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Traditioneller Naturschutz in der Krise

11.01.2016 / alpMedia
Die EU pocht auf eine bessere Umsetzung der Biodiversitätsstrategie. Gleichzeitig werden Schutzgebiete in den Alpen zerstückelt, geschwächt, abgewertet. Wo hapert es?
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Alte Vorurteile? 27 von 29 Gemeinden haben die Charta des französischen Nationalparks Vanoise abgelehnt, darunter die Gemeinde Termignon. © Parc National de la Vanoise – Nathalie Tissot

Die Halbzeitbilanz zur EU-Biodiversitätsstrategie 2020 fällt ernüchternd aus: Mehr als drei Viertel der wichtigen natürlichen Lebensräume sind in schlechtem Zustand, und viele Arten sind vom Aussterben bedroht. «Der Verlust an biologischer Vielfalt ist gleichbedeutend mit dem Verlust unserer Lebensgrundlagen», betont Karmenu Vella, EU-Kommissar für Umwelt. «Das können weder wir uns leisten, noch unsere Wirtschaft.» Gefordert sind insbesondere die Staaten, die vermehrt Massnahmen auf nationaler Ebene umsetzen müssten, und zwar nicht nur innerhalb der Schutzgebiete, sondern darüber hinaus, namentlich in der Land- und Forstwirtschaft.

Den Menschen ist die Biodiversität offenbar wichtig und sie möchten sie schützen, wie eine Eurobarometer-Umfrage zeigt. Dennoch kommen bestehende Schutzgebiete in den Alpen unter Druck. In Italien soll der Nationalpark Stilfser Joch zerstückelt werden. In Slowenien gibt es Aufruhr rund um den Nationalpark Triglav: Die acht umliegenden Gemeinden sollten laut überarbeitetem Gesetz finanzielle Unterstützung erhalten, aber die versprochenen Mittel können wegen der Wirtschaftskrise nicht ausbezahlt werden, und einige Gemeinden stellen sich nun quer.

Irrationale Vorurteile

In Frankreich schrumpft die Umgebungszone des Nationalparks Vanoise auf einen Siebtel ihrer heutigen Grösse, weil 27 von 29 Gemeinden die neue Charta abgelehnt haben. Bemerkenswert: Mehrere BürgermeisterInnen waren dafür, aber die BürgerInnen, teils vertreten durch Gemeinderäte, stimmten dagegen. Rémi Zanatta, Bürgermeister von Termignon, ist enttäuscht: «Der Nationalpark Vanoise ist ein strategischer Pfeiler für den Tourismus. Die Charta wäre die logische Konsequenz gewesen.» Anstoss zur Ausarbeitung hatte ein nationales Gesetz von 2006 gegeben, das die Zusammenarbeit der Nationalparks mit den umliegenden Gemeinden stärken soll.

Warum haben Schutzgebiete einen so schweren Stand? Im Park Vanoise spielten sicherlich die besonderen Umstände herein, dass sich in 26 der 29 Gemeinden Wintersportgebiete befinden, darunter drei der weltweit zehn grössten. Man konnte offenbar den Nutzen nicht vermitteln. «Die Charta wurde als Entwicklungsbremse betrachtet», lautet das Fazit von Parkdirektor Emmanuel Michau. «Dabei ist es in erster Linie ein partnerschaftliches Werkzeug für die Regionalentwicklung.» In anderen französischen Parks stimmten 75 bis 80 Prozent der Gemeinden auf Anhieb zu.

CIPRA Italien geht neue Wege

Die Frage lautet also: Wie kann die Zusammenarbeit und das Verständnis zwischen Schützern und Nutzern verbessert werden? In Italien geht die CIPRA beispielhaft voran: Zusammen mit Mitgliedsorganisationen, die teilweise sehr unterschiedliche Positionen vertreten, hat CIPRA Italien ein Strategiepapier ausgearbeitet mit Vorschlägen für Umsetzungsmassnahmen. Wenn lokal Betroffene und Beteiligte eingebunden werden, so die Überzeugung, können Schutzgebiete Antworten geben nicht nur auf Fragen betreffend die Biodiversität, sondern auch zu Erwartungen an die Lebensqualität.

Quellen und weitere Informationen: http://www.vanoise-parcnational.fr/fr/documentation-en-ligne/doc_download/2687-la-charte-du-parc-national-de-la-vanoise--le-present-et-lavenir.html (fr), http://www.adnkronos.com/sostenibilita/risorse/2015/10/05/una-petizione-per-salvare-stelvio-associazioni-mattarella-fermi-smembramento_KKiRZuvsA7xgCzBWf8xB1K.html (it), http://ec.europa.eu/environment/nature/biodiversity/comm2006/2020.htm (en), http://www.cipra.org/it/cipra/italia (it)