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Ein ganzer Strauss von Instrumenten
09.06.2008
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Christoph Braumann
Österreich versucht seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die Entwicklung beim Bau von Zweitwohnungen zu steuern. Die Bundesländer Salzburg und Tirol waren dabei Vorreiter. Konflikte mit den Gesetzen der Europäischen Union führten dazu, dass derzeit ein neues Paket von Instrumenten diskutiert wird.
Nachdem in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Zahl der Zweitwohnungen in Österreich sprunghaft zugenommen hatte, versuchten die meisten Bundesländer, die Entwicklung zu steuern. In Folge nahmen sie spezielle Regelungen für den Zweitwohnungsbau in ihre Raumordnungsgesetze (ROG) auf. Zunächst stand dabei der Bau von Appartmenthäusern, Feriendörfern und Wochenendsiedlungen im Zentrum: sie sollten nur noch in vorher ausgewiesenen Gebieten zulässig sein. Ergänzend führten mehrere Bundesländer eine gesetzliche Kontrolle über den Verkauf von Immobilien ein – insbesondere für Ausländerinnen und Ausländer. Angesichts des bevorstehenden Beitritts Österreichs zur Europäischen Union wollten vor allem die Bundesländer Tirol, Salzburg und Vorarlberg damit einen Verkauf des knappen Siedlungsraums ins Ausland verhindern.
Das Salzburger und das Tiroler Modell
Als erstes hat das Land Salzburg ein beispielhaftes Regelsystem entwickelt: Im neuen Salzburger ROG von 1992 wurde zum einen der Begriff der Zweitwohnungen wesentlich weiter gefasst. Er bezog alle Arten von Ferien- oder Urlaubswohnungen ein, und diese durften nach diesem Gesetz nur noch in ausgewiesenen Zweitwohnungsgebieten gebaut werden – Privatzimmer und touristische Zweitwohnungen, die vermietet werden sollten, wurden jedoch von dieser Regelung ausgenommen. Neue Gebiete für den Bau von Ferien- und Urlaubswohnungen konnten nur noch solche Gemeinden ausweisen, in denen der Anteil der Zweitwohnungen am Wohnungsbestand nicht über 10 Prozent lag. Um die neuen Regelungen durchzusetzen, wurde 1993 im Grundverkehrsgesetz (es regelt den Kauf und Verkauf von Liegenschaften) festgelegt, dass der Verkauf von Baugrundstücken behördlich bewilligt werden musste. Zur Überwachung wurde eine Person als Grundverkehrsbeauftragte eingesetzt. Das Salzburger Modell erwies sich als durchaus wirksam: Der Zuwachs an Zweitwohnungen verringerte sich deutlich.
Noch restriktivere Regelungen wurden in Tirol eingeführt, wo das ROG von 1994 zunächst den Bau neuer Freizeitwohnungen gänzlich verbot. Ähnlich wie in Salzburg führte das Grundverkehrsgesetz 1996 eine generelle Genehmigungspflicht für den Handel mit Grundstücken ein. Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs aber hob das Bauverbot für Freizeitwohnsitze wieder auf. Im ROG von 1997 wurde deshalb festgelegt, dass nur noch in solchen Gemeinden neue Zweitwohnungen gebaut werden durften, in denen ihr Anteil am gesamten Wohnungsbestand unter acht Prozent lag. Zudem wurde die Erstellung eines Freizeitwohnsitzverzeichnisses vorgeschrieben.
Konflikte mit dem Recht der Europäischen Union
Im Fall von Tirol wurde deutlich, dass die Bestrebungen zur Steuerung des Zweitwohnungsbaus mit der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union in Konflikt geraten können. Der Europäische Gerichtshof entschied 1999, dass ein dem Grundstückserwerb vorgeschaltetes allgemeines Genehmigungsverfahren der Kapitalverkehrsfreiheit widerspreche und die Gefahr einer diskriminierenden Anwendung berge. In der Folge musste das Grundverkehrsrecht in den westösterreichischen Bundesländern gelockert werden. In Tirol wird seit 1999 nur noch eine Erklärung der Käufer und Käuferinnen verlangt, dass sie auf einem erworbenen Grundstück keinen Freizeitwohnsitz bauen werden (das so genannte Erklärungsmodell). In Salzburg wurden 2002 die Regelungen für den Kauf von Baugrundstücken aufgehoben, Grundverkehrsbeauftragte wurden abgeschafft. Auch in Vorarlberg bestehen seit 2004 keine derartigen Beschränkungen mehr.
