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URS SPRENGER — SCHAAN/FL «Wachstum ist keine unternehmerische Zielgrösse»

08.06.2010 / Barbara Wülser
Urs Sprenger lebt seit Jahren vor, was gescheiterte Wirtschaftsbosse derzeit üben: Er setzt auf Werte statt Wachstum. Dass sich die propagierten Werte nicht nur im Firmenprospekt gut machen, beweist der Liechtensteiner mit seiner krisenerprobten Unternehmensführung.
Urs Sprenger
Bild Legende:
Vom Ländle in die Welt: Urs Sprenger ist Geschäftsführer der Firmen NeuElektrik AG und Verwaltungsratspräsident der Firma Neutrik AG, beide mit Sitz in Schaan/FL. Während NeuElektrik AG hauptsächlich in Liechtenstein und Vorarlberg im Steuerungsbau und Elektro-Engineering tätig ist, exportiert Neutrik AG von Liechtenstein aus Steckverbindungen in alle Welt. Der 45-Jährige übernahm die Firmen von seinem Vater nach seinem Studium zum Informatikingenieur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich/CH und dem Doktorat in Ökonomie an der Universität St. Gallen/CH. Urs Sprenger ist zudem Honorarkonsul von Rumänien in Liechtenstein. Er wohnt in Schaan/FL und Berneck/CH. www.neutrik.com (de/en) www.neuelektrik.li (de) © Caroline Begle - CIPRA International
Was Urs Sprenger da auf dem Podium sagte, entsprach so gar nicht den Erwartungen des Publikums. Nicht, dass die Teilnehmenden der CIPRA-Jahresfachtagung nicht einverstanden gewesen wären mit Sätzen wie: «Der Betriebsmodus von Wachstum endet in der Krise.» oder «Jedes Unternehmen tut gut daran, sich auf Schrumpfungs- und Konsolidierungsprozesse einzustellen.» Nein, das war es nicht. Aber der Liechtensteiner Unternehmer war doch als Wirtschaftsvertreter an die Tagung in Gamprin eingeladen worden. Und als solcher hätte der Mann in Anzug und Krawatte doch das Wachstumsprinzip zu verteidigen gehabt.
Nun, ein «klassischer» Wirtschaftsvertreter liess sich fürs Podium der internationalen Tagung im September nicht finden, weil das Thema Schrumpfen in der Wirtschaft nach wie vor negativ besetzt ist – oder schlicht ausgeblendet wird. «Viele haben sich mit dem Schrumpfungsprozess noch nicht auseinander gesetzt», sagt der Eigentümer der beiden Liechtensteiner Firmen NeuElektrik AG und Neutrik AG.

Gesellschaftliche Fragen stehen zuvorderst
In den nüchternen, aber gediegenen Büroräumlichkeiten seines Firmensitzes in Schaan wirken Urs Sprengers Aussagen weniger befremdend als auf dem Podium; eher wie Slogans aus einem Firmenprospekt. Doch hinter Schlagworten wie Marktstellung, Werte, Innovation, Attraktivität und Produktivität steht ein grosses Sendungsbewusstsein. Es ist dem Unternehmer wichtig, dass seine Botschaft richtig ankommt. Der zurückhaltende Mann wählt seine Worte mit Bedacht: «Die Wirtschaftskrise zwingt uns nachzudenken, welche Fragen relevant sind.» Nämlich: Was ist unsere Legitimation? Welchen Beitrag leisten wir für die Region, für die Gesellschaft? Wie gehen wir mit unserer Umwelt um? Wachstum ist keine unternehmerische Grösse, wie Urs Sprenger sagt, sondern nur ein «Abfallprodukt», ein Nebeneffekt. «Ob wir acht, zehn oder minus zwei Prozent wachsen, ist nicht entscheidend.» Seine Firma Neutrik AG, die die Musik- und Unterhaltungsindustrie in 120 Ländern mit 1500 verschiedenen Steckverbindungen versorgt, hat die Krise trotz zweistelligen Umsatzeinbussen gut überstanden. Doch auch Urs Sprenger hat aus der Krise gelernt: Prävention ist wichtig, konservatives Unternehmertum wird wieder geschätzt und sein Risikomanagement, das Schwankungen von plus/minus 30 Prozent vorsieht, hat sich bewährt.

«Wir werden geschrumpft»
Als Urs Sprenger vor bald zehn Jahren im lokalen Rotary Club über Nachhaltigkeit referierte, war der Begriff relativ neu in der Wirtschaft. Es galt, diesen mit Inhalten zu füllen. Seither publiziert und referiert er regelmässig über Nachhaltigkeit und «Corporate Governance», unter anderem an der Hochschule Liechtenstein, und berät kränkelnde Firmen. Die Leute hätten begriffen, dass die Erfolgsrezepte der Vergangenheit nicht die der Zukunft seien, sagt er. Doch Schrumpfen sei für viele ein «Schreckgespenst». Es gelte, die Angst davor zu nehmen. «Die Frage ist nicht, ob wir wollen oder nicht; wir werden geschrumpft.» Urs Sprenger möchte aufzeigen, dass der Schrumpfungsprozess grosse Chancen birgt, wenn man ihn bewusst angeht. «Gesundschrumpfen bedeutet nicht nur kleiner, sondern auch anders werden.»