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Planen mit Worten und Gefühlen

14.10.2016
Raumplanung und Regionalentwicklung haben vor allem eines im Blick: Wachstum. Deshalb können sie mit Schrumpfung und Rückgang nicht gut umgehen. Anstatt diese Phänomene zu tabuisieren, sollten sie in Entwicklungsprozesse integriert werden, zum Beispiel durch die Nutzung der Kraft von Sprache und Emotionen.

Problemregion, Region im Abwärtstrend, Schrumpfungsgebiet, Peripherie – die Sprache über Regionen mit Bevölkerungsrückgang ist zumeist negativ geprägt. Diese Begriffe entstammen einer überwiegend ökonomisch orientierten Sicht und Bewertung. Ihre Verwendung in der Planung und auch im öffentlichen Gebrauch prägt die Wahrnehmung und trägt zur Negativspirale bei. Sprache schafft Wirklichkeit.

Abwanderung, Arbeitsplatzverluste, Gebäudeleerstand, das Schliessen von Einrichtungen und das Zuwachsen von landwirtschaftlichen Flächen erzeugen starke Emotionen wie Angst oder Trauer. Für diese Emotionen gibt es in der Raumplanung und Regionalentwicklung in der Regel keinen Platz und keine Instrumente. Die Emotionen sind jedoch bestimmend für unser Verhalten, auch für unser «Raumverhalten»: An Orten, die emotional negativ besetzt sind, möchte niemand auf Dauer bleiben. Welche Rolle Sprache und Psychologie beim Thema Bevölkerungsrückgang spielen, untersucht ein interdisziplinäres Team im Auftrag des Österreichischen Bundeskanzleramts im Rahmen der Studie «Regionen mit Bevölkerungsrückgang».

«Sterbebegleitung» für schrumpfende Regionen?

Der Raumplanung und Regionalentwicklung fällt es schwer, mit Schrumpfungsprozessen konstruktiv umzugehen oder diese gar zu akzeptieren und in ihre Konzepte zu integrieren. Stattdessen werden diese Phänomene tabuisiert, Begriffe wie «Rückbau» oder «Wildnis» aus offiziellen Dokumenten verbannt. Diese Tabuisierung wiederum blockiert Chancen und Res­sourcen für neue Aufbrüche und positive Veränderungsprozesse. Ein Schlüssel zur Veränderung liegt möglicherweise im Umgang mit diesen Tabus. Wer hat welche Tabus? Warum? Und wie wir­ken sich diese Tabus aus?

Veränderung durch Worte und Gefühle

Sprache und Emotionen können die Arbeit der Raumplanung und Regionalentwicklung we­sentlich bereichern und unterstützen. Wenn deren VertreterInnen bewusster mit Sprache umgehen, tragen sie dazu bei, Eigenschaften und Potenziale von Regionen stärker sichtbar zu machen, sie mehr in den Mittelpunkt der äusseren und auch der inneren Wahrnehmung zu rücken. Damit können positive Wirkungsmechanismen in Gang gesetzt werden. Sprache kann dazu beitragen, neue Wirklichkeiten zu schaffen.

Methoden aus der Psychologie und aus der therapeutischen Arbeit machen es möglich, Emotionen als wertvolle Ressource zu nutzen, Unveränderliches zu akzeptieren und  Blockaden im Hinblick auf Veränderungen aufzulösen. Was müssen wir tun, um das Alte gut beenden und hinter uns lassen zu können. Woran können wir das Neue, das Verheissungsvolle erkennen und ihm den Weg bereiten? Welche Schritte sind für einen derartigen Prozess nötig?

Damit die Kraft der Sprache und der Emotionen in der Raumplanung und Regionalentwicklung besser genutzt werden können, braucht es neue Formate im Umgang miteinander, neue Methoden und Instrumente in der Planung, neue Formen der Kommunikation, aber auch neue Formen der Moderation und der Begleitung. Methoden aus anderen Bereichen wie der Psychologie oder der Sprachwissenschaft dienen als Modelle und zur Inspiration. Das bedingt, dass alle Beteiligten sich öffnen müssen, eingefahrene Mechanismen und Gewohnheiten verlassen, sich auf  Neues einlassen und ungewohnte Terrains betreten.

Wolfgang Pfefferkorn, CIPRA International


Interdisziplinärer Ansatz

Die Studie «Regionen mit Bevölkerungsrückgang» des Österreichischen Bundeskanzleramts wurde erstellt durch Helmut Hiess und Wolfgang Pfefferkorn (Rosinak&Partner), Luis Fidlschuster und Michael Fischer (Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs ÖAR), Thomas Dax und Theresia Oedl-Wieser (Bundesanstaltung für Bergbauernfragen), Maria Nicolini (Spracheexpertin), Barbara Ebetsberger de Dominicis (Psychologin). Sie wird in Kürze publiziert.