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Wegekostenrichtlinie der EU

10.06.2020
CIPRA-Forderungen an die nationalen Verkehrs- und Umweltminister.
Bild Legende:
(c) italo losero_flickr

«Eurovignette Directive» fehlt der Alpenschutz

Auf EU-Ebene wird seit Jahren um den Transitverkehr und die Umweltbelastung durch die LKW gefeilscht, welche durch die Wegekostenrichtlinie geregelt wird. Diese EU-Verordnung – offiziell Eurovignette Directive - wurde bereits 1993 eingeführt und regelt die freiwillige Erhebung von Gebühren (Mauten) für Nutzfahrzeuge auf den Autobahnen. Der Zweck ist gut: Die LKW sollen einen Teil der Infrastrukturkosten tragen. Nur reicht das nicht. Nun soll endlich die Regelung verstärkt und verbindlich werden. Die CIPRA schaltet sich in die aktuelle Debatte ein, zugunsten von Mensch und Umwelt an den Transitrouten.

LKW fahren zu billig

Bereits bei der ersten Überarbeitung der Eurovignette Directive 1999 wurde der prominente Ruf[1] nach zusätzlichem Einbezug der Umweltkosten laut, die Abgeltung jener Schäden, die der Schwerverkehr an Mensch und Umwelt verursacht. Leider vergeblich. Bis heute sind diese externen Kosten nicht einbezogen, trotz einer weiteren Überarbeitung der Verordnung 2006. Die Kostenwahrheit im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern (wie z.B. der Bahn) ist somit nicht gegeben, die LKW fahren seit Jahren zu billig. Ein wichtiger Streitpunkt ist auch die Limitierung der Gebühren auf Fahrzeuge über 12 Tonnen Gesamtgewicht. Das führte dazu, dass die Spediteure vermehrt kleinere LKW einsetzen und so die gesamte Umweltbelastung erhöhen.

EU-Parlament will Verbindlichkeit

Im Mai 2017 hat die EU-Kommission einen Überarbeitungsentwurf vorgelegt, der die externen Kosten einbezieht und die Gewichtslimite auf 3.5 Tonnen senkt. Das Europäische Parlament hat den Entwurf Mitte 2018 ergänzt. Er sieht heute den verpflichtenden Übergang zu Mautsystemen vor, die sich an den tatsächlich gefahrenen Kilometern orientieren. Die Höhe der Gebühr soll nach CO2-Emissionsklassen differenziert werden. Seither wartet man darauf, dass auch die Mitgliedstaaten Stellung beziehen. Anfang Dezember 2019 konnten sich die nationalen Verkehrsminister jedoch nicht einigen. Deutschland stemmt sich vor allem gegen eine Senkung der Gewichtslimiten. Italien und die Niederlande betrachten die Aufschläge für externe Kosten wie Luftverschmutzung und Lärm als zu hoch.

Die nächste Verhandlung findet Mitte Juni 2020 statt. Sollten sich die Verkehrsminister unter sich zusammenraufen, gilt es sich anschliessend mit dem Parlament und der Kommission auf einen gemeinsamen Text zu einigen.

CIPRA fordert überfälligen Alpenschutz im Transitverkehr ein

Um die Interessen von Mensch und Natur im Alpenraum ein- und den Alpenschutz an den Transitachsen voranzubringen, haben die CIPRA-Organisationen Ende April 2020 ihre generellen Forderungen zum Transitverkehr formuliert (Link dazu einfügen). Nun übermitteln sie auch ihre spezifischen Anliegen zur Verbesserung der Wegekostendirektive an die nationalen Umwelt-, Verkehrs- und Gesundheitsminister.

Die CIPRA als Dachverband der Umwelt-, Naturschutz- und Nachhaltigkeitsorganisationen im Alpenraum mit über 100 Mitgliedsorganisationen unterstützt grundsätzlich die Überarbeitung der Wegekostenrichtlinie, um das Strassenverkehrsaufkommen zu senken und das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Sie begrüssen auch, dass die gemeinsamen Regeln für Nutzfahrzeuge ab 3,5 t gelten sollten.

