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«Der Druck auf die Alpen war noch nie so gross»

20.06.2022 / Katarina Žakelj, CIPRA Slowenien
Marjeta Keršič-Svetel ist Expertin für strategische Kommunikation, Kennerin der alpinen Schutzgebiete, Journalistin und ehemalige Vizepräsidentin der CIPRA. Ein Interview über Pioniertaten, die Probleme der Alpen – und deren Zukunft.
Bild Legende:
Marjeta Keršič-Svetel (c) Samo Kham

Die CIPRA war vor 70 Jahren eine Pionierin ihrer Zeit. Wie würden Sie einen Pionier bzw. Pionierin definieren?
Ein Pionier ist jemand, der sich für das interessiert, was auf der anderen Seite des Berges liegt. Jemand, der sich nicht scheut ihn zu erklimmen, um auf die andere Seite zu sehen. Jemand, der seiner Vision folgt, auch wenn ihn die Leute um ihn herum für verrückt halten. Er weiss, dass er im Recht ist, riskiert seinen Untergang, glaubt aber bis zuletzt an seinen Erfolg.

In welchem Sinne würden Sie sich als Pionierin bezeichnen?
Im Alter von drei Jahren bin ich ohne meine Eltern in die umliegenden Berge losgezogen. Schon damals war klar, dass ich Ärger machen würde. Ob Fernsehsendungen, die Entwicklung des Tourismus in Schutzgebieten oder Ansätze für die Kommunikation mit verschiedenen Interessengruppen: Niemand nahm meine Ideen anfangs ernst. Ich würde mich als Pionierpflanze bezeichnen, die sich an einem Hang angesiedelt hat, an dem sich immer mehr Schutt ansammelt.

Worin sehen Sie die Stärken der CIPRA?
Die grosse Stärke dieses Netzwerks ist der Reichtum an Wissen und Erfahrung über die Alpen und das Leben in den Alpen – sowohl akademisches als auch Erfahrungswissen der Menschen vor Ort. Die Verbindung zwischen beiden ist wesentlich für die Planung sinnvoller Massnahmen für eine gute Lebensqualität. Die CIPRA vernetzt Wissenschaftler:innen, Expert:innen, lokale Gemeinschaften und Einzelpersonen mit unterschiedlichen Interessen und Hintergründen.

Welche Errungenschaften würden Sie als besonders wichtig hervorheben?
Auf internationaler Ebene sind sicherlich die Alpenkonvention und ihre Protokolle am wichtigsten. Und dann ist da natürlich noch die Vernetzung der verschiedenen Organisationen. Die Aktivitäten der einzelnen nationalen CIPRA-Organisationen sind jedoch sehr unterschiedlich. In einigen Ländern sind sie einflussreiche Partner im öffentlichen Diskurs, wenn es um die Alpen geht – aber nicht überall.

Was ist Ihrer Meinung nach das Hauptproblem, mit dem die Alpen heute konfrontiert sind?
Die Alpen waren schon immer in Schwierigkeiten, aber jetzt wird es noch schlimmer. Die Menschen hier waren früher sehr gut in dem, was man heute nachhaltige Ressourcennutzung nennt – aber diese Zeiten sind vorbei. Der Druck durch die Masse jener, die nicht in den Alpen leben und dort Einfluss ausüben, war noch nie so gross. Die Alpen und ihre wertvollen Ressourcen werden ausverkauft, junge Menschen ziehen weg, der Klimawandel wird immer offensichtlicher. Ohne kluge Entscheidungen wird sich dieser Schneeballeffekt immer weiter fortsetzen. Das wird nicht nur die Bevölkerung in den Alpen betreffen. Lokale Gemeinschaften können solche Herausforderungen nicht allein bewältigen. Wir müssen uns auf internationaler Ebene für eine nachhaltige Entwicklung der Alpen einsetzen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Alpen?
Ich möchte, dass die lokalen Gemeinschaften in den Alpen ihre Werte und ihre kulturelle Identität bewahren. Nicht nur, um das Erbe der Vergangenheit zu bewahren, sondern auch, um die Entwicklung auf ihre eigene Weise zu gestalten. Und dass die CIPRA in Slowenien die Unterstützung und das Gewicht erhält, das sie in anderen Alpenländern hat.

Interview: Katarina Žakelj, CIPRA Slowenien