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Die alpine Natur – ein Produkt der Geschichte
20.03.2008
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Jean-Paul Guérin
Dem Reisenden, dem Touristen, der aus den grossen Städten oder urbanisierten Gebieten kommt, erscheinen die Alpen wie einer der letzten Zufluchtsorte der Natur. Dieser Eindruck wird durch zahlreiche, im Namen der Natur gesetzlich «geschützte» Räume verstärkt, welche die Besonderheit der alpinen Natur hervorheben.
Es stimmt, dass die menschliche Besiedelung hier weniger dicht als anderswo ist, und dass die Natur eindrucksvoll in Erscheinung tritt. Hoch aufragende Gipfel, tiefe Täler, Winterschnee, Gletscher und Wälder beeindrucken mit ihrer bemerkenswerten Vielfalt denjenigen, der aus der Stadt kommt. Besser noch - innerhalb nur weniger Kilometern kann man von einer typischen mediterranen Landschaft zu Almen kommen, wo man subarktische Pflanzen und besondere Tiere wie Gämse und Murmeltiere antrifft. Einen Berg zu besteigen bedeutet also, von der zivilisierten Welt in eine in gewissem Sinne exotische Natur zu gelangen. Und genau mit dieser Haltung nahmen die ersten Gelehrten im 18. Jahrhundert das Gebirge in Angriff, um zu beobachten und um Pflanzen zu sammeln. Sie waren davon überzeugt, eine archaische, dem "Ursprung" noch sehr nahe Welt zu erkunden. Diese Idee einer unberührten Natur, die Zeugnis einer verschwundenen Welt ist, hat unsere Wahrnehmung der Alpen seither unaufhörlich geprägt.
Einflüsse des Menschen
Von Anfang an begleiteten jedoch Jäger und Sammler die Rückeroberung des vom Eis befreiten Bodens durch die Vegetation. Ihnen folgten in der Jungsteinzeit bald die ersten Hirten, die ihre Schafund Ziegenherden zu den Almwiesen trieben. Viele der Alpen wurden schon sehr früh genutzt und auch stark beweidet. Einige Botaniker sind sogar der Meinung, dass die Waldobergrenze in den französischen Südalpen heute deswegen so tief ist, weil bereits frühzeitig Kleinviehherden aufgetrieben wurden, welche die Entstehung von Wald verhinderten. Bis zum Mittelalter scheinen Rinder allerdings seltener gewesen zu sein als heute, da sie im Winter schwieriger zu ernähren waren und sich weniger schnell fortpflanzten. Zudem waren Rinder damals wesentlich kleiner und magerer als jene, die wir heute kennen.
Die Präsenz des Menschen wurde mit den technischen Fortschritten, welche die Bronze- und später die Eisengewinnung mit sich brachten, immer stärker. Der Bevölkerungsdruck, das Bedürfnis, sich zu ernähren, sich zu wärmen und zu wohnen, haben zu einer immer stärkeren Ausbeutung der Ressourcen des Alpenraums geführt. Der Mensch hat durch die Befriedigung seiner Bedürfnisse die alpine Natur unablässig beeinflusst.
Wälder etwa wurden seit jeher bewirtschaftet. Holz wurde zum Heizen, zum Kochen und zum Bauen genutzt, die Wälder auch beweidet. Holz wurde aber auch zum Bauen von Häusern und Schiffen in Gebiete ausserhalb der Alpen exportiert.
Einige Baumarten, wie die Fichte, wurden bevorzugt, zudem wurden Nadelbäume generell immer im erwachsenen Alter gefällt, ohne jemals alt werden zu können. Niederwälder wurden meist zum Heizen genutzt, da kleine und junge Bäume sich leichter mit der Axt fällen und mit Tieren aus dem Wald schaffen liessen. Derartige Bewirtschaftungspraktiken waren stark verbreitet. Die überbewirtschafteten bzw. unter dem Schutz von Verwaltungen "gepflegten" Wälder ähneln in keinster Weise dem, wie ein natürlicher Wald aussähe. Die Alpenwälder in ihrer heutigen Erscheinungsform sind also das Produkt einer langen Geschichte.