Die CIPRA weist allerdings auch daraufhin, dass die acht Vertragsstaaten der Alpenkonvention – darunter Deutschland und Italien - sich bereits vor über 20 Jahren zu den Grundlagen der Wegekostenrichtlinie bekannt haben. In der Präambel des Verkehrsprotokolls verpflichten sie sich explizit zur Verkehrsreduktion. Im ersten Artikel heisst es: „Die Vertragsparteien verpflichten sich, den Verkehrsbereich unter Wahrung des Vorsorge, Vermeidungs- und Verursacherprinzips zu entwickeln“. Und gemäss Artikel drei sollen „die Eigenwirtschaftlichkeit des Verkehrs erhöht und die externen Kosten internalisiert werden“. Was aktuell heiss diskutiert wird, ist für einige EU-Länder eigentlich längst Pflicht.

Drei Forderungen zur Verbesserung der Wegekostenrichtlinie stehen darum für die CIPRA im Vordergrund:

  1. Die Direktive muss als Berechnungsgrundlage sämtliche externen Kosten inkludieren.                                                        
  2. An der vorgesehenen Zulässigkeit verlagerungswirksamer Mautzuschläge in sensiblen Räumen wie den Alpen oder bevölkerungsreichen Regionen ist festzuhalten.
  3. Die Maut muss in Abhängigkeit von gefahrenen Kilometern erhoben werden.

Die weiteren Anliegen der CIPRA an die Verkehrsminister finden Sie im Abschnitt „Unsere Forderungen“ als PDF-Datei.

Schweizer Realität seit 20 Jahren

Wie wichtig eine auf die tatsächliche Fahrleistung bezogene LKW-Maut ist, zeigt sich im Alpenraum ausserhalb der EU. In der Schweiz und Liechtenstein ist seit 1985 die Benutzung der Autobahnen pauschal abgabepflichtig. Das änderte sich aufgrund eines bahnbrechenden Volksentscheids, der den Schutz der Alpen vor dem Transitverkehr (der sog. Alpeninitiative) im Jahr 1994 auf Verfassungsebene festschrieb. 1998 wurde auch das ausführende Gesetz dazu angenommen. An Stelle der pauschalen Abgabe wird darum seit 2001 eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) erhoben. Sie gilt für alle Nutzfahrzeuge über 3.5t auf allen Strassen und bezieht die Emissionsstufe sowie die gefahrenen Kilometer ein. Auch wenn die LSVA aktuell erst einen Drittel der externen Kosten deckt, trägt sie zur Verlagerung der Gütertransporte von der Strasse auf die Schiene bei. Die Zahl der alpenquerenden Lastwagenfahrten ging seit 2001 von rund 1.4 Millionen auf 941'000 (2018) um 33% zurück.

 

Quellen:

Zur Schwerverkehrsabgabe Schweiz:

https://de.wikipedia.org/wiki/Schwerverkehrsabgabe_(Schweiz)

Zum Diskussionsstand Eurovignette Directive (Deutsche Verkehrszeitung 3.12.19): www.dvz.de/rubriken/politik/detail/news/eu-verkehrsminister-weiter-uneinig-ueber-wegekostenrichtlinie.html

Zur Internalisierung der externen Kosten in der Schweiz (Oberstes Dokument, Grafik S. 12)

www.are.admin.ch/are/de/home/verkehr-und-infrastruktur/grundlagen-und-daten/kosten-und-nutzen-des-verkehrs.html



[1] Im Grünbuch „Faire und Effiziente Preise im Verkehr“ 1995, im Weißbuch „Preisgestaltung“ 1998 und auch im EU-Weißbuch 2001 zur „europäischen Verkehrspolitik bis 2010“

Weiterführende Informationen