CIPRA Jahresfachtagung 1999
Jung sein – alt werden im Alpenraum Zukunftsperspektiven und Generationendialog
Jahresfachtagung der CIPRA vom 28.- 30.10.1999, Kloster Benediktbeuern/D
Stellen die Alpen als Lebensraum eine Zukunftsperspektive für die Jugend dieser europäischen Grossregion dar? Motiviert das sensible Ökosystem Alpen die ältere Bevölkerung zum Abwandern oder ist es attraktiver Alterssitz für die europäische Stadtbevölkerung? Welches ist die besondere Funktion der Alpen für Entwicklungsperspektiven in Europa?
Diese Fragen sollen im Rahmen der von CIPRA Deutschland organisierten Jahresfachtagung 1999 im Dialog mit BürgerInnen, Verbänden, SoziologInnen und KommunalpolitikerInnen aus real betroffenen Regionen diskutiert werden.
Die aktuelle Entwicklung im Alpenraum ist gekennzeichnet durch völlig unterschiedlich ablaufende Wanderungsströme. Starkes Bevölkerungswachstum durch Verstädterung und Tourismus vor allem in gut erreichbaren tiefen Tallagen steht starker Entvölkerung in Gebieten mit steilem Relief, grosser Höhenlage oder schlechter Erreichbarkeit gegenüber. Es gibt Regionen, in denen nur noch vereinzelt ältere oder gar keine Menschen mehr leben, wie insbesondere im südwest-alpinen Bereich. Andere Regionen in den Nord- und Ostalpen dagegen lösen eine hohe Faszination als Ruhe- und Alterssitz aus und verursachen damit nicht unproblematische Bevölkerungswanderungen. Die so entstehenden räumlichen Disparitäten führen zu gravierenden ökologischen Problemen durch Über- und Unternutzung und verhindern eine nachhaltige Gesamtentwicklung der Alpen.
Nur wenn der Lebensraum Alpen seiner Bevölkerung – und hier insbesondere der jungen Generation – eine echte Lebensraum- und Arbeitsplatzperspektive geben wird, kann sich auch die kulturelle Virtualität auf der Basis einer wirtschaftlichen Prosperität entwickeln und damit eine nachhaltige Entwicklung im Alpenraum sichergestellt werden.
Nachdem in der Alpenkonvention Bevölkerung und Kultur in Artikel 2 der Rahmenkonvention angesprochen werden, sich dieser Themenbereich aber in der Diskussion bisher nicht dokumentieren konnte, möchte die CIPRA ein Signal setzen, um auch die soziale Komponente der Nachhaltigkeit in das öffentliche Bewusstsein zu heben und auf die Sensibilität des Lebensraumes Alpen aufmerksam zu machen. Erkannte Trends sozialer Instabilität sollen aufgezeigt und Lösungsmöglichkeiten zur Erhaltung und Förderung der kulturellen und gesellschaftlichen Eigenständigkeit der im Alpenraum ansässigen Bevölkerung und zur Sicherstellung ihrer Lebensgrundlagen erarbeitet werden. Anhand von Vorträgen und Podiumsdiskussionen unter Miteinbeziehung des Publikums sollen Perspektiven einer dauerhaft umweltgerechten Zukunftspolitik für die Alpen und für den Dialog zwischen den Generationen in den Alpen realisiert werden. Exkursionen bieten die Möglichkeit vor Ort einen Einblick in die Thematik zu gewinnen.
Die Ergebnisse der Tagung sollen die Grundlage für neue Impulse der Alpenkonvention liefern und als konkrete Vorschläge für die Erarbeitung eines Protokolls "Bevölkerung und Kultur" dienen.
Konferenzsprachen: deutsch - italienisch - französisch - slowenisch, Simultanübersetzung
Programm
Donnerstag, 28. Oktober
19.00 Uhr Eröffnung der Fachtagung "Jung sein - alt werden im Alpenraum. Zukunftsperspektiven und Generationendialog"
mit Grundsatzthesen zum Tagungsthema durch Andreas Weissen, Präsident der CIPRA International und den Bayerischen Staatsminister für Landesentwicklung und Umweltfragen Werner Schnappauf
