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Was kostet der Erfolg?

12.07.2007 / Christian Baumgartner
Kirchturmdenken ist teuer und, wie im Folgenden ausgeführt wird, obsolet. Die Boomjahre des Alpintourismus haben eine Entwicklungsspirale gebracht, die das Konkurrenzdenken zwischen benachbarten Gemeinden und zwischen Hotelbetrieben derselben Gemeinde forciert hat.
Essen
Bild Legende:
Qualitativ hochwertige, regionale Produkte sind ein wesentlicher Bestandteil eines nachhaltigen Tourismusangebotes und befriedigen gleichzeitig die wachsenden Bedürfnisse nach mehr Authentizität im Tourismus. © www.tirolimages.at
In den Boomjahren brauchte nicht nur jeder Ort sein eigenes Schwimmbad, auch jedes Hotel investierte in die eigene Wellnessanlage. Eine gemeinsame Nutzung benachbarter Anlagen erschien vielen obszön. Diese Konkurrenz-Spirale trug auch zur hohen Verschuldung der Vier- und Fünfsternhotellerie bei.
Naiv wäre der Glauben, dass in schwierigen Zeiten die Akteure ‚einfach' zusammenrücken und kooperieren. Dass aber vielleicht doch langsam ein Umdenken stattfindet, ist derzeit mancherorts sichtbar: So entstehen beispielsweise etwa horizontale und laterale regionale Kooperationen im Marketing lokaler Produkte oder in der gemeinsamen Produktentwicklung und Angebotsgestaltung, manchmal auch in der Nutzung von lokaler Infrastruktur.

Klimawandel zwingt zum Umdenken
Umdenken tut not, wie auch an den ersten sichtbaren Folgen des Klimawandels in den Alpen - den steigenden Investitionen im Wintertourismus - abzulesen ist. Immer mehr Skiregionen wollen - meist mit Mitteln der öffentlichen Hand - in den Ausbau der Beschneiungsanlagen investieren und wo geografisch möglich höhere Lagen erschliessen. In den letzten 10 Jahren haben sich zum Beispiel in Österreich die jährlichen Investitionen vervierfacht und erreichen heute 11 % der gesamten Investitionen im Tourismus
Welchen Preis sind Regionen zu zahlen bereit, um einen Tourismus am Leben zu halten, der bereits der Vergangenheit angehört? Welche Folgen müssen zukünftige Generationen dafür in Kauf nehmen? Von den massiven Eingriffen in die Landschaft abgesehen, die bei den noch möglichen Skigebietserweiterungen und -neuerschliessungen und dem hohen Wasser- und Energiebedarf für die Kunstschneeproduktion entstehen, rechnen sich diese Massnahmen wirtschaftlich nicht mehr.
Nach eigener Berechnung wird heute jedeR SkifahrerIn in Österreich nur schon für Kunstschnee und Beschneiungsanlagen mit € 18,75 pro Jahr subventioniert. Gerechtfertigt ist diese Subvention nicht, weil weder die Funktionstüchtigkeit der Anlagen während warmer Winter gesichert ist, noch sicher ist, wann sich die Investitionen einspielen. Vielmehr scheint sich das Geschäft mit der Angst vor Veränderung mehr zu lohnen als ein wirtschaftlicher Hausverstand, der sich frühzeitig für Alternativen und zukunftsweisende Angebote interessiert.
Es braucht im Tourismus neue Vision und kreative Ideen - wintertouristische Sturheiten sind out. Für viele Orte, die heute als Skigebiete bekannt sind, wird eineVerlagerung der Urlaubsaktivitäten in die heutigen Vor- und Nachsaisonen attraktiv. Für einige Regionen aber wird ein Wechsel aus dem Tourismus in eine andere Branche Realität werden (mehr zum Wintertourismus in Zeiten des Klimawandels siehe CIPRA Info 81).