Getarnte Zweitwohnungen
Am Beispiel des Landes Salzburg, das 2001 in Westösterreich mit sieben Prozent den höchsten Anteil an gemeldeten Freizeitwohnungen aufwies, lassen sich charakteristische Trends aufzeigen:
– Bereits bestehende Wohnungen werden in grösserem Umfang von nicht österreichischen EU-Bürgern und -Bürgerinnen erworben. Um eine Klassifizierung als Freizeitwohnung zu vermeiden, wird oft ein Mitglied der Käuferfamilie in der entsprechenden Gemeinde formal mit Hauptwohnsitz gemeldet. Oder die Wohnung wird touristisch weitervermietet. Wie hoch dann der tatsächliche Anteil der Eigennutzung ist, lässt sich kaum oder nur mit hohem Aufwand überprüfen. Nachweisbar sind dagegen Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt der betroffenen Gemeinden; Immobilien werden für Einheimische zum Teil unerschwinglich teuer. In grösseren Wohnanlagen sind Konflikte zwischen Dauerbewohnerinnen und ständig wechselnden Urlaubern vorprogrammiert.
– Neuerdings entstehen vermehrt Chaletsiedlungen oder Hüttendörfer, zum Teil an landschaftlich reizvollen Standorten ausserhalb des Dauersiedlungsraums. Meist werden sie als gewerbliche Beherbergung präsentiert; die einzelnen Gebäude aber sollen von privaten Investoren und Investorinnen gekauft werden. Obwohl vertraglich im Raumordnungsverfahren eine Pflicht zur touristischen Vermietung gefordert wird, bleibt das Risiko, dass solche Chalets später privat als Zweitwohnungen genutzt werden. Zudem sind solche Hüttendörfer in der Regel mit einem erheblichen Flächenverbrauch verbunden. Im Bundesland Salzburg wird unter anderem deshalb derzeit eine Änderung des Landesentwicklungsprogramms angestrebt, nach der ausserhalb des Dauersiedlungsraumes eine Baulandausweisung für touristische Beherbergung und Zweitwohnungsgebiete nur aufgrund eines eigenen Sachprogrammes zulässig sein soll.
Raumplanung allein reicht nicht
Das bestehende Raumordnungsinstrumentarium weist angesichts dieser Entwicklungen Schwächen auf. In Salzburg wird derzeit über ein neues Raumordnungsgesetz diskutiert, das auch strengere Bestimmungen für Zweitwohnungen enthalten soll. So soll eine touristische Vermietung in Gebäuden mit mehr als fünf Wohnungen generell verboten werden. Es wird über die Einführung einer eigenen Widmungskategorie für Feriendörfer diskutiert. Eine Arbeitsgruppe zum Grundverkehr schlug vor, Geschäfte mit Baugrundstücken nach dem Erklärungsmodell wieder anzeigepflichtig zu machen. Auch sollen die Möglichkeiten, die tatsächliche Nutzung von Wohnungen zu überprüfen, verbessert, Verstösse gegen Auflagen härter bestraft werden.
Die geschilderten Erfahrungen und neuen Diskussionsansätze weisen darauf hin, dass die Entwicklung auf dem Zweitwohnungsmarkt nicht allein mit den Mitteln der Raumplanung gelenkt werden kann. Erforderlich ist ein ganzes Paket von Instrumenten, zu dem in jedem Fall das Grundverkehrsrecht gehören sollte, aber auch das Melderecht und Möglichkeiten, Auflagen effektiv zu überwachen und Verstösse dagegen zu bestrafen. Dabei müssen die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union und die Interessen von Wirtschaft und Fremdenverkehr beachtet werden. Für Diskussionsstoff ist also auch in Zukunft gesorgt.
Das Salzburger und das Tiroler Modell
Als erstes hat das Land Salzburg ein beispielhaftes Regelsystem entwickelt: Im neuen Salzburger ROG von 1992 wurde zum einen der Begriff der Zweitwohnungen wesentlich weiter gefasst. Er bezog alle Arten von Ferien- oder Urlaubswohnungen ein, und diese durften nach diesem Gesetz nur noch in ausgewiesenen Zweitwohnungsgebieten gebaut werden – Privatzimmer und touristische Zweitwohnungen, die vermietet werden sollten, wurden jedoch von dieser Regelung ausgenommen. Neue Gebiete für den Bau von Ferien- und Urlaubswohnungen konnten nur noch solche Gemeinden ausweisen, in denen der Anteil der Zweitwohnungen am Wohnungsbestand nicht über 10 Prozent lag. Um die neuen Regelungen durchzusetzen, wurde 1993 im Grundverkehrsgesetz (es regelt den Kauf und Verkauf von Liegenschaften) festgelegt, dass der Verkauf von Baugrundstücken behördlich bewilligt werden musste. Zur Überwachung wurde eine Person als Grundverkehrsbeauftragte eingesetzt. Das Salzburger Modell erwies sich als durchaus wirksam: Der Zuwachs an Zweitwohnungen verringerte sich deutlich.
Noch restriktivere Regelungen wurden in Tirol eingeführt, wo das ROG von 1994 zunächst den Bau neuer Freizeitwohnungen gänzlich verbot. Ähnlich wie in Salzburg führte das Grundverkehrsgesetz 1996 eine generelle Genehmigungspflicht für den Handel mit Grundstücken ein. Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs aber hob das Bauverbot für Freizeitwohnsitze wieder auf. Im ROG von 1997 wurde deshalb festgelegt, dass nur noch in solchen Gemeinden neue Zweitwohnungen gebaut werden durften, in denen ihr Anteil am gesamten Wohnungsbestand unter acht Prozent lag. Zudem wurde die Erstellung eines Freizeitwohnsitzverzeichnisses vorgeschrieben.
