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Städtische Planung ist ein sozialer Prozess

20.07.2018
Die Bedürfnisse der AlpenbewohnerInnen verändern sich schneller als die Infrastrukturen. Sonthofen/D stellt sich der Herausforderung von Umnutzungen gemeinsam mit anderen Alpenstädten ‒ und mit der Bevölkerung.
Bild Legende:
© Johannes Gautier

In Sonthofen, einer deutschen Kleinstadt am Alpenrand, wird ein 33 Hektar grosses Militär-Areal mitten im Stadtgebiet frei. Die Flächen stammen aus einer Zeit, als die Armee hier noch ein Vielfaches an Soldaten stationiert hatte. Was tun mit diesen zukünftigen so genannten Konversionsflächen? Die Stadtverwaltung hat sich aufgemacht, gemeinsam mit den Sonthoferinnen und Sonthofern diese raumplanerische Aufgabe anzugehen, und hört sich bei den Bürgerinnen und Bürgern um. Was sind deren Bedürfnisse? Welche Sorgen haben sie? Welche Ideen für eine neue Nutzung? Gleichzeitig haben die Verantwortlichen auch offene Ohren für Ideen und Ratschläge von aussen. Im November 2017 empfing Sonthofen andere Städtevertretern, die sich in ihren Ländern mit ähnlichen Aufgabenstellungen beschäftigen. Der Verein «Alpenstadt des Jahres » organisiert gemeinsam mit CIPRA International insgesamt vier Austauschtreffen zwischen Planungsbeauftragten aus Sonthofen, der slowenischen Alpenstädte Idrija und Tolmin sowie der italienischen Alpenstadt Tolmezzo.
In all diesen Orten gibt es freie Flächen und Gebäude, die ihren Zweck überlebt haben und nun auf neue Nutzungsformen warten. «Tour des Villes» heisst das Projekt, und wird unterstützt durch das Schweizerische Bundesamt für Raumentwicklung ARE. Der Auftakt fand 2016 an der AlpenWoche in Grassau/D, mit einem ersten Workshop statt. Der Name ist Programm: Reihum besprechen die Projektpartner ihre Fälle gemeinsam bei gegenseitigen Besuchen und entlang von spezifischen Fragestellungen. Ideen, Methoden und Erfahrungen werden ausgetauscht und diskutiert. Nutzungskonflikte, rechtliche Gegebenheiten und etwaige Befürchtungen werden nicht ausgeklammert. In Sonthofen stellten sich die Teilnehmenden unter anderem folgende Fragen: Wie kann man die Areale künftig mit erneuerbaren Energien versorgen? Wie ein nachhaltiges Verkehrskonzept planen? Welche kurz- und längerfristigen Zwischennutzungen sind möglich?

Menschen wollen mitreden
So wie Sonthofen im Allgäu fragen sich im ganzen Alpenbogen grosse und kleine Gemeinden, wie sie bestehende, nicht mehr genutzte Gebäude einem neuen Zweck zuführen oder Verdichtung gegen innen erreichen können. Denn die Lebensstile der Menschen in den Alpen ändern sich und werden immer vielfältiger. Es findet ein Strukturwandel statt. Neue Wohn- und Arbeitsformen ziehen Mehrverkehr nach sich. Menschen tauschen dank neuer Technologien Informationen, Güter und Wissen quasi in Echtzeit aus. Während einige Täler veröden, erfahren Orte mit Zentrumsfunktion regen Zulauf. Mit dem gesellschaftlichen Wandel ändern sich auch die Anforderungen an die gebaute Umgebung. Doch Infrastrukturen und gesellschaftliche Prozesse haben unterschiedliche Halbwertszeiten: Infrastrukturen sind statisch und langlebig, während sich gesellschaftliche Bedürfnisse stetig wandeln. Diese Diskrepanz stellt Raumplanerinnen und Raumplaner vor zusätzliche Herausforderungen.
Für Johannes Buhl, Klimaschutzbeauftragter von Sonthofen, ist klar, dass Gemeindeentwicklung eine Gesellschaftsaufgabe ist. Mit Information und Kommunikation werden partizipative Prozesses möglich, um die Bedürfnisse der Gesellschaft aufzunehmen. Sonthofen stellt sich dieser Aufgabe: Die Stadt diskutiert nun über einen Bildungscampus auf einem Teil der Konversionsfläche in Kooperation mit einer nahe gelegenen Hochschule.