Parallel dazu hat der steigende Bevölkerungsdruck zu einem Zunahme des Akkerbaus geführt. Getreide ist seit der Jungsteinzeit die Nahrungsgrundlage der Alpenbevölkerung. Die besten Böden wurden für den Getreideanbau - etwa den Anbau von Dinkel, Weizen, Gerste und Roggen in Höhenlagen - genutzt. So konnte sich eine zahlreiche Bevölkerung dank kleiner, beharrlich bestellter Felder ernähren. Um 1850 verzeichneten viele Dörfer im Alpenbogen dank des Getreideanbaus und des kurz zuvor eingeführten Kartoffelanbaus ihre höchste Bevölkerungszahl. Danach kam es zu Abwanderungen aus dem Berggebiet, und Boden wurde frei. In der Folge nahm die Rinderhaltung zu, und Heuwiesen ersetzten die bestellten Felder.
Fotografien zeugen von der grossen landschaftlichen Veränderung seit den 1950er Jahren: Die von grünen Wiesen umgebenen Dörfer, welche für uns heute stets gleich zu bleiben scheinen, sind letztendlich sehr jung. Das Ende des Bevölkerungsdrucks, der Überfluss an Wiesen, manchmal sogar die vollkommene Aufgabe der Landwirtschaft und die Rückeroberung zahlreicher Hänge durch Wälder, führten dazu, dass sich bisher in den Alpen kaum vorhandenen Tiere wie etwa Hirsche, Rehe und Wildschweine ausbreiten konnten. Sie sind seither sehr zahlreich und ziehen ihre natürlichen Feinde wie Luchs und Wolf nach sich. Weitere grosse Veränderungen wie der Rückgang der Arbeitskräfte und die zunehmende Mechanisierung führten dazu, dass die steilsten Hänge nicht mehr bewirtschaftet werden. In den Piemonteser Alpen etwa ist die Bewirtschaftung der Terrassenhänge aufgegeben worden. Dieses Brachland weist allerdings eine grosse Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten auf. Die Biodiversität ist hier, zumindest vorübergehend, sehr gross.
Vermeintlich unberührte Natur
Generell werden bei der Wahrnehmung jener Landschaften, die als die natürlichsten der Alpen gelten, zwei Fehler gemacht.
Der erste Fehler ist die Annahme, dass die Menschen in einen unberührten Raum kamen, den sie besiedelten oder auch beschädigten. Von diesen Landschaften, so die Annahme, hätten wir nur mehr oder weniger vollständige Reste, so wie wenn man mehr oder weniger verfallenen Meisterwerken oder Denkmälern gegenüber steht, die der Erinnerung dienen. Tatsächlich aber kamen die Menschen mit der Flora und Fauna, die die aufgetauten Böden be- siedelten. Die Landschaft ist nicht nur natürlich, sondern auch ein Ergebnis menschlichen Handelns.
Der zweite Fehler besteht darin zu glauben, dass der Druck der Moderne ständig vorhanden ist und sich beschleunigt. In Wirklichkeit ist dieser Druck sehr ungleichmässig. Einige Gebiete sind stark urbanisiert - vor allem die niedrigen Täler - so dass urbanisierte Korridore entstehen, welche die Bergmassive trennen und bestimmte Tier- oder Pflanzenpopulationen isolieren. In anderen Gebieten nahmen im Verlauf weniger Jahrzehnte Anwesenheit und Einwirken des Menschen immer mehr ab. In diesen Gebieten, in denen die Land- und Forstwirtschaft aufgegebenen wurde, setzte eine neue Dynamik ein.
Aber die Alpen entwickeln sich nicht nur in Abhängigkeit von wirtschaftlichen Prozessen wie Industrialisierung, Urbanisierung und Rückzug der Landwirtschaft. Stärker als anderswo in Europa wiegt die Tatsache, dass die Alpen das sind, was man ein Objekt der Begierde nennen könnte. Wesentlich ist fraglos die touristische Begierde: Sehen und sich Aufhalten. Lange Zeit hat sich die Masse der Touristen, die in die Berge strömte - sei es aus sportlichen Gründen (Alpinismus), sei es aus klimatischen Gründen (Luftkuren, Sanatorien) - in den Ferienorten konzentriert, ihre Auswirkungen waren alpenweit recht schwach. Der Wintersport hingegen hat weitreichendere Konsequenzen. Der Wintertourismus ist massiv geworden, und seine Folgen sind wohl bekannt. Die Urbanisierung ist bis in die Höhenlage der Almen vorgedrungen, starke Umweltschäden sind zu verzeichnen. Motorsportarten sind besonders umweltschädlich, aber auch Sportarten wie Skifahren oder Schneeschuhwandern richten örtlich Schäden an. Flora und Fauna werden gestört und geschädigt.