Konflikte mit dem Recht der Europäischen Union
Im Fall von Tirol wurde deutlich, dass die Bestrebungen zur Steuerung des Zweitwohnungsbaus mit der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union in Konflikt geraten können. Der Europäische Gerichtshof entschied 1999, dass ein dem Grundstückserwerb vorgeschaltetes allgemeines Genehmigungsverfahren der Kapitalverkehrsfreiheit widerspreche und die Gefahr einer diskriminierenden Anwendung berge. In der Folge musste das Grundverkehrsrecht in den westösterreichischen Bundesländern gelockert werden. In Tirol wird seit 1999 nur noch eine Erklärung der Käufer und Käuferinnen verlangt, dass sie auf einem erworbenen Grundstück keinen Freizeitwohnsitz bauen werden (das so genannte Erklärungsmodell). In Salzburg wurden 2002 die Regelungen für den Kauf von Baugrundstücken aufgehoben, Grundverkehrsbeauftragte wurden abgeschafft. Auch in Vorarlberg bestehen seit 2004 keine derartigen Beschränkungen mehr.
Getarnte Zweitwohnungen
Am Beispiel des Landes Salzburg, das 2001 in Westösterreich mit sieben Prozent den höchsten Anteil an gemeldeten Freizeitwohnungen aufwies, lassen sich charakteristische Trends aufzeigen:
– Bereits bestehende Wohnungen werden in grösserem Umfang von nicht österreichischen EU-Bürgern und -Bürgerinnen erworben. Um eine Klassifizierung als Freizeitwohnung zu vermeiden, wird oft ein Mitglied der Käuferfamilie in der entsprechenden Gemeinde formal mit Hauptwohnsitz gemeldet. Oder die Wohnung wird touristisch weitervermietet. Wie hoch dann der tatsächliche Anteil der Eigennutzung ist, lässt sich kaum oder nur mit hohem Aufwand überprüfen. Nachweisbar sind dagegen Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt der betroffenen Gemeinden; Immobilien werden für Einheimische zum Teil unerschwinglich teuer. In grösseren Wohnanlagen sind Konflikte zwischen Dauerbewohnerinnen und ständig wechselnden Urlaubern vorprogrammiert.
– Neuerdings entstehen vermehrt Chaletsiedlungen oder Hüttendörfer, zum Teil an landschaftlich reizvollen Standorten ausserhalb des Dauersiedlungsraums. Meist werden sie als gewerbliche Beherbergung präsentiert; die einzelnen Gebäude aber sollen von privaten Investoren und Investorinnen gekauft werden. Obwohl vertraglich im Raumordnungsverfahren eine Pflicht zur touristischen Vermietung gefordert wird, bleibt das Risiko, dass solche Chalets später privat als Zweitwohnungen genutzt werden. Zudem sind solche Hüttendörfer in der Regel mit einem erheblichen Flächenverbrauch verbunden. Im Bundesland Salzburg wird unter anderem deshalb derzeit eine Änderung des Landesentwicklungsprogramms angestrebt, nach der ausserhalb des Dauersiedlungsraumes eine Baulandausweisung für touristische Beherbergung und Zweitwohnungsgebiete nur aufgrund eines eigenen Sachprogrammes zulässig sein soll.
Raumplanung allein reicht nicht
Das bestehende Raumordnungsinstrumentarium weist angesichts dieser Entwicklungen Schwächen auf. In Salzburg wird derzeit über ein neues Raumordnungsgesetz diskutiert, das auch strengere Bestimmungen für Zweitwohnungen enthalten soll. So soll eine touristische Vermietung in Gebäuden mit mehr als fünf Wohnungen generell verboten werden. Es wird über die Einführung einer eigenen Widmungskategorie für Feriendörfer diskutiert. Eine Arbeitsgruppe zum Grundverkehr schlug vor, Geschäfte mit Baugrundstücken nach dem Erklärungsmodell wieder anzeigepflichtig zu machen. Auch sollen die Möglichkeiten, die tatsächliche Nutzung von Wohnungen zu überprüfen, verbessert, Verstösse gegen Auflagen härter bestraft werden.
Die geschilderten Erfahrungen und neuen Diskussionsansätze weisen darauf hin, dass die Entwicklung auf dem Zweitwohnungsmarkt nicht allein mit den Mitteln der Raumplanung gelenkt werden kann. Erforderlich ist ein ganzes Paket von Instrumenten, zu dem in jedem Fall das Grundverkehrsrecht gehören sollte, aber auch das Melderecht und Möglichkeiten, Auflagen effektiv zu überwachen und Verstösse dagegen zu bestrafen. Dabei müssen die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union und die Interessen von Wirtschaft und Fremdenverkehr beachtet werden. Für Diskussionsstoff ist also auch in Zukunft gesorgt.