Welche touristischen Investitionen rechnen sich zukünftig?
Es wird auf den Weitblick ankommen. Sinnvolle Investitionen in den Sommertourismus bringen, wie schon zu beobachten ist, deutlich mehr regionale Wertschöpfung. So zeigen beispielsweise die Investitionen in der erfolgreichen Sommerentwicklung im Bregenzerwald, dass auf der Seite der Hardware nur einige Themenwege und Qualitätsverbesserung im Hotelbereich getätigt wurden. Die tatsächliche Investition lag in der Software, also in der Produktentwicklung und der Angebotsgestaltung, die auf der Verwendung der authentisch regionalen Ressource "Käse" aufbaute. Die Käsestrasse Bregenzerwald (www.kaesestrasse.at) zählt heute zu den alpenweit erfolgreichsten Modellen einer touristischen Entwicklung, welche integrativ in die Entwicklungsinteressen der gesamten Region eingebettet ist.
Vorsicht ist aber geboten: nicht jede "Authentizität" ist eine wirkliche Ressource für die Region. Die jährlich wiederholte Inszenierung von "Hannibal in den Alpen" am Rettenbachferner im Tiroler Ötztal ist so ein Fall. Wie auf der Website (wwww.soelden.com/main/DE/
WI/newsevents/Hannibal//index.html) angekündigt, wird "auf 3'000m Seehöhe an einem der möglichen Originalschauplätze dieses Heldenepos in poetischen Bildern erzählt." Der angebliche Originalschauplatz ist historischer Unsinn. Aber die Eventbesucher erwarten wohl keine geschichtlichen Fakten, wenn sie für "Übernachtung mit Frühstück im Iglu, inklusive Wasser die ganze Nacht frei" € 219,- zahlen. Angesichts eines Aufwandes von mehreren Millionen Euro jährlich für einen 67 Minuten "Show-Event" mit 500 Mitwirkenden und einem enormen technischen Aufwand u.a. für einen künstlichen Lawinenabgang ist die Wertschöpfung für die Region zu bezweifeln.

Parkplätze bringen weniger Einkommen als Unterkünfte
Vorsicht ist auch geboten vor kurzfristig günstiger erscheinenden Investitionen in Tagestourismus-Konzepte. Tagestourismus ist durch geringere Wertschöpfung und höhere Umweltbelastung gekenn-
zeichnet. Fakt ist: Parkplätze bringen weniger Einkommen als Unterkünfte. Der relative Marketingaufwand wird in Korrelation mit der kürzeren Aufenthaltsdauer teurer. Tages- und Kurzzeiturlauber lassen sich schwerer motivieren, vom PKW auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen. Die Vorstellung, das subjektive Mobilitätsbedürfnis innerhalb der Destination nur mit dem eigenen PKW stillen zu können, ist bei kürzeren Besuchen hartnäckig verankert.
Dennoch kann die umwelt- wie klimapolitisch gewünschte Sanfte Mobilität sowohl "teuer" als auch "günstig" sein: Wenn eine Destination beispielsweise dem bereits häufig zitierten Mobilitätsvorbild Werfenweng (A) folgen will, bedarf es einer Finanzkraft, die ein übliches Gemeindebudget übersteigt. Nationale und europäische Stellen sind bei solchen Modellprojekten gefordert. Werfenweng hat konsequent auf Sanfte Mobilität gesetzt und sich damit eine neue Unique Selling Position gegeben. Inzwischen lässt sich diese wirtschaftlich auch in Wertschöpfung und Nächtigungszahlen nachlesen.
Zum Klimaschutz können auch kleinere Massnahmen beitragen: Die 900 Seelen-Gemeinde Langenegg im vorderen Bregenzerwald (A) finanziert aus der Gemeindekasse ein Car-Sharing-Auto und einige Jahreskarten für das Autobus-Netz. Zu einem eher symbolischen Preis können Netzkarten für einen Tag "geliehen" werden. Inzwischen steigen auch jene MitbürgerInnen um, die bislang nie den Autobus von innen gesehen haben. Im Zuge politischer Massnahmen gegen die Auswirkungen des Klimawandels hat das österreichische Lebensministerium vor kurzen ein Beratungs- und Förderprogramm für grosse und kleine Massnahmen dieser Art ins Leben gerufen (vgl. www.klimaaktivmobil.at). Erste Motivationsschritte sind also gesetzt.

Authentisches Erleben mit geringeren Investitionen
Ein nachhaltiger Tourismus, der seine Angebote auf einem authentischen Erleben aufbaut, ist mit geringeren Investitionen verbunden und bringt nicht nur ökologische und kulturelle Verträglichkeit, sondern auch eine relativ höhere Wertschöpfung.
Für Nachhaltigkeit im Tourismus sind Investitionen in die Softskills gefragt, denn Innovation, Kooperation, Ausbildung und Training sind nicht Bestandteil eines "all inclusive Angebots". Nachhaltiger Tourismus braucht Menschen mit Herz, Hirn und Verstand, um erfolgreich zu sein - solche soll es aber Gerüchten zu Folge doch noch hier und dort geben.

Christian Baumgartner, Naturfreunde Internationale