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Die Geschichte in die Gegenwart holen

06.10.2015
Über Jahrhunderte hinweg waren Idrijas Frauen Klöpplerinnen. Seit gut einem Jahr verleiht der Student und Jungunternehmer Matevž Straus dem verstaubten Handwerk neues Leben.
Bild Legende:
(c) Matevž Straus

Aufmerksam studiert Matevž Straus das auf Papier gezeichnete Muster. Die hölzernen Spulen mit dem aufgewickelten Garn liegen leblos am Tischrand. Vorsichtig nimmt er die Klöppel in die Hand und setzt die erste Nadel. Männerhände bewegen Spulen in holprigem Rhythmus und versuchen, ein Muster zu klöppeln. Matevž Straus und sein Geschäftspartner Urban Šlabnik bei ihrer ersten Klöppel­lektion. «Wir waren superlangsam, weil wir beide versuchten, die Logik der Holzklöppel und Nadeln zu durchschauen», so Matevž Straus. Die Mädchen in der örtlichen Klöppelschule hingegen gingen intuitiv an die Sache heran und kamen viel schneller voran.
Seit 300 Jahren werden im slowenischen Idrija Klöppelspitzen in Hausarbeit hergestellt. Meist handelte es sich um Familienunternehmen. Die Männer zeichneten die Designs, die Frauen führten aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Produktion beinahe zum Erliegen, denn Klöppelspitze lässt sich nicht industriell erzeugen. Was früher in Idrija Teil des Alltags und der Lebensrealität war, existiert heute fast nur noch im Museum.
«Es kam uns nie in den Sinn, uns mit der Thematik zu beschäftigen», erklärt Matevž Straus, der dem Jugendverein «Idrija 2020» als Präsident vorsteht. «Vielleicht, weil es sich dabei um eine Frauendomaine handelt.» Eigentlich lag das Thema aber auf der Hand, denn «Idrija 2020» sieht sich selbst als Wiederentdecker und Entwickler. Die Jugendlichen wollen Potenziale der Stadt nutzen und diese neu denken. Eine Anfrage des örtlichen Klöppelfestivals ermutigte die Jugendgruppe das Thema aufzugreifen und so entstand 2014 eher zufällig ihr heute erfolgreichstes Projekt. Unter dem Namen «The Idrija Lace» interpretieren KünstlerInnen und DesignerInnen die traditionellen Spitze neu. «Funktional soll es sein und einen besonderen Wert haben», betont Matevž Straus. Die jungen Unternehmer wollen weg von den vergilbten Spitzendeckchen, die an Strassenecken zu Schleuderpreisen verkauft werden. Spitzen sollen im Zeitalter der Ikea-Ästhetik wieder Teil der Gebrauchskultur werden.
Die Erfahrung im Klöppelkurs blieb einmalig. Heute produzieren drei pensionierte Frauen Produkte wie Strumpfband, Shirts oder Traumfänger. Auch die kreativen Köpfe sind weiblich und werden wie die Handarbeiterinnen fair bezahlt. Dass sie ein Luxusprodukt zu saftigen Preisen verkaufen, zu dem nicht alle Zugang haben, nehmen Matevž und Urban in Kauf. Für die beiden Männer wirft das Unternehmen noch keinen Lohn ab. Im Gegenteil: Sie investieren Zeit und Geld.  
Wenn Matevž Straus und Urban Šlabnik auf internationale Messen fahren um ihre Produkte zu präsentieren, sind sie ein exotischer Ausreisser in der Menge der meist älteren Frauen. Die jungen Männer setzen dann ihre Reize ein, um geschäftlich erfolgreich zu sein.

Bettina Hug
CIPRA International

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GLOBAL DENKEN, LOKAL HANDELN

Matevž Straus, Jahrgang 1988, ist in Idrija/SI geboren. Obwohl ihn sein Studium und seine Neugierde immer wieder ins Ausland locken, bleibt er seiner Heimatstadt verbunden. Wie nirgendwo sonst hat in Idrija für ihn alles eine Bedeutung – jedes Haus, jede Strassenecke, jedes Gesicht. Im Verein «Idrija 2020» arbeitet er mit anderen jungen Menschen daran, dass ihre Vision eines kreativen und lebenswerten Idrija bis zum Jahr 2020
Wirklichkeit wird.

www.idrija2020.si/portfolio/the-idria-lace (sl)
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