Die Ästhetisierung von Landschaft
In den zuletzt genannten Fällen handelt es sich um offensichtliche Formen der Umweltveränderungen bzw. der Zerstörung von Lebensräumen. Die Manipulation der Natur kann aber auch subtiler erfolgen, etwa indem Lebensräume und Landschaften einem historisch aufgebauten Ideal entsprechend gestaltet werden. So gibt es in den verschiedenen Ländern des Alpenraums Landschaftspläne und Bauauflagen, die darauf abzielen, eine bestimmte Ästhetik zu bewahren, eine Ästhetik, die oft erst im 19. Jahrhundert durch Malerei und Fotografie festgelegt wurde.
Die Massnahmen zur ästhetischen Bewahrung können von Interesse sein, wenn sie klar auf einer guten Kenntnis der Entwicklungen der "Kulturlandschaften " begründet sind. Sie sind hingegen sehr fragwürdig, wenn sie versuchen, ein imaginäres Gebirge zu reproduzieren. Dann kommt es zu einer "Disneylandisierung " der Alpen, die darin besteht, als typisch und kommerziell rentabel geltende Elemente auszuwählen und zu kopieren.
Auf dieselbe Weise kann man sich Fragen zu den Naturlandschaften in ihrer Beziehung zu den politischen Massnahmen zum Schutz von Flora, Fauna und Habitat stellen. In den Alpen wurden vor allem im Hochgebirge dort Schutzgebiete ausgewiesen, wo einmalige Pflanzen und Tiere leben. Die Schutzpolitik besteht oft darin, ein Gleichgewicht und eine Selbstregulierung der Arten zu postulieren. Gleichgewicht und Selbstregulierung existieren aber nicht immer - einige Arten können überhand nehmen, andere können sich neu ansiedeln, weitere wiederum sich zurückziehen.
Auch "Managementpraktiken" wie die Jagd oder landwirtschaftliche Tätigkeiten, wie sie in bestimmten Schutzgebieten betrieben werden, erinnern uns an unser Ideal einer alpinen Natur… Wenig beachtet werden hingegen das Mittelgebirge und vor allem die grossen Alpentäler, die heute so gut wie vollkommen urbanisiert sind.
In Europa haben die Alpen seit dem 18. Jahrhundert den Status einer fremden und bewunderungswürdigen Region, in der die Natur stärker präsent und authentischer als anderswo zu sein scheint. Dennoch ist der Mensch seit dem Rückzug der Gletscher ein ständiger Einflussfaktor. Auch das heutige Interesse an den Alpen, in dem der Tourismus eine grundlegende Rolle spielt, beeinflusst die Entwicklung der alpinen Natur.
Einflüsse des Menschen
Von Anfang an begleiteten jedoch Jäger und Sammler die Rückeroberung des vom Eis befreiten Bodens durch die Vegetation. Ihnen folgten in der Jungsteinzeit bald die ersten Hirten, die ihre Schafund Ziegenherden zu den Almwiesen trieben. Viele der Alpen wurden schon sehr früh genutzt und auch stark beweidet. Einige Botaniker sind sogar der Meinung, dass die Waldobergrenze in den französischen Südalpen heute deswegen so tief ist, weil bereits frühzeitig Kleinviehherden aufgetrieben wurden, welche die Entstehung von Wald verhinderten. Bis zum Mittelalter scheinen Rinder allerdings seltener gewesen zu sein als heute, da sie im Winter schwieriger zu ernähren waren und sich weniger schnell fortpflanzten. Zudem waren Rinder damals wesentlich kleiner und magerer als jene, die wir heute kennen.
Die Präsenz des Menschen wurde mit den technischen Fortschritten, welche die Bronze- und später die Eisengewinnung mit sich brachten, immer stärker. Der Bevölkerungsdruck, das Bedürfnis, sich zu ernähren, sich zu wärmen und zu wohnen, haben zu einer immer stärkeren Ausbeutung der Ressourcen des Alpenraums geführt. Der Mensch hat durch die Befriedigung seiner Bedürfnisse die alpine Natur unablässig beeinflusst.
Wälder etwa wurden seit jeher bewirtschaftet. Holz wurde zum Heizen, zum Kochen und zum Bauen genutzt, die Wälder auch beweidet. Holz wurde aber auch zum Bauen von Häusern und Schiffen in Gebiete ausserhalb der Alpen exportiert.
Einige Baumarten, wie die Fichte, wurden bevorzugt, zudem wurden Nadelbäume generell immer im erwachsenen Alter gefällt, ohne jemals alt werden zu können. Niederwälder wurden meist zum Heizen genutzt, da kleine und junge Bäume sich leichter mit der Axt fällen und mit Tieren aus dem Wald schaffen liessen. Derartige Bewirtschaftungspraktiken waren stark verbreitet. Die überbewirtschafteten bzw. unter dem Schutz von Verwaltungen "gepflegten" Wälder ähneln in keinster Weise dem, wie ein natürlicher Wald aussähe. Die Alpenwälder in ihrer heutigen Erscheinungsform sind also das Produkt einer langen Geschichte.
Parallel dazu hat der steigende Bevölkerungsdruck zu einem Zunahme des Akkerbaus geführt. Getreide ist seit der Jungsteinzeit die Nahrungsgrundlage der Alpenbevölkerung. Die besten Böden wurden für den Getreideanbau - etwa den Anbau von Dinkel, Weizen, Gerste und Roggen in Höhenlagen - genutzt. So konnte sich eine zahlreiche Bevölkerung dank kleiner, beharrlich bestellter Felder ernähren. Um 1850 verzeichneten viele Dörfer im Alpenbogen dank des Getreideanbaus und des kurz zuvor eingeführten Kartoffelanbaus ihre höchste Bevölkerungszahl. Danach kam es zu Abwanderungen aus dem Berggebiet, und Boden wurde frei. In der Folge nahm die Rinderhaltung zu, und Heuwiesen ersetzten die bestellten Felder.
Fotografien zeugen von der grossen landschaftlichen Veränderung seit den 1950er Jahren: Die von grünen Wiesen umgebenen Dörfer, welche für uns heute stets gleich zu bleiben scheinen, sind letztendlich sehr jung. Das Ende des Bevölkerungsdrucks, der Überfluss an Wiesen, manchmal sogar die vollkommene Aufgabe der Landwirtschaft und die Rückeroberung zahlreicher Hänge durch Wälder, führten dazu, dass sich bisher in den Alpen kaum vorhandenen Tiere wie etwa Hirsche, Rehe und Wildschweine ausbreiten konnten. Sie sind seither sehr zahlreich und ziehen ihre natürlichen Feinde wie Luchs und Wolf nach sich. Weitere grosse Veränderungen wie der Rückgang der Arbeitskräfte und die zunehmende Mechanisierung führten dazu, dass die steilsten Hänge nicht mehr bewirtschaftet werden. In den Piemonteser Alpen etwa ist die Bewirtschaftung der Terrassenhänge aufgegeben worden. Dieses Brachland weist allerdings eine grosse Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten auf. Die Biodiversität ist hier, zumindest vorübergehend, sehr gross.
Vermeintlich unberührte Natur
Generell werden bei der Wahrnehmung jener Landschaften, die als die natürlichsten der Alpen gelten, zwei Fehler gemacht.
Der erste Fehler ist die Annahme, dass die Menschen in einen unberührten Raum kamen, den sie besiedelten oder auch beschädigten. Von diesen Landschaften, so die Annahme, hätten wir nur mehr oder weniger vollständige Reste, so wie wenn man mehr oder weniger verfallenen Meisterwerken oder Denkmälern gegenüber steht, die der Erinnerung dienen. Tatsächlich aber kamen die Menschen mit der Flora und Fauna, die die aufgetauten Böden be- siedelten. Die Landschaft ist nicht nur natürlich, sondern auch ein Ergebnis menschlichen Handelns.
Der zweite Fehler besteht darin zu glauben, dass der Druck der Moderne ständig vorhanden ist und sich beschleunigt. In Wirklichkeit ist dieser Druck sehr ungleichmässig. Einige Gebiete sind stark urbanisiert - vor allem die niedrigen Täler - so dass urbanisierte Korridore entstehen, welche die Bergmassive trennen und bestimmte Tier- oder Pflanzenpopulationen isolieren. In anderen Gebieten nahmen im Verlauf weniger Jahrzehnte Anwesenheit und Einwirken des Menschen immer mehr ab. In diesen Gebieten, in denen die Land- und Forstwirtschaft aufgegebenen wurde, setzte eine neue Dynamik ein.
Aber die Alpen entwickeln sich nicht nur in Abhängigkeit von wirtschaftlichen Prozessen wie Industrialisierung, Urbanisierung und Rückzug der Landwirtschaft. Stärker als anderswo in Europa wiegt die Tatsache, dass die Alpen das sind, was man ein Objekt der Begierde nennen könnte. Wesentlich ist fraglos die touristische Begierde: Sehen und sich Aufhalten. Lange Zeit hat sich die Masse der Touristen, die in die Berge strömte - sei es aus sportlichen Gründen (Alpinismus), sei es aus klimatischen Gründen (Luftkuren, Sanatorien) - in den Ferienorten konzentriert, ihre Auswirkungen waren alpenweit recht schwach. Der Wintersport hingegen hat weitreichendere Konsequenzen. Der Wintertourismus ist massiv geworden, und seine Folgen sind wohl bekannt. Die Urbanisierung ist bis in die Höhenlage der Almen vorgedrungen, starke Umweltschäden sind zu verzeichnen. Motorsportarten sind besonders umweltschädlich, aber auch Sportarten wie Skifahren oder Schneeschuhwandern richten örtlich Schäden an. Flora und Fauna werden gestört und geschädigt.
Die Ästhetisierung von Landschaft
In den zuletzt genannten Fällen handelt es sich um offensichtliche Formen der Umweltveränderungen bzw. der Zerstörung von Lebensräumen. Die Manipulation der Natur kann aber auch subtiler erfolgen, etwa indem Lebensräume und Landschaften einem historisch aufgebauten Ideal entsprechend gestaltet werden. So gibt es in den verschiedenen Ländern des Alpenraums Landschaftspläne und Bauauflagen, die darauf abzielen, eine bestimmte Ästhetik zu bewahren, eine Ästhetik, die oft erst im 19. Jahrhundert durch Malerei und Fotografie festgelegt wurde.
Die Massnahmen zur ästhetischen Bewahrung können von Interesse sein, wenn sie klar auf einer guten Kenntnis der Entwicklungen der "Kulturlandschaften " begründet sind. Sie sind hingegen sehr fragwürdig, wenn sie versuchen, ein imaginäres Gebirge zu reproduzieren. Dann kommt es zu einer "Disneylandisierung " der Alpen, die darin besteht, als typisch und kommerziell rentabel geltende Elemente auszuwählen und zu kopieren.
Auf dieselbe Weise kann man sich Fragen zu den Naturlandschaften in ihrer Beziehung zu den politischen Massnahmen zum Schutz von Flora, Fauna und Habitat stellen. In den Alpen wurden vor allem im Hochgebirge dort Schutzgebiete ausgewiesen, wo einmalige Pflanzen und Tiere leben. Die Schutzpolitik besteht oft darin, ein Gleichgewicht und eine Selbstregulierung der Arten zu postulieren. Gleichgewicht und Selbstregulierung existieren aber nicht immer - einige Arten können überhand nehmen, andere können sich neu ansiedeln, weitere wiederum sich zurückziehen.
Auch "Managementpraktiken" wie die Jagd oder landwirtschaftliche Tätigkeiten, wie sie in bestimmten Schutzgebieten betrieben werden, erinnern uns an unser Ideal einer alpinen Natur… Wenig beachtet werden hingegen das Mittelgebirge und vor allem die grossen Alpentäler, die heute so gut wie vollkommen urbanisiert sind.
In Europa haben die Alpen seit dem 18. Jahrhundert den Status einer fremden und bewunderungswürdigen Region, in der die Natur stärker präsent und authentischer als anderswo zu sein scheint. Dennoch ist der Mensch seit dem Rückzug der Gletscher ein ständiger Einflussfaktor. Auch das heutige Interesse an den Alpen, in dem der Tourismus eine grundlegende Rolle spielt, beeinflusst die Entwicklung der alpinen Natur.