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Wo viel Wasser, da auch viel Strom

24.09.2013 / CIPRA Internationale Alpenschutzkommission
Die Alpenstaaten exportieren viel Wasserkraft. Die Gewinne gehen an die Stromkonzerne. Die Kosten zu Lasten der Allgemeinheit und der Natur.
Wo viel Wasser, da auch viel Strom
Bild Legende:
Stauseen wie der Griessee in der Schweiz bedeuten Eingriffe in die Natur. © Michel Revaz
Die Nutzung von Wasserkraft im Alpenraum nimmt weiter zu. Verantwortlich dafür sind der wachsende Energiehunger, gesetzliche Vorgaben zum Ausbau erneuerbarer Energien – Stichwort Europa 2020-Strategie –, grosszügige Ökostromförderungen und nicht zuletzt optimale naturräumliche Gegebenheiten.
Insgesamt gibt es laut dem zweiten Bericht über den Zustand der Alpen aus dem Jahr 2009 über 5’000 Wasserkraftwerksanlagen, die zusammen 84’429 Gigawattstunden Strom produzieren. Nur zehn Prozent dieser Anlagen gelten als grosse Kraftwerke. Diese 554 Anlagen produzieren aber 86 Prozent der gesamten Leistung. Daneben gibt es Tausende Kleinwasserkraftwerke mit einer Kapazität von weniger als zehn Megawatt. Und der Ausbautrend im Bereich der Kleinwasserkraft hält an: Für den österreichischen Alpenraum sind innerhalb eines Jahres 152 Kleinwasserkraftwerke mit einer installierten Leistung von insgesamt 200 Megawatt in Planung. Weitere 41 Kleinwasserkraftwerke mit rund 76 Megawatt sind in Bau oder kürzlich in Betrieb gegangen.

Wasserkraft als Exportschlager
Der prozentuelle Anteil der Wasserkraft gemessen an der nationalen Stromerzeugung ist in den Alpenländern und -regionen sehr unterschiedlich; er reicht von gut drei Prozent in Deutschland bis über 75 Prozent in Südtirol. Allerdings sinkt der Anteil der Wasserkraft am Gesamtstrommix trotz der absoluten Erhöhung, weil immer mehr Strom verbraucht wird. Wasserkraft wird in der öffentlichen Diskussion zumeist als eine saubere, nachhaltige und ökologisch unbedenkliche Energiequelle dargestellt. Doch auch diese so genannte «grüne» Form der Energiegewinnung hat zahlreiche Schattenseiten. Sie birgt das Risiko folgenreicher und irreversibler Eingriffe in wertvolle Gewässerökosysteme und Landschaften. Laufkraftwerke beispielsweise beeinträchtigen Flussökosysteme in erster Linie durch den Aufstau. Die Fliessgeschwindigkeit nimmt ab, dadurch steigt die Wassertemperatur an und der Sauerstoffgehalt im Wasser sinkt. Die geringere Schleppkraft des Flusses verursacht Verschlammungen; viele Organismen verlieren ihre Lebensräume. Das Geschiebe und Sohlmaterial werden im Staubereich zurückgehalten. Bei Ausleitungskraftwerken, also Flusskraftwerken in künstlichen Nebenkanälen des Flusses, bereiten vor allem die verringerte Wasserführung im Flussbett Probleme; der aquatische Lebensraum schrumpft.
Der beliebteste Kraftwerkstyp in Höhenlagen alpiner Flüsse ist das Speicherkraftwerk. Problematisch ist hier insbesondere die veränderte Abflussdynamik, da dem Fluss insgesamt weniger Wasser zur Verfügung steht bzw. die abgegebene Wassermenge je nach Strombedarf stark variiert.

Nutzer sollen bezahlen
Leider zeichnet sich bis heute kein Ausgleich der Nutzungs- und Naturschutzinteressen ab. Damit die letzten freien Flussabschnitte intakt bleiben, braucht es eine nachhaltige Wasserkraftnutzung mit Fokus auf ökologische Belange und die rechtlich verankerte Freihaltung sensibler Strecken. Nicht zuletzt müsste endlich der Artikel 9 der EU-Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt werden. Dieser sieht vor, dass alle Wassernutzer – auch Wasserkraftwerksbetreiber – Wasserdienstleistungen angemessen entgelten, gemäss des Verursacherprinzips und unter Einbezug der Umweltkosten.

Barbara Goby und Aaron Oberscheider
EU-Umweltpolitik und Umweltrecht, Umweltdachverband, Wien/A

www.umweltdachverband.at

Literaturhinweis:
CIPRA Internationale Alpenschutzkommission (Hrsg.): Die Etikette der Wasserkraft: Ein Hintergrundbericht (2002).

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aus: Szene Alpen Nr. 98 (www.cipra.org/de/alpmedia/publikationen/5222)