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«Kollektivistischer zu denken, ist eine grosse Chance»

Welche sind die vorherrschenden Emotionen in Bezug auf die Klimakrise?
Es sind Angst und Wut. Hinzu kommt manchmal Hoffnungslosigkeit oder Trauer. Aber es gibt auch Menschen, die Hoffnung oder eine Aufbruchsstimmung spüren und positive Emotionen damit verbinden. Die Wut richtet sich gegen politische Parteien, die zu träge und langsam mit Veränderungen sind. Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto stärker können Klimaemotionen werden.
Was sind die Folgen dieser Emotionen?
Klimaangst ist nichts Pathologisches. Es handelt sich um eine natürliche Reaktion auf eine reale Bedrohung und keine irrationale Angst. Meistens bewegen sich die Emotionen in einem aushaltbaren Bereich und die Betroffenen können ihren Alltag gut meistern. In seltenen Fällen entwickelt es sich zu einer Depression oder einer Angststörung. Ab diesem Zeitpunkt ist das tägliche Leben beeinträchtigt, man fühlt sich wie in einer Schockstarre und ein Ohnmachtsgefühl breitet sich aus.
Wie kann man damit besser umgehen?
Die Dinge verändern, die man selbst beeinflussen kann. Dabei ist es wichtig, die Klimakrise nicht zu individualisieren, sondern darauf aufmerksam zu machen, dass sich Strukturen und Systeme ändern müssen. Es ist auch wichtig, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen, denn als Gruppe kann man mehr bewirken. Hier finde ich das Konzept des ökologischen Handabdrucks hilfreich, denn er ist vergrösserbar. Das kann motivierend sein, wenn wir durch einen positiven Anreiz viele Synergie- und Dominoeffekte in der Gesellschaft entstehen lassen. Um Frustrationsmomente zu vermeiden, kann es ausserdem hilfreich sein, sich vom selbst auferlegten Perfektionsanspruch in der Nachhaltigkeitsfrage abzuwenden. In einem unperfekten System kann niemand perfekt nachhaltig leben.
Gibt es Probleme in der Art und Weise, wie über die Klimakrise gesprochen wird?
Das reine Bombardieren mit Klimakriseninformationen führt zu keiner Veränderung des Verhaltens, es steigert eher den Ethnozentrismus. Wir werten andere Gruppen ab und die eigene Gruppe auf mit Aussagen wie: «China und Indien müssen handeln, wir als kleines Österreich haben sowieso keinen Einfluss.» Berichterstattungen, die mit konkreten Handlungsanweisungen verknüpft werden, können allerdings durchaus zu einer Veränderung des Verhaltens führen. Natürlich spielt auch die Wahl der Begriffe eine Rolle: Klimawandel ist nicht sehr passend, denn Wandel ist etwas Passives und Natürliches. Besser wäre Klimakrise oder Klimakatastrophe. Dasselbe gilt für das 1.5-Grad-Ziel, das eigentlich 1.5-Grad-Limit heissen sollte.
Wie können wir uns auf die gesellschaftlichen Folgen der Klimakrise vorbereiten?
Es ist nur solidarisch möglich. Deshalb finde ich das Vernetzen so wichtig – dass man Ideen austauscht und gemeinsam Lösungen und Strategien entwickelt. Andererseits gibt es das Phänomen der pluralistischen Ignoranz: Wir glauben immer, die Mehrheit hätte eine andere Meinung als wir. Doch in Österreich geben mittlerweile zwischen 60 und 70 Prozent an, dass Klimaschutz wichtig ist. Das ist die Mehrheit. Wir müssen einfach proaktiv rausgehen und reden. Denn es gibt nicht nur die Klimakipppunkte, sondern auch soziale Kipppunkte. Wenn sich eine gewisse Anzahl an Menschen für ein Thema einsetzt, ist irgendwann der Punkt erreicht, ab dem Transformation schneller vorangeht.
Was können wir aus der Klimakrise lernen?
Das Positive ist für mich das Miteinander, das entstehen kann. Es ist eine grosse Bereicherung und birgt die Chance, dass wir wieder mehr in eine Richtung steuern, die reflektierter mit Emotionen umgeht. Wir kapseln uns oft ab in dieser Leistungsgesellschaft, in der alle immer höher, schneller und weiterwollen. Die Krise bringt die Chance, dies zu transformieren und wieder mehr Verbundenheit untereinander zu spüren. Viele psychische Erkrankungen sind auf das Einzelkämpfertum und den Leistungsdruck zurückzuführen. Kollektivistischer zu denken ist also eine grosse Chance.
Wie kommen wir weg von den negativen Emotionen und hin zum positiven Handeln?
Das kann von Person zu Person sehr unterschiedlich sein. Manche sagen, dass gerade diese Angst oder Wut eine starke Motivation sind. Andere ziehen sich dadurch eher zurück. Die Frage nach der eigenen Motivation spielt hier eine wichtige Rolle: Warum engagiere ich mich überhaupt? Es gibt so viele unterschiedliche Hintergründe und wenn man diese Motivation für sich selbst erforscht hat, dann kann man sich immer wieder darauf zurückbesinnen und Kraft daraus schöpfen.