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Wasser, Fluch und Segen
31.03.2003
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CIPRA Internationale Alpenschutzkommission
Der Begriff "Wasser" löst in uns zunächst sicher positive Gefühle aus, denn Wasser ist unersetzliche Grundlage für einen gesunden Naturhaushalt und wichtigstes Lebensmittel. Gleichzeitig kann Wasser unermessliches Leid ebenso wie Bedrohung, Furcht und Schrecken bedeuten, wenn wir an Dürre, Wassermangel, verseuchte Brunnen, Überschwemmungen und Muren denken. Wasser ist Leben und Wasser ist auch Tod. Seit jeher vereint das Element Wasser dieses konträre Potenzial in sich: Wasser, Fluch und Segen.
"Wasser, du hast weder Geschmack noch Farbe, noch Aroma. Man kann dich nicht beschreiben. Man schmeckt dich, ohne dich zu kennen. Es ist nicht so, dass man dich zum Leben braucht: Du selber bist das Leben."
(Antoine de Saint-Exupéry, Wind, Sand und Sterne, Der Durst)
Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2003 zum Internationalen Jahr des Wassers erklärt. Damit soll das Bewusstsein dafür geschärft werden, wie kostbar sauberes, frisches Wasser für das Leben auf dem "blauen Planeten" ist. Mehr als die Hälfte der Menschheit ist auf Wasser aus den Bergen angewiesen. Berge sind "Wasserschlösser" und symbolisieren Leben und Fruchtbarkeit. Gebirge spielen im globalen Kreislauf des Wassers eine zentrale Rolle. Das internationale Jahr des Süss- und Trinkwassers ergänzt das vergangene Jahr der Berge somit in idealer Weise. Hier wie dort geht es um grundsätzliche Aspekte der Nachhaltigkeit.
71 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. 97 Prozent dieser Wassermassen bestehen aus Salzwasser. Von den restlichen drei Prozent ist der Grossteil unerreichbar in polaren Eiskappen, tiefen Gesteinsschichten, Gletschern und Wolken gebunden. Nicht einmal ein halbes Prozent steht als trinkbares Süsswasser zur Verfügung und dieses ist sehr unterschiedlich über den Erdball verteilt. Wie überall, wo wertvolle Güter ungleich verteilt sind, gibt es auch beim Trinkwasser grosse Versorgungsprobleme und eine Kluft zwischen Arm und Reich.
Nur wenn jeder einzelne Mensch gleichberechtigten Zugang zu sauberem Wasser hat, besteht auch für arme Länder die Möglichkeit, sich nachhaltig zu entwickeln. Dies wird indessen nur dann möglich sein, wenn Wasser ein allgemeines öffentliches Gut in der Obhut der Benutzenden bleibt. Keinesfalls darf Trinkwasser privatisiert und zum Spielball von Profitinteressen werden, denn der Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht. Dennoch streiten sich multinationale Konzerne, die sich als "OPEC des Wassers" verstehen, schon heute darum, das kostbare und knappe Gut zu vermarkten.
"Durch Umweltverschmutzung und steigenden Bedarf sind die natürlichen Wasservorräte auch dort bedroht, wo sie ausreichend oder im Überschuss zur Verfügung stehen", mahnte UNO-Generalsekretär Kofi Annan anlässlich des Welt-Wassertags im März vergangenen Jahres. Die UNO sagt voraus, dass im Jahr 2025 zwei von drei Menschen an akutem Wassermangel leiden werden. Afrika, Asien, der Nahe und Mittlere Osten werden davon am schlimmsten betroffen sein.
Süsswasser-Vorräte sind unersetzbare und höchst gefährdete Güter. Bereits heute bestehen heftige Auseinandersetzungen um Wasserreserven. Die UNO gibt denn auch zu bedenken, dass Wasserknappheit den Keim für gewalttätige Konflikte in sich trägt. Statt kriegerischer Auseinandersetzungen um Trinkwasser ist in Zukunft eine weltweite Kooperation unter der Führung der UNO dringend nötig. Kofi Annan hofft denn auch, dass Wasserprobleme nicht zwangsläufig zu Spannungen führen, sondern als "Katalysator für Zusammenarbeit" wirken.
