur das nutzen, was andere vor uns in Sachen Technologie und technischem Know-how erarbeitet und entwickelt haben. Gewiss gibt es einige wenige Ausnahmen in diesem trostlosen Panorama. Unter den alpinen Regionen sticht vor allem die Autonome Provinz Bozen heraus. Andere Regionen ziehen nur langsam nach. Es wäre falsch zu meinen, der Vorsprung der Autonomen Provinzen sei nur eine Frage des Geldes. Entscheidend ist vielmehr der kulturelle Faktor und das im deutschsprachigen Raum stärker ausgeprägte und verwurzelte Bewusstsein für Umweltprobleme.
Trotz aller Widerstände gibt es auch im übrigen Italien kompetente und engagierte Personen, die auch mich motivieren, meine Informations- und Sensibilisierungsarbeit fortzusetzen. Leider bilden wir noch eine kleine Minderheit; es fällt uns schwer, uns Gehör zu verschaffen. In Italien erleben wir heute die Apotheose der Ideologie: Tatsachen werden verdreht und derjenige hat Recht, der am lautesten schreit. Wichtige Themen wie die Umwelt erfordern hingegen ernsthafte und tiefgründige Debatten.
Ein Teil der Industrie scheint dies verstanden zu haben. Und so kommen überraschenderweise die aufmerksamsten und interessiertesten Gesprächspartner aus der Wirtschaft. Einige Unternehmer beginnen zu realisieren, dass Investitionen in Klimamassnahmen nicht nur der Umwelt zugute kommen, sondern dass sie selber die ersten sind, die durch Energieeinsparungen und durch eine Verbesserung ihrer Marketingstrategie davon profitieren.
Wenn ich über die Landesgrenzen und auch über die Alpen hinaus in Richtung Kopenhagen blicke, mache ich mir keine Illusionen, dass sich die Welt über Nacht verändert. Ich wäre schon zufrieden, wenn man mit Nachdruck und Überzeugung daran arbeiten würde, dass das zur Normalität wird, was auch die CIPRA heute Tag für Tag in Form von guten, innovativen und revolutionären Praktiken vermittelt. Ein Haus mit Sonnenkollektoren auf dem Dach und einer guten Wärmedämmung muss so selbstverständlich werden wie eine Küche mit Kühlschrank - natürlich in der Effizienzklasse A++.
Starke Stimme für den Klimaschutz in Italien
Luca Mercalli ist amtierender Präsident der Società meteorologica italiana und Gründer und Direktor der Meteorologischen Zeitschrift "Nimbus". Als Moderator einer Rubrik in der viel beachteten Fernsehsendung "Che tempo che fa" auf RAI3 und in "TGMontagne" auf RAI2 ist Mercalli eine nationale Persönlichkeit. Er betreibt seit jeher aktive Informations- und Sensibilisierungsarbeit zu Themen rund um den Klimawandel in Italien und die Zukunft der Berge. Der gebürtige Turiner lebt und arbeitet im Valle di Susa im Piemont.
www.nimbus.it (it/en)
Heute haben wir eine zweigeteilte Situation: Auf nationaler Ebene sorgt die Regierung für Verwirrung durch widersprüchliche Aktionen, sei es die beim G8-Gipfel getroffene Entscheidung zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf zwei Grad Celsius, die Entscheidung für die Atomenergie oder der Antrag von Senatoren der Mehrheitsparteien, in dem sogar der Klimawandel als solcher bestritten wird. Auf lokaler Ebene dagegen häufen sich die Initiativen zur Förderung und Unterstützung von erneuerbaren Energien, aus denen eine Vielzahl von lobenswerten Projekten von Provinzen und Gemeinden hervorgehen.
Es fehlt demnach weder an Projekten noch an fähigen Akteuren für deren Umsetzung. Was fehlt, ist eine solide nationale Strategie, eine einheitliche und konsequente Vision der institutionellen Organe. Ihre Aufgabe wäre es, Verhaltensweisen und Gewohnheiten durch entsprechende Gesetze und Verordnungen zu steuern. Stattdessen hat man den Eindruck, dass auf institutioneller Ebene eine grosse Verwirrung herrscht, die die Bürgerinnen und Bürger verunsichert und entmutigt.
Bei diesen Themen ist Italien also Lichtjahre entfernt von anderen Alpenländern wie die Schweiz, Deutschland oder Österreich. Dabei gäbe es genügend Aufholpotenzial. Man müsste nur das nutzen, was andere vor uns in Sachen Technologie und technischem Know-how erarbeitet und entwickelt haben. Gewiss gibt es einige wenige Ausnahmen in diesem trostlosen Panorama. Unter den alpinen Regionen sticht vor allem die Autonome Provinz Bozen heraus. Andere Regionen ziehen nur langsam nach. Es wäre falsch zu meinen, der Vorsprung der Autonomen Provinzen sei nur eine Frage des Geldes. Entscheidend ist vielmehr der kulturelle Faktor und das im deutschsprachigen Raum stärker ausgeprägte und verwurzelte Bewusstsein für Umweltprobleme.
Trotz aller Widerstände gibt es auch im übrigen Italien kompetente und engagierte Personen, die auch mich motivieren, meine Informations- und Sensibilisierungsarbeit fortzusetzen. Leider bilden wir noch eine kleine Minderheit; es fällt uns schwer, uns Gehör zu verschaffen. In Italien erleben wir heute die Apotheose der Ideologie: Tatsachen werden verdreht und derjenige hat Recht, der am lautesten schreit. Wichtige Themen wie die Umwelt erfordern hingegen ernsthafte und tiefgründige Debatten.
Ein Teil der Industrie scheint dies verstanden zu haben. Und so kommen überraschenderweise die aufmerksamsten und interessiertesten Gesprächspartner aus der Wirtschaft. Einige Unternehmer beginnen zu realisieren, dass Investitionen in Klimamassnahmen nicht nur der Umwelt zugute kommen, sondern dass sie selber die ersten sind, die durch Energieeinsparungen und durch eine Verbesserung ihrer Marketingstrategie davon profitieren.
Wenn ich über die Landesgrenzen und auch über die Alpen hinaus in Richtung Kopenhagen blicke, mache ich mir keine Illusionen, dass sich die Welt über Nacht verändert. Ich wäre schon zufrieden, wenn man mit Nachdruck und Überzeugung daran arbeiten würde, dass das zur Normalität wird, was auch die CIPRA heute Tag für Tag in Form von guten, innovativen und revolutionären Praktiken vermittelt. Ein Haus mit Sonnenkollektoren auf dem Dach und einer guten Wärmedämmung muss so selbstverständlich werden wie eine Küche mit Kühlschrank - natürlich in der Effizienzklasse A++.
Starke Stimme für den Klimaschutz in Italien
Luca Mercalli ist amtierender Präsident der Società meteorologica italiana und Gründer und Direktor der Meteorologischen Zeitschrift "Nimbus". Als Moderator einer Rubrik in der viel beachteten Fernsehsendung "Che tempo che fa" auf RAI3 und in "TGMontagne" auf RAI2 ist Mercalli eine nationale Persönlichkeit. Er betreibt seit jeher aktive Informations- und Sensibilisierungsarbeit zu Themen rund um den Klimawandel in Italien und die Zukunft der Berge. Der gebürtige Turiner lebt und arbeitet im Valle di Susa im Piemont.
www.nimbus.it (it/en)