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Publikation

Architektur im Rhythmus der Wasserkraft

Erscheinungsjahr2004
Autor(en)Siegfried Tappeiner
ErscheinungsortInnsbruck
Sprachede
DokumentartDiplomarbeit
Im Zuge seiner Diplomarbeit setzt sich der gebürtige Laaser Siegfried Tappeiner mit dem Thema "Renaturierung" auseinander. Die Arbeit strebt, mit ihrem ganzheitlichen integrativen Anspruch, eine Verbindung zwischen Natur und Architektur an. Sowohl das [Renatureirungs]konzept für das Gebiet zwischen Glurns und Laas als auch das Projekt für das Ausgleichsbecken in Schluderns beziehen den Menschen, Tiere, Pflanzen und Technik mit ein.

Im geschichtlichen Abriss wird die Transformation der Landschaft - von den Mösern und den Auen zu den Apfelanlagen - beschrieben. Durch die anfangs des neunzehnten Jahrhunderts durchgeführte Etschbegradigung und die Entwässerung des Talbodens verändert sich die Landschaft im oberen Vinschgau grundlegend. Aus der ehemaligen Naturlandschaft wird eine vom Menschen gestaltete, intensiv genutzte Kulturlandschaft.
Als dominanter Eingriff in die Natur wird die Nutzung der Wasserkraft beschrieben. Die dafür entstandenen Strukturen, wie der Stausee in Reschen, das Ausgleichsbecken in Schluderns und die verschiedenen Wasserkraftwerke sind inzwischen Teile einer Landschaft geworden, die durch ihre Funktion das ökologische Gleichgewicht in diesem Gebiet empfindlich stören.
Die neu entstandene, vom Menschen geformten "Natur", erweist sich zunehmend als problematisch. Die begradigte Etsch dient als künstlicher Hochwasserschutz, bei starken Niederschlägen werden die Wassermassen talabwärts geleitet, oder überfluten landwirtschaftlich genutzte Flächen. Die Produktion von Spitzenstrom hat einen Schwallbetrieb in den Gewässern zur Folge, der das Leben der Bäche und Flüsse ernsthaft gefährdet.
Das [Renaturierungs]konzept für das Gebiet zwischen Glurns und Laas zeigt ressourcenorientierte Lösungsansätze auf. Eine Wiederannäherung an die Natur kann durch die Ausweitung der Etsch und durch die Trennung des Wassers der Stromproduktion vom Wasser der Etsch und der Puni erreicht werden. Durch die Zurückversetzung der Dämme, die derzeit die Auen von der Etsch abtrennen, können die Auen bei Hochwassergefahr überflutet und somit am Leben erhalten werden.

Nach einer genauen Bestandsanalyse der Lage, der Entstehung und der Nutzung des Ausgleichsbeckens zwischen Glurns und Schluderns folgen ökologische Aspekte und die "andere" Betrachtung des Wassers. (Theorien von Masaru Emoto). Der architektonische Entwurf zum Ausgleichsbecken bietet, unter Miteinbeziehung aller in der Analyse erhobenen Daten, eine für Menschen, Tiere und Pflanzen neu geformte Landschaft.
Der Schluss der Diplomarbeit weist auf die Notwendigkeit eines Umdenkens in der Nutzung unserer "Natur" hin.

Die Kulturwende der Renaissance, die den Übergang des Mittelalters zur Neuzeit darstellt, kann als Wegbereiter einer neuen Entwicklung des Menschen beurteilt werden. Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur begann sich langsam zu verändern. Mit der Aufklärung wurde die Vernunft als Prinzip der Wissenschaft über alles gestellt:
" … Vernunft ist das Prinzip der Wissenschaft, die Aufklärung hatte eine große Breitenwirkung und verursachte eine radikale Abkehr von aller Tradition: Die Welt ist ein der göttlichen Hilfe nicht mehr bedürftiger Kosmos, ein gesetzmäßiger Zusammenhang von Atomen, Substanzen und Kräften; sie ist berechenbar, eine zweckmäßige Maschine; alles ist nützlich, hat einen vernünftigen Grund - alles ist auf den Menschen bezogen" (Bertelsmann 2002, 73)
Der Rationalismus rechtfertigte die zum Nutzen und zum Gewinn der Menschen durchgeführten Eingriffe in die Natur. Die Welt wurde berechenbar, sie diente als nützliche Maschine. Die Landschaft wurde auseinander gerissen, aufgeteilt und Opfer der jeweiligen ökonomischen Interessen.
Der Mensch formte sie nach seinen "Bedürfnissen" um, ohne zu bemerken, dass er letztendlich sich selbst auszuschließen begann. Entfremdet von seiner Natur, in einer hoch entwickelten, künstlichen Welt begleiten zunehmend Entwurzelung, Vereinsamung und Isolation die menschliche Existenz.

Die Transformation der Naturlandschaft in eine künstlich konstruierte Landschaft ist das Produkt einer modernen, technischen Welt, die sich der Mensch geschaffen hat. Dass diese Entwicklung nicht unproblematisch verläuft, sieht man anhand des ökologischen Dilemmas, in dem sich unsere Umwelt befindet. Ein Umdenken wird dringend notwendig. Als Anfang einer Umkehr können [Renaturierungs]Projekte bewertet werden, die eine Wiederannäherung des Menschen an die Natur unterstützen und neue, naturnähere Räume schaffen.
Eingereicht an der Universität Innsbruck, Fakultät für Architektur