Für Europa haben die Alpen eine zentrale Versorgungsfunktion. Hier entspringen bedeutende Flüsse wie Rhein, Rhône und Po sowie zahlreiche wichtige Nebenflüsse der Donau. Ohne diese gewaltigen Zuflüsse wäre die Wasserversorgung von grossen Teilen Europas undenkbar. Beispielsweise sind allein über die Trinkwasser-Versorgung des Bodensees rund fünf Millionen Menschen abhängig von Wasser aus den Alpen.
Aber auch in den Alpen führen Konzentrationsphänomene wie Tourismus, Intensiv-Landwirtschaft und Verstädterung dazu, dass lokale Ressourcen übernutzt und verunreinigt werden. Landwirtschaft, Industrie und Verkehr verschmutzen die Gewässer zunehmend. Dies belastet die Böden, welche weitaus die grösste Wasserreserve darstellen. Grund- und Quellwasser liefern beispielsweise in der Schweiz 80 Prozent und in Österreich gar 99 Prozent des Trinkwassers.
Überschwemmungen, Erdrutsche und Lawinen führten uns in jüngster Vergangenheit erneut vor Augen, dass die Natur in den Alpen die Grenzen der Belastbarkeit erreicht hat. Um die Alpen zu schützen und eine umweltgerechte Entwicklung zu gewährleisten, braucht es heute grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wie sie in der Alpenkonvention vorgesehen ist.
Der Wasserverbrauch stieg im 20. Jahrhundert doppelt so stark wie die Weltbevölkerung. Allein in den letzten 50 Jahren hat er um das Vierfache zugenommen. 70 Prozent des Süsswasser-Verbrauchs entfallen auf die Intensiv-Landwirtschaft, 20 Prozent auf die Industrie und nur 10 Prozent auf die private Nutzung (Verteilung in Europa: Landwirtschaft 26, Industrie 53 und Haushalte 19 Prozent). Bevölkerungsexplosion und Verschwendung von Wasser liessen die sauberen Wasservorräte dramatisch schrumpfen. Anders als Erdöl, Gas oder Uran sind Wasser und Luft die einzigen Ressourcen, die durch nichts ersetzt werden können.
Nach Schätzungen der UNO wird die Weltbevölkerung im Jahr 2050 etwa neun Milliarden Menschen umfassen. Sie hätte sich damit in einem Zeitraum von 150 Jahren fast versechsfacht.
Die Welt-Gesundheits-Organisation WHO stellt fest, dass fast die Hälfte der Weltbevölkerung schon heute unter Wassermangel leidet und dass Wasserknappheit in den nächsten 25 Jahren die grösste Bedrohung für die Lebensmittel-Produktion darstellen wird. Wasser könnte bald wertvoller sein als Gold.
Schon heute hat mindestens jeder fünfte Mensch auf der Erde (insgesamt ungefähr 1.2 bis 1.5 Milliarden) keinen direkten Zugang zu sauberem Trinkwasser und jeder dritte Mensch (etwa zwei Milliarden) kennt keine sanitären Einrichtungen und Abwasserreinigungs-Systeme.
Berichte der Welt-Gesundheits-Organisation WHO orten die Ursachen von 80 Prozent aller Krankheiten in der Dritten Welt in verschmutztem Wasser und mangelhafter Abwasser-Entsorgung. Durch unsauberes und verseuchtes Wasser sterben jedes Jahr zehnmal so viele Menschen wie durch Kriege, nämlich mehr als fünf Millionen Menschen, davon gut zwei Millionen Kinder (etwa 6'000 Kinder pro Tag).
Rund die Hälfte der Menschheit lebt in Ländern, die Fluss- und Seensysteme mit ihren Nachbarn teilen müssen. Mehr als 200 wichtige Ströme fliessen durch zwei oder mehrere Staaten. Nur selten sind Zuordnung und Verteilung internationaler Gewässer präzis geregelt. Akutes Konfliktpotenzial besteht heute zum Beispiel in den Einzugsgebieten der Flüsse Nil, Jordan, Euphrat und Tigris (Türkei, Israel, Palästina, Jordanien, Ägypten, Sudan, Äthiopien, Syrien, Irak).
Eine einzige Toilettenspülung in den Industrieländern verbraucht so viel Wasser, wie eine Person in einem Entwicklungsland - wenn überhaupt - pro Tag für Trinken, Kochen und Waschen zur Verfügung hat.
"Auch in der Wüste gibt es Flüsse. Alte Flüsse. Ihre Spuren sind tief in ihren Leib gegraben, wie die Falten von Schmerz und Weisheit ins Gesicht der Alten." (Ibrahim al-Koni, Die Magier)
Quelle: CIPRA Info 68, www.cipra.org/de/alpmedia/publikationen/295
(Antoine de Saint-Exupéry, Wind, Sand und Sterne, Der Durst)
Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2003 zum Internationalen Jahr des Wassers erklärt. Damit soll das Bewusstsein dafür geschärft werden, wie kostbar sauberes, frisches Wasser für das Leben auf dem "blauen Planeten" ist. Mehr als die Hälfte der Menschheit ist auf Wasser aus den Bergen angewiesen. Berge sind "Wasserschlösser" und symbolisieren Leben und Fruchtbarkeit. Gebirge spielen im globalen Kreislauf des Wassers eine zentrale Rolle. Das internationale Jahr des Süss- und Trinkwassers ergänzt das vergangene Jahr der Berge somit in idealer Weise. Hier wie dort geht es um grundsätzliche Aspekte der Nachhaltigkeit.
71 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. 97 Prozent dieser Wassermassen bestehen aus Salzwasser. Von den restlichen drei Prozent ist der Grossteil unerreichbar in polaren Eiskappen, tiefen Gesteinsschichten, Gletschern und Wolken gebunden. Nicht einmal ein halbes Prozent steht als trinkbares Süsswasser zur Verfügung und dieses ist sehr unterschiedlich über den Erdball verteilt. Wie überall, wo wertvolle Güter ungleich verteilt sind, gibt es auch beim Trinkwasser grosse Versorgungsprobleme und eine Kluft zwischen Arm und Reich.
Nur wenn jeder einzelne Mensch gleichberechtigten Zugang zu sauberem Wasser hat, besteht auch für arme Länder die Möglichkeit, sich nachhaltig zu entwickeln. Dies wird indessen nur dann möglich sein, wenn Wasser ein allgemeines öffentliches Gut in der Obhut der Benutzenden bleibt. Keinesfalls darf Trinkwasser privatisiert und zum Spielball von Profitinteressen werden, denn der Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht. Dennoch streiten sich multinationale Konzerne, die sich als "OPEC des Wassers" verstehen, schon heute darum, das kostbare und knappe Gut zu vermarkten.
"Durch Umweltverschmutzung und steigenden Bedarf sind die natürlichen Wasservorräte auch dort bedroht, wo sie ausreichend oder im Überschuss zur Verfügung stehen", mahnte UNO-Generalsekretär Kofi Annan anlässlich des Welt-Wassertags im März vergangenen Jahres. Die UNO sagt voraus, dass im Jahr 2025 zwei von drei Menschen an akutem Wassermangel leiden werden. Afrika, Asien, der Nahe und Mittlere Osten werden davon am schlimmsten betroffen sein.
Süsswasser-Vorräte sind unersetzbare und höchst gefährdete Güter. Bereits heute bestehen heftige Auseinandersetzungen um Wasserreserven. Die UNO gibt denn auch zu bedenken, dass Wasserknappheit den Keim für gewalttätige Konflikte in sich trägt. Statt kriegerischer Auseinandersetzungen um Trinkwasser ist in Zukunft eine weltweite Kooperation unter der Führung der UNO dringend nötig. Kofi Annan hofft denn auch, dass Wasserprobleme nicht zwangsläufig zu Spannungen führen, sondern als "Katalysator für Zusammenarbeit" wirken.
Für Europa haben die Alpen eine zentrale Versorgungsfunktion. Hier entspringen bedeutende Flüsse wie Rhein, Rhône und Po sowie zahlreiche wichtige Nebenflüsse der Donau. Ohne diese gewaltigen Zuflüsse wäre die Wasserversorgung von grossen Teilen Europas undenkbar. Beispielsweise sind allein über die Trinkwasser-Versorgung des Bodensees rund fünf Millionen Menschen abhängig von Wasser aus den Alpen.
Aber auch in den Alpen führen Konzentrationsphänomene wie Tourismus, Intensiv-Landwirtschaft und Verstädterung dazu, dass lokale Ressourcen übernutzt und verunreinigt werden. Landwirtschaft, Industrie und Verkehr verschmutzen die Gewässer zunehmend. Dies belastet die Böden, welche weitaus die grösste Wasserreserve darstellen. Grund- und Quellwasser liefern beispielsweise in der Schweiz 80 Prozent und in Österreich gar 99 Prozent des Trinkwassers.
Überschwemmungen, Erdrutsche und Lawinen führten uns in jüngster Vergangenheit erneut vor Augen, dass die Natur in den Alpen die Grenzen der Belastbarkeit erreicht hat. Um die Alpen zu schützen und eine umweltgerechte Entwicklung zu gewährleisten, braucht es heute grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wie sie in der Alpenkonvention vorgesehen ist.
Der Wasserverbrauch stieg im 20. Jahrhundert doppelt so stark wie die Weltbevölkerung. Allein in den letzten 50 Jahren hat er um das Vierfache zugenommen. 70 Prozent des Süsswasser-Verbrauchs entfallen auf die Intensiv-Landwirtschaft, 20 Prozent auf die Industrie und nur 10 Prozent auf die private Nutzung (Verteilung in Europa: Landwirtschaft 26, Industrie 53 und Haushalte 19 Prozent). Bevölkerungsexplosion und Verschwendung von Wasser liessen die sauberen Wasservorräte dramatisch schrumpfen. Anders als Erdöl, Gas oder Uran sind Wasser und Luft die einzigen Ressourcen, die durch nichts ersetzt werden können.
Nach Schätzungen der UNO wird die Weltbevölkerung im Jahr 2050 etwa neun Milliarden Menschen umfassen. Sie hätte sich damit in einem Zeitraum von 150 Jahren fast versechsfacht.
Die Welt-Gesundheits-Organisation WHO stellt fest, dass fast die Hälfte der Weltbevölkerung schon heute unter Wassermangel leidet und dass Wasserknappheit in den nächsten 25 Jahren die grösste Bedrohung für die Lebensmittel-Produktion darstellen wird. Wasser könnte bald wertvoller sein als Gold.
Schon heute hat mindestens jeder fünfte Mensch auf der Erde (insgesamt ungefähr 1.2 bis 1.5 Milliarden) keinen direkten Zugang zu sauberem Trinkwasser und jeder dritte Mensch (etwa zwei Milliarden) kennt keine sanitären Einrichtungen und Abwasserreinigungs-Systeme.
Berichte der Welt-Gesundheits-Organisation WHO orten die Ursachen von 80 Prozent aller Krankheiten in der Dritten Welt in verschmutztem Wasser und mangelhafter Abwasser-Entsorgung. Durch unsauberes und verseuchtes Wasser sterben jedes Jahr zehnmal so viele Menschen wie durch Kriege, nämlich mehr als fünf Millionen Menschen, davon gut zwei Millionen Kinder (etwa 6'000 Kinder pro Tag).
Rund die Hälfte der Menschheit lebt in Ländern, die Fluss- und Seensysteme mit ihren Nachbarn teilen müssen. Mehr als 200 wichtige Ströme fliessen durch zwei oder mehrere Staaten. Nur selten sind Zuordnung und Verteilung internationaler Gewässer präzis geregelt. Akutes Konfliktpotenzial besteht heute zum Beispiel in den Einzugsgebieten der Flüsse Nil, Jordan, Euphrat und Tigris (Türkei, Israel, Palästina, Jordanien, Ägypten, Sudan, Äthiopien, Syrien, Irak).
Eine einzige Toilettenspülung in den Industrieländern verbraucht so viel Wasser, wie eine Person in einem Entwicklungsland - wenn überhaupt - pro Tag für Trinken, Kochen und Waschen zur Verfügung hat.
"Auch in der Wüste gibt es Flüsse. Alte Flüsse. Ihre Spuren sind tief in ihren Leib gegraben, wie die Falten von Schmerz und Weisheit ins Gesicht der Alten." (Ibrahim al-Koni, Die Magier)
Quelle: CIPRA Info 68, www.cipra.org/de/alpmedia/publikationen/295