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Die Berge, eine Schule unter freiem Himmel

10.09.2012 / CIPRA Internationale Alpenschutzkommission
Damit sich die Jugendlichen eine Zukunft in den Bergen vorstellen können, brauchen sie eine persönliche Beziehung zu ihnen. Dazu gehört das Bewusstsein sowohl für gesellschaftliche wie auch für ökologische Zusammenhänge. Eine Fazit zur Umweltbildung in den französischen Alpen.
SA 97: Die Berge, eine Schule unter freiem Himmel
Bild Legende:
Gelebte Bergkultur: Für viele Jugendliche ist Bergsport ein Auslöser für ihr Engagement für die Alpen. © Dietmar Meinert/pixelio.de
Zum Thema Umweltbildung gibt es in den französischen Alpen eine Vielzahl von Initiativen: Der Verein Mountain Riders lädt Jugend­liche nach der Wintersaison zu gemeinsamen Säuberungsaktionen in die Skigebieten ein; Naturparks organisieren Jugendaustausche, bei denen junge Menschen die Möglichkeit haben, Berge in ­anderen Regionen kennenzulernen; verschiedene Menschen setzen sich dafür ein, dass das Gesetz Schulklassen die Übernachtung in einer Berghütte erlaubt; eine regionale Gebietskörperschaft – die Region Rhône-Alpes – ­organisiert Diskussionsforen mit Jugendlichen und ­Expertinnen zur Gestaltung der zukünftigen Bergpolitik; das Netzwerk «Empreintes 74» zeigt in Videointerviews, welche Beziehung Gymnasiasten zu «ihren» Bergen haben. Solche und ähnliche Initiativen gibt es auch in den übrigen Regionen der Alpen.

Versuchslabor für die Gesellschaft
Die Berge sind aus verschiedenen Gründen ein idealer Ort, um junge Menschen für die Umwelt zu sensibilisieren. So ist die Berglandschaft durch extreme und oft gut sichtbare Naturphänomene geprägt wie schmelzende Gletscher oder unterschiedliche Vegetationsstufen. Sie bietet «lebendiges» Anschauungsmaterial und ist damit eine Schule unter freiem Himmel. Naturgut ist verwundbar. Um dieses wertvolle Gut zu erhalten, müssen Berggemeinschaften ihre Lebens- und Verhaltensweisen ständig anpassen. Dies erfordert innovative Strategien und kreative Lösungen. Die Berge werden also zum Versuchslabor für die Gesellschaft und dienen als Lehrstätte für junge Menschen. Diese sammeln in den Bergen wichtige Erfahrungen. In einer Gemeinschaft zu leben, mit Ressourcen und Gefahren umzugehen – kurz: Sie lernen individuelle und kollektive Verantwortung zu übernehmen.
Es ist wichtig, dass wir Erwachsene junge Menschen auf diesem Weg begleiten, damit sie ihre persönliche Zukunft in den Bergen gestalten können – falls sie denn wollen. Gleichzeitig müssen wir sie dazu animieren, als Bürgerinnen und Bürger Verantwortung zu übernehmen für die kollektive Zukunft der Berggebiete.
Zeitgemässe Umweltbildung befähigt demnach junge Alpen­bewohner von heute, die Herausforderungen von morgen zu bewältigen. Wenn sie die Berge, deren Probleme und Vielfalt gut kennen, können sie ihre eigene «Bergkultur» pflegen und weiterentwickeln.

Erfahren und erforschen
In der Umweltbildung tätige Betreuungspersonen sehen ihre Aufgabe vor allem darin, junge Menschen dabei zu unterstützen, ihre Vorstellung von den Bergen und ihr persönliches Verhältnis zu den Bergen zu verbessern. Sie möchten junge Menschen dazu motivieren, sich aktiv mit den Bergen zu beschäftigen, Verantwortungsbewusstsein und Solidarität zu entwickeln und gleichzeitig ihre Autonomie zu stärken.
Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten: Wissenschaftliche ­Tätigkeiten, Freizeitaktivitäten, Sinneswahrnehmung, körperliche und sportliche Betätigung, bildliche und naturalistische Darstellung, Symbolik, künstlerische und manuelle Tätigkeiten und vieles mehr. Jungen Menschen soll die Möglichkeit gegeben werden, pädagogisch wertvolle Erfahrungen in den Bergen zu sammeln, zum Beispiel mit Exkursionen, Erforschen von Landschaft und Geschichte, kollektiven Erfahrungen, Selbstüberwindung oder persönlichem Einsatz. Betreuerinnen und Betreuer fördern darüber hinaus den direkten Kontakt mit Menschen und Berufsgruppen in den Bergen wie sozialen Dienstleistern oder Entscheidungsträgern und die Begegnung von Jugendlichen aus anderen Alpenregionen. Gemeinsame Projekte tragen dazu bei, dass ein Gefühl der Zusammengehörigkeit heranwächst. Gemeinsame Diskussionen um die Zukunftsgestaltung der Berggebiete fördert auch die Bürgerbeteiligung junger Menschen.
NGOs wie WWF, Pro Natura, Alpenvereine oder Naturfreunde und Pädagogen – Lehrerinnen, Erzieher, Begleiterinnen, Bergführer etc. – engagieren sich schon seit langer Zeit für die Umweltbildung vor Ort. Seit etwa fünf Jahren organisieren sie sich zunehmend in Gruppen nicht nur in Frankreich, sondern grenzüberschreitend im gesamten Alpenraum und tauschen Praktiken und Instru­mente aus. Auch territoriale Strukturen wie Naturparks, lokale ­Gemeinschaften oder Vereine tun sich zusammen und orga­nisieren gemeinsam ­Aktivitäten, die jungen Menschen die Bergwelt nahe bringen ­sollen.
Auf internationaler Ebene gibt es im Herbst 2012 gleich drei Veranstaltungen mit Jugendbeteiligung: in der Schweiz die Alpen­woche unter Mitwirkung der CIPRA, in Frankreich die europäische Konferenz für die Berggebiete «Euromontana» und in Österreich ein Workshop für Umweltbildung in alpinen Schutzgebieten mit Alparc und REEMA. Im Rahmen dieser Veranstaltungen entwickeln Vertreter von Organisationen, Entscheidungsträger und Jugend­liche ­gemeinsam Strategien, wie die nächsten Generationen an der nachhaltigen Entwicklung in den Alpen beteiligt werden kann.
Es bieten sich also für alle Akteure zahlreiche Gelegenheiten, um über die Aufgaben der Umweltbildung nachzudenken. Vor allem aber kann zusammen mit der jungen Generation eine aktive Bürgerschaft für die Alpen entwickelt werden, die gemeinsame Werte pflegt und gleichzeitig die Vielfalt bewahrt.

Isabelle Roux, Direktorin REEMA

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Netzwerk für die alpine Umweltbildung
REEMA – französisch Réseau d’Education à l’Environnement­Montagnard Alpin – bringt Akteure der Umweltbildung im Alpenraum zusammen, zurzeit rund 500 aus verschiedenen Bereichen. Das Netzwerk unterstützt den Informations­austausch, begleitet einzelne Projekte und koordiniert gemeinsame Projekte durch und für die im Bereich Erziehung und Berge tätigen Akteure. Derzeit leitet REEMA pädago­gische Gruppen zu den Themen Skigebiete, Berg­hütten­, ­Klimawandel in den Alpen, alpine Schutzgebiete und Bergsport-­Aktivitäten.
www.reema.fr (fr)
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aus: Szene Alpen Nr. 97 (www.cipra.org/de/alpmedia/publikationen/5017)