Freitag, 29. Oktober
09.00 Uhr Einführungsreferat: "Die demografische Entwicklung im Alpenraum und sozioökonomische Perspektiven"
Referent: Prof. Dr. Gottfried Tappeiner, Universität Innsbruck/A
09.30 Uhr Themenblock: "Was machen die Jungen mit dem kulturlandschaftlichen Erbe der Alten?"
Kulturlandschaft schafft alpine Identität - Hofübernahme – geschlossene Höfe – neue Erwerbsalternativen zur Absicherung der landwirtschaftlichen Betriebe (Dienstleistungsberufe) – erfolgreiche Überlebensstrategien auf globalisierten Märkten
Impuls-Statement: Dr. Josef Heringer, Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege, Deutschland
Talk-Runde mit Leopold Schurti (Biobauer, FL), einem/einer VertreterIn des Projekts "Qualifizierungsmassnahme Gesundheitsferien am Bauernhof" (D), Hugo Penz (Institut f. Geographie, Universität Innsbruck/A), Bruno Zanon (Stadtplaner u. Raumplanungsexperte, Italien), Avgust Lenar (Logarska dolina/SI)
Moderator: Christian Schneider, Journalist, Süddeutsche Zeitung, Deutschland
11.15 Uhr Themenblock: Wie verbinden Alt und Jung die lokale Tradition mit dem (virtuellen) Global Village?
Brauchtum als Generationendialog - Dialekte als Ausdrucksform von Minderheitsbewegungen – Sprache im Generationenkonflikt – Tradition zwischen Ablehnung und Verklärung – Wie organisiert sich der Generationendialog, was bewirkt er? – Einfluss neuer Medien auf Kultur, Sprache und Bildung – Alltagskultur: Jugendkultur und Alterskultur
Impuls-Statement: Diego Anghilante, Lehrer für Philosphie, Schriftsteller, Journalist, Direktor der Zeitschrift "Ousitano vivo", Sampeyre/I
Talk-Runde mit Clau Solèr (Lia rumantscha, Chur/CH), Stefan Hirsch (Bezirksheimatpfleger des Bezirks Oberbayern/D), Carlo Neuhuber (Regionaldiakon und Obmann des Vereins Ökumenische Initiative 98+"/A), Janko Malle (Slowenisches Kulturinstitut, Klagenfurt/A), Wolftraud de Concini (Autorin des Buches "Nachbarn in den Alpen"/I), Christoph Lochner (Berchtesgadener Weihnachtsschützen/D)
Moderator: Michael Weberpals, Journalist, Redaktion Oberbayern/Bayerischer Rundfunk/D
14.15 Uhr Exkursionen
A: "Alpine Kulturlandschaft im Werdenfelser Land – eine Aufgabe der jungen Generation"
B: "Beispiele eines funktionierenden Generationendialogs"
C: "Passionsspiele Oberammergau – Event, Tradition oder Kulturereignis?"
18.00 Uhr Vorstellung der Umwelt-Bildungsstätte Kloster Benediktbeuern und Ausklang in der Klosterschänke
Samstag, 30. Oktober
09.00 Uhr Themenblock "Die Alpen – Zukunftsmodell für Europa!?"
Alpentäler als Standort der Hightech-Industrie – Alpenstädte als postindustrielle Dienstleistungs- und Hightech-Zentren – Neue Medien als Zukunftsarbeitspolitik im Alpenraum? – Wie sicher ist die Versorgungsinfrastruktur (Einkauf, Gesundheit, Bildung, ÖV)? – Welche Rolle spielt der Tourismus bei der demografischen Entwicklung?
Impulsstatement: Christof Schremmer, Österreichisches Institut für Raumplanung, Wien/A
Talk-Runde mit Roland Gamma ("Meientals Aufschwung - deine Zukunft", Meien/CH), Hr. Schulte-Middelich (Geschäftsführer der Fraunhofer Management Gesellschaft München, Projekt Kompetenzzentrum für Gerontotechnologie, Bad Tölz/D), Carina Prantl (Geschäftsführerin des TeleZentrum Ötztal, Umhausen/A), Gebhard Bechter (Vizebürgermeister von Langenegg, Pilotgemeinde des Projekts "Lebenswert leben"/A), Franz Nahrada (Zentrum für Soziale Innovation / Municipa Österreich, Wien/A), Nanni Villani (Journalist und Berater des Parco Naturale delle Alpi Marittime, Cuneo/I)
Moderator: Günther Schimatzek, Journalist ORF Studio Tirol/A
10.45 Uhr Themenblock: "Was erwarten Alt und Jung vom Protokoll "Bevölkerung und Kultur" der Alpenkonvention?"
Impulsstatement: Prof. Dr. Gerlinde Haid, Volkskundlerin, Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien/A
Talk-Runde mit Christa Stewens (Staatssekretärin im Bayer. Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen/D), Andreas Weissen (Präsident CIPRA International/CH), Chasper Pult (Centro Culturale Svizzero, Milano/CH), Ester Angelini-Cason (Belluno/I), Gerhard Liebl (Amt der Tiroler Landesregierung/ARGE Alp Innsbruck/A) und Ana Barbic (Universität Ljubljana/SI).
Moderatorin: Jutta Berger, Journalistin "Der Standard", Österreich
12.00 Uhr Schluss-Statement
Dieter Popp, Präsident CIPRA Deutschland, zum Ergebnis der Tagung und Perspektive für ein neues Protokoll "Bevölkerung und Kultur" der Alpenkonvention.