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Standpunkt: Das Gebet des Wirtschaftsstandorts

31.10.2018 / alpMedia
Die Eckpfeiler der Rechtsstaatlichkeit drohen in Österreichs Standort-Diskussionen unterzugehen. Hart erkämpfte Umweltstandards und Klimaziele werden übergangen, warnt Reinhard Gschöpf, Geschäftsführer von CIPRA Österreich.
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Reinhard Gschöpf, Geschäftsführer von CIPRA Österreich © Martin Walser

In den neoliberal geprägten letzten Jahren wurde es zur letzten Instanz: das Argument des Wirtschaftsstandorts. Daneben verstummen die hohe Kunst der Politik, einen Interessenausgleich zu schaffen, und der Ruf nach einer nachhaltigen Entwicklung, die Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft austariert. Mit aller Macht wird unterstützt, was dem Standort, dieser «Ersatzgottheit» des 21. Jahrhunderts, nützt. Das Geschütz, das aufgefahren wird, macht Lärm und zeigt Wirkung.

Ob Verkehrs-, Energie- oder Tourismus-Vorhaben, ihr Sinn wird kaum mehr hinterfragt, und die Frage nach ihrem ökologischen Preis nicht mehr gestellt werden. Rechtsstaatliche Verfahren werden als hinderlich und unnütz dargestellt. Zugegeben, sie dauern manchmal jahrelang – allerdings zumeist wegen unfertig eingereichter Projekte. Aufgefahren werden soll mit: einem Standort-Entwicklungsgesetz, einem Staatsziel «Wirtschaftsstandort», einem Standort-Anwalt, einem Standort-Entwicklungsbeirat, einer Extrawichtig-Projektliste und automatischen Genehmigungen auch ohne Verfahrensabschluss. Sie sind grund- und europarechtswidrig, aber das kümmert die Verantwortlichen nicht: Bis dies ausjudiziert ist, sind längst Fakten geschaffen. Das ist die Logik der brisanten aktuellen Standort-Gesetzgebung von Österreichs Bundesregierung.

Weitere harte technische Eingriffe drohen, etwa wenn die Umweltministerin Elisabeth Köstinger «rasche Abhilfe» durch das neue Standort-Entwicklungs-Gesetz verspricht, damit ein seit Jahren blockiertes Tiroler Kraftwerksprojekt nahezu alle unberührten Gletscherbäche in einem Ruhegebiet nutzen kann. Und wenn in Bayern, Deutschland, der Alpenplan nach 40 Erfolgsjahren im Wahlkrampf ausgehebelt wird, oder wenn in der Schweiz eine Änderung des Natur- und Heimatschutzgesetzes diskutiert wird, um den nationalen Schutzstatus gewisser Landschaften und Naturräume umgehen zu können – dann droht der alpenweite Dammbruch.

Im sensiblen Alpenraum ist eine derart einseitige Agenda besonders fehl am Platz. Dieses Bewusstsein findet in der Alpenkonvention seinen Ausdruck. Wir brauchen keinen von Profitgier getriebenen Rückschritt in die Zeit davor, sondern wir brauchen: Mehr bewahrte Freiräume, mehr Partizipation, mehr Kultur des Miteinander, mehr Mut zum Weniger.