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Wohin mit dem Verkehr?

22.09.2005 / Reinhard Gschöpf
Der Verkehr in den Alpen verlagert sich, allerdings nicht, wie in der Alpenkonvention angestrebt: Derzeit wandert Fracht von der Bahn auf die Strasse. Kostenvorteile spielen eine Rolle, aber auch Schwächen in der Organisation des Bahnverkehrs.
Derzeit findet allerdings in den Alpen eine Verlagerung auf die Straße statt. Am Brenner ging die von der Bahn beförderte Nettofracht von 11,01 Mio t im Jahr 2001 auf 9,9 Mio t im Jahr 2004 zurück. Zugleich stieg die Strassen-Tonnage von 2003 auf 2004 um fast 20%. Die Zahl der Schwer-LKW hat seit 1998 um 50% und allein von 2003 auf 2004 um 22% zugenommen. Ursachen sind der Wegfall des Ökopunktesystems und der bilateralen Kontingente mit den EU-Beitrittsstaaten sowie die Senkung der Brennermaut nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Auch am Gotthard fand durch günstigere Rahmenbedingungen 2004 ein Fünftel des Zuwachses auf der Straße statt.

Verlagerung durch Kosten
Kleine Änderungen im Kostenprofil können deutliche Verlagerungen bewirken. Da der LKW-Verkehr etwa fünfmal stärker als der gesamte Straßenverkehr zunimmt, ist eine massive Verbesserung bei der Kostenwahrheit (Kostenanlastung nach dem Verursacherprinzip) nötig. Derzeit trägt der LKW beispielsweise in Österreich nur 32% seiner Kosten, fast 400 Euro pro Jahr pro Kopf gehen zu Lasten der Allgemeinheit. Der Transport von Gütern mit dem LKW kommt die Steuerzahler fast viermal so teuer wie der per Bahn (pro tkm 0,19 statt 0,05 Euro). Das Missverhältnis beginnt bei kleinen Dingen, wie der Bemautung des gesamten Schienennetzes - auch der Nebenstrecken - mit einem jährlich steigenden "Infrastrukturbenutzungsentgelt", während LKW auf den Landstrassen gratis fahren (mit Ausnahme der Schweiz). Zudem hat die LKW-Maut den EU-Regeln entsprechend nur die Infrastrukturkosten im Blick. In Österreich ist die LKW-Maut zudem nicht einmal indexiert. Alleine die durch mangelnde Kontrolle erleichterte systematische Missachtung der Sicherheits- und Sozialvorschriften senkt zudem die LKW-Transportkosten um ein Drittel.

Kostenwahrheit
Die Schweizer Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) deckt die Hälfte der externen LKW-Kosten ab, hat bisher aber gerade einen Trendbruch und keine nachhaltige Verlagerung erzielt. Es muss also, um eine flächendeckende konkrete Verlagerung zu erzielen, deutlich mehr als die Hälfte der Kosten internalisiert werden. Die fahrleistungsabhängige LKW-Maut in Österreich, die an der Obergrenze dessen angesiedelt ist, was die Europäische Union in Ihrer Rahmengesetzgebung zulässt, hat den Verkehr auf den Autobahnen nicht reduziert. Das zeigt: Mit der Wegekostenrichtlinie kann die EU das, was sie in Weiss- und Grünbüchern hinsichtlich der Verkehrsverlagerung angekündigt hat, nicht umsetzen.

Schnellere Züge durch bessere Abstimmung
Es gibt allerdings auch nichtmonetäre Pfade zur Verlagerung: Neben Kosten sind gerade für Güterkunden Zeit und Zuverlässigkeit für die Verkehrsmittelwahl zentral. Transporte auf der Schiene können aber z.B.auf der Brennerachse zeitlich bei weitem nicht mit dem LKW mithalten, allerdings nicht wegen mangelnder Kapazität, sondern infolge betrieblicher Schwächen (und systematischer Regelverletzungen beim Strassentransport). Neben der technischen "Interoperabilität" und Harmonisierung lautet das Zauberwort Logistik - also organisatorische Optimierung, nicht der Bau neuer großer Tunnel. Neue Studien im Zusammenhang mit dem geplanten Brennerbasistunnel zeigen, dass derartige Projekte der Verlagerung eher im Weg stehen: Sie sind durch die enormen Bau- und Betriebskosten schwarze Löcher für öffentliche Gelder. Würde der Betrieb nicht subventioniert, so müssten die Kosten einer Brennerquerung auf der Straße verzehnfacht werden, um die Tunnelnutzung zu erzwingen.
Derzeit verspricht die Politik der verkehrsgeplagten Bevölkerung Linderung durch realitätsfremde Projekte wie Riesentunnels oder eine EU-"Verlagerungsrichtlinie". Richtiger wäre es, im Alpenraum wie in Brüssel endlich konkrete Maßnahmen und Eingriffe im eigenen Wirkungsbereich auf Basis der Alpenkonvention setzen. Dass Maßnahmen zur Verlagerung auch im EU-Rechtsrahmen zulässig sind, wurde erst kürzlich im Urteil zum Sektoralen LKW-Fahrverbot im Tiroler Inntal vom EuGH außer Streit gestellt.