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Take-off der Alpenkonvention steht weiterhin aus

01.09.2004 / CIPRA Internationale Alpenschutzkommission
Deutschland hat im November 2002 als Nachfolger Italiens für zwei Jahre den Vorsitz der Alpenkonferenz übernommen. Trotz guter Arbeit des Vorsitzlandes ist die Alpenkonvention weit davon entfernt abzuheben. Einzelne Staaten blockieren die Ratifizierung der Durchführungsprotokolle und gefährden damit die erreichten Fortschritte.
Deutschland hat als erstes Vorsitzland einen Zielