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Ist die CIPRA weiblich?

03.06.2022 / Barbara Wülser
Durch die Gleichstellungsbrille betrachtet, unterscheidet sich die Geschichte der CIPRA in keiner Weise von derjenigen irgendeiner anderen Organisation, Firma oder Behörde: Frauen mischen zunehmend mit. Also alles paletti?
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CIPRA Präsident:innen (v.l.n.r): Charles Jean Bernard, Nathanael Georg Zimmerli, Émile Dottrens, Willy A. Plattner, Fritz Lense, Curt Fossel, Mario F. Broggi, Josef Biedermann, Andreas Weissen, Dominik Siegrist, Katharina Conradin, Bianca Elzenbaumer und Serena Arduino. (c) IUCN, A. Zimmerli, G. Wendelberger, W. A. Plattner, F. Lense, G. Prügger, M. F. Broggi, J. Biedermann, CIPRA International, Rainer Kwiotek/Zeitenspiegel, Martin Walser, Stefano Ceretti

Die Umweltministerien der Alpenländer stehen exemplarisch für die Entwicklung: Wie alle machtvollen politischen Positionen waren sie früher ausschliesslich in Männerhand. Seit einigen Jahren zeichnet sich eine Trendwende ab: In fünf der sieben Alpenländer dirigieren Frauen die politischen Geschicke im Umwelt- und Naturschutz. In den deutschsprachigen Ländern geben sich die Frauen neuerdings gar die Klinke in die Hand. Ist der Anteil der Frauen an der Macht damit gesichert? Wohl kaum: In den ungleich machtvolleren Wirtschaftsministerien aller Alpenländer sitzen, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, immer noch Männer. Das weibliche Geschlecht ist dort willkommen, aktiv und sichtbar, wo es wenige Lorbeeren zu gewinnen, dafür Knochenarbeit zu leisten gibt.

Die CIPRA als löbliche Ausnahme?

Nach zehn Präsidenten wird CIPRA International seit 2014 von Frauenhänden geführt. Und dass es die CIPRA überhaupt gibt, ist einer Frau zu verdanken: Edith Ebers (1894 – 1974) lud 1952 IUCN-Vertreter der Alpenländer nach Rottach-Egern/D an die  Gründungsversammlung ein. Ist die Alpenschutzorganisation deshalb eine löbliche Ausnahme? Ist die CIPRA weiblich? Wohl kaum. Männer waren die Geschichtsschreiber der CIPRA. Entdeckt wurde die Leistung von Edith Ebers erst 2002 anlässlich des 50-Jahre-Jubiläums – von einer Frau, der Historikerin Gertraud Sanin. Die Geschichte von Edith Ebers zeigt, wie schwierig es war und ist für erfolgreiche Frauen, die sich öffentlich exponieren. Die profilierte Wissenschaftlerin zog sich nach der Gründung – wohl unfreiwillig – von der CIPRA zurück. Vermutlich war vielen ihr Engagement für den Naturschutz ein Dorn im Auge. Da half auch die Unterstützung einer anderen Frau, der slowenischen Delegierten Angela Piskernik, nicht weiter. Man muss wissen, dass das Engagement für die CIPRA damals eine  Prestigefrage war, die wissenschaftlich internationale Anerkennung brachte. Erst als ein Mann, der damalige Präsident Emile Dottrens, ihr 13 Jahre später seine Anerkennung ausdrückte, wurde Ebers wieder in den CIPRA-Kreis aufgenommen, in dem sie bis zu ihrem Tod 1974 mitwirkte. Als international tätige Organisation leistet die CIPRA in anderer Hinsicht Pionierarbeit, indem sie kulturelle und geografische Grenzen überwindet. Diese interkulturellen Kompetenzen wurden in den letzten Jahrzehnten erweitert durch interdisziplinäre und intersektorale Kompetenzen: Die wissenschaftlich ausgerichtete «Kommission» entwickelte sich zu einer Kommunikations-Drehscheibe im Alpenraum. Die Frage, ob die CIPRA weiblich ist, muss deshalb erweitert werden: Ist die CIPRA divers? Mit ihren Gremien und Teams bezeugt sie heute schon eine enorme Vielfalt. Diese gebündelte Kraft unterschiedlichster Menschen und Ansätze ist das Lebenselixier der Organisation. Sorgsam gepflegt, hilft diese ihr, die kommenden Herausforderungen zu meistern.


Barbara Wülser, Leiterin Stabsstelle für Chancengleichheit von Frau und Mann Graubünden/CH, ehemalige Co-Geschäftsführerin CIPRA International

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