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Mit Schneekanonen gegen die Klimaerwärmung - Künstliche Beschneiung und ihre Folgen

29.11.2006 / CIPRA Internationale Alpenschutzkommission
Über 90 % aller Skigrossräume der Alpen verfügen über Beschneiungsanlagen. In einzelnen Alpenländern kann bis zu 68 % der Pistenfläche beschneit werden. Früher dienten Schneekanonen zur Sicherung einzelner Talabfahrten. Heute werden oft ganze Skigebiete beschneit und Beschneiungsanlagen auf immer höheren, ökologisch besonders empfindlichen Lagen installiert.
Red. Der jährliche Verbrauch an Wasser für die beschneibare Pistenfläche in den Alpen (ca. 95 Mio. m3) entsprach 2004 demjenigen einer Stadt mit 1,5 Mio. EinwohnerInnen, der Energieverbrauch dem jährlichen Stromverbrauch von 130'000 Vierpersonen-Haushalten. Neue Schneekanonen-Modelle arbeiten zwar immer energieeffizienter, andererseits aber boomen Neuinstallationen und Erweiterungen und die Betriebsdauer nimmt zu. Insgesamt steigt damit der Energieverbrauch massiv an. Beschneiungsanlagen sind ungünstige Stromverbraucher und der Strombedarf im Winter ist generell hoch. Zudem wandeln Beschneiungsanlagen auch zur Stromerzeugung geeignetes Wasser in einer wasserarmen Zeit in Schnee um.
Durch Schneezusätze kann auch bei Temperaturen, bei denen wirkstofffreies Wasser nicht gefrieren würde, beschneit werden. SNOMAX besteht aus abgetöteten Bakterien (Pseudomonas syringae) und ermöglicht die Produktion von Schnee mit geringerem Wasser- und Energieverbrauch. Deshalb wird es gerne als "umweltfreundlich" bezeichnet. SNOMAX kann aber in vom Skibetrieb oder durch die scharfen Kanten der Eiskristallisationskerne der Bakterien selber verletzte Pflanzen eindringen und diesen den Eigenschutz gegen Frost nehmen. Bedenklich ist der Einsatz von Mineralsalzen zur Härtung von Pisten. Sie können durch ihre Düngewirkung die bestehenden Lebensräume beeinflussen. Langzeitstudien zu den Folgen von Schneezusätzen für Mensch und Umwelt gibt es nicht.
Die Investitionen und Betriebskosten für künstliche Beschneiung sind hoch. Die Aufteilung der Kosten und die Subventionsmöglichkeiten sind sehr unterschiedlich. Vielerorts können Beschneiungsanlagen von Wirtschaftsförderungsmassnahmen profitieren. Generell wächst im Alpenraum der Druck auf die öffentliche Hand, sich an der Finanzierung von Beschneiungsanlagen stärker zu beteiligen. In Bayern hob der Landtag 2004 ein Verbot der staatlichen Förderung von Beschneiungsanlagen auf. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Landesmittel in absehbarer Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Dennoch wurden knapp ein Jahr später 2,44 Mio. Euro für Beschneiungsanlagen in Aussicht gestellt.

Wer unter der Wintersonne im künstlichen Neuschnee die Piste hinunterkurvt, denkt kaum daran, dass die Beschneiung einen massiven Eingriff in die Natur erfordert und darstellt. Die ökologischen Folgen liegen in den folgenden Bereichen:

Boden: Je nach Höhenlage dauert es Jahrzehnte bis Jahrhunderte, bis sich Boden und Vegetation von Eingriffen durch Baumaschinen erholt haben. Kunstschnee belastet den Boden, weil er viermal schwerer ist als echter Schnee, weniger wärmedämmend und doppelt so lange braucht zum Abschmelzen.
Flora: Das nährstoffreichere Schmelzwasser von Kunstschnee hat eine Düngewirkung. In einer Untersuchung von zwölf Skigebieten wurden auf Pisten 11 % weniger Pflanzenarten gefunden als in der Umgebung.
Fauna: Tiere sind im Winter auf Ruhe und Energieeinsparung angewiesen, werden aber von Beschneiungsanlagen gestört. Manche Vogelarten, Hasen, Gämsen und Rotwild meiden von der Beschneiung beeinflusste Gebiete. Speicherbecken für Beschneiungswasser können wegen des schwankenden Wasserspiegels zu Amphibienfallen werden.
Wasserhaushalt: Für künstliche Beschneiung wird Gewässern zu Zeiten niedrigen Wasserstands viel Wasser entzogen. Nicht immer werden dabei vorgeschriebene Restwassermengen eingehalten. Die Beschneiung birgt die Gefahr einer flächenhaften Ausbringung von das Grundwasser belastenden Schadstoffen oder Krankheitserregern. Der erhöhte Schmelzwasserabfluss auf beschneiten Pisten kann zu Erosion, Vernässung und Abrutschgefahr führen. Durch Änderungen im Wasserhaushalt werden empfindliche Ökosysteme rasch zerstört.

Vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung mutet die Aufrüstung mit Schneekanonen absurd an: Mit dem Argument der abnehmenden Schneesicherheit wird die künstliche Beschneiung gefördert. Schneemangel, verursacht v.a. durch Energieverschwendung, wird durch weitere Energieverschwendung kompensiert - ein Teufelskreis.
Investitionen in Beschneiungsanlagen in einer Zeit, in der die Nachfrage für Wintersport stagniert oder zurückgeht, führen auch zu finanziellen Problemen.
Anstatt immer neuere Schneekanonen zu fordern, müssen sich Wintertourismusorte in den Alpen vermehrt auf Winter mit weniger Schnee einstellen.
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