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Die Alpen im Windzeitalter

08.04.2009 / Anita Wyss
Die CIPRA hilft bei der Entscheidungsfindung Windenergie befindet sich seit einigen Jahren weltweit im Aufwind. Auch in den Alpen trifft man zunehmend auf Windräder, die grünen Strom liefern, aber auch das Landschaftsbild beeinträchtigen. Die CIPRA fordert, dass die wenigen möglichen Standorte im Alpenraum eingehend auf ihre ökonomische, ökologische und soziale Verträglichkeit hin geprüft werden.
Windturbine in Entlebuch
Bild Legende:
Im Entlebuch/CH produziert eine Windturbine mit 52 m Rotordurchmesser Strom für rund 300 Haushalte. © Suisse Eole
Windenergie verfügt über grosses ungenutztes Potenzial. Sie bekommt umso mehr Gewicht, als die europäischen Staaten ihren Energiebedarf nachhaltig durch erneuerbare Energien decken möchten. Die Politik greift vermehrt zu Fördermassnahmen und regt mit positiven Rahmenbedingungen Neubauprojekte an. Zahlreiche Windkraftanlagen und Windenergieparks sind im europäischen Flachland und Küstenvorfeld bereits errichtet worden, wo die durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten hoch und die Erschliessungskosten tief liegen. Auch in den Alpen sind zunehmend Windkraftanlagen geplant oder wurden bereits realisiert. Gerade in der Schweiz boomt die Windkraft im Alpenraum besonders stark, da Ausweichmöglichkeiten fehlen. Momentan besitzt die Schweiz 13 Windenergiestandorte, bis zum Jahr 2025 sind weitere 28 Windparks vorgesehen so etwa auf dem Grimsel- und Lukmanierpass.
Auf dem Gütsch oberhalb von Andermatt/CH soll im Sommer das Fundament gelegt werden für den höchst gelegenen Windpark der Welt. Drei neue Turbinen mit einer Leistung von je 900 Kilowattstunden ergänzen eine bestehende von 600 Kilowattstunden. Der Windpark auf 2300 Meter soll mit einer erwarteten Jahresproduktion von vier bis fünf Gigawattstunden dereinst mithelfen, den Energiehunger des geplanten Ferienresorts des ägyptischen Investors Samih Sawiris in Andermatt zu stillen.

Windkraft ist nicht die Lösung des Energieproblems
Bei der Stromerzeugung aus Wind stehen positive Aspekte wie Ressourcenschonung, Luftreinhaltung und Klimaschutz negativen Aspekten wie landschaftsästhetische Entwertung, Lärmemission, Schattenwurf und Störung der Fauna - vorwiegend der Vögel - gegenüber. In Berggebieten machen sich die Auswirkung aufgrund wenig berührter Naturräume und exponierter Geländesituationen besonders bemerkbar. Und es gibt noch einen weiteren, indirekten Effekt: Der Ruf nach Ausbau und Neubau von Pumpspeicherkraftwerken im Berggebiet wird laut, damit die unregelmässig anfallende Energie aus Windkraft gespeichert und als teure Spitzenenergie verkauft werden kann. Noch unberührte Flüsse sollen für die Stromproduktion genutzt werden. In diesem Sinne wird auch die Produktion von Strom aus Windkraft ausserhalb des Alpenbogens bedeutende Auswirkungen auf die Alpen haben.
Die Herausforderungen im Energiesektor sind gross. Sie können nur bewältigt werden, wenn der Konsum drastisch verringert wird. Die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA ist davon überzeugt, dass die Einsparung von Energie allerhöchste Priorität hat vor allen anderen Massnahmen. Nur wenn das Potenzial von Energieeinsparungen ausgeschöpft wird, kann auf erneuerbare Energien gesetzt werden, um den Restbedarf zu decken. Windenergie ist eine mögliche Ressource von vielen.
Windkraftanlagen im Alpenraum können aufgrund der topographischen und klimatischen Voraussetzungen, den hohen Erschliessungs- und Unterhaltskosten sowie dem Schutzstatus vieler Gebiete keinen substantiellen Beitrag zurgesamten Energieversorgung leisten. Diese Tatsache muss bei der Planung von Windkraftanlagen unbedingt berücksichtigt werden.

Nicht nur störend, auch unrentabel
Die Topographie in den Alpen begünstigt die Windenergie nicht besonders. Windmessungen zeigen, dass nur wenige exponierte Kuppen und Pässe über geeignete durchschnittliche Windgeschwindigkeiten verfügen und rentabel bewirtschaftet werden können - zumindest nach heutigem Stand des Wissens und der Technik. Zudem erschweren Turbulenzen, Schnee und Eis den Betrieb und Unterhalt von Windkraftanlagen. Die Erschliessung von weit sichtbaren Kuppen mit Zufahrtstrassen für Bau und Unterhalt hätte aus ökologischer Sicht schwerwiegende Eingriffe ins Landschaftsbild zur Folge. Aus ökonomischer Sicht resultierten daraus zu hohe Erschliessungs- und Unterhaltskosten, da nach dem sehr teuren Bau von Strassen zu abgelegenen Kuppen auch ein wintersicherer Unterhalt erforderlich wäre. Das Fehlen von Hochspannungsleitungen oder die mangelnde Kapazität von bestehenden Stromnetzen verlangten mancherorts nach zusätzlichen Leitungen, die wiederum das Landschaftsbild beeinträchtigen und die Kosten in die Höhe treiben würden.

Die Bevölkerung miteinbeziehen
Eingebetet in eine zukunftsorientierte regionale Energiepolitik befürwortet die CIPRA die Nutzung von Windenergie als klimafreundliche, ressourcen- und umweltschonende Energieform - mit der Einschränkung, dass Windkraftanlagen in den Alpen nur an wenigen geeigneten Standorten sinnvoll sind und toleriert werden können. Windkraftanlagen müssen rentabel sein. Nur wenn ein Projekt ökonomisch Sinn macht, wird es von den Leuten vor Ort akzeptiert. Windkraftanlagen dürfen den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften nicht aufgedrängt werden. Vielmehr soll der Dialog gefördert und Aufklärungsarbeit geleistet werden. Die Bevölkerung soll durch gemeinsame Diagnose und partizipative Diskussion entscheiden können, ob Windenergie für sie eine sinnvolle Option ist.
Ökonomisch realisierbare Projekte müssen auf ihre raumplanerische, ökologische und soziale Verträglichkeit hin geprüft werden. Windkraftanlagen in Schutzgebieten und Gebieten mit besonderer Bedeutung für die Avifauna und von besonderer landschaftlicher Schönheit oder kultureller Bedeutung sind grundsätzlich nicht akzeptabel. Potentiell geeignete Standorte sind rechtsverbindlich in den raumordnerischen Planungsinstrumenten und den Gesetzen der Gemeinden, Länder und Staaten festzulegen. Damit soll ein willkürliches Vorgehen verhindert werden, damit die Ressource Wind für alle - Menschen, Flora und Fauna - gewinnbringend genutzt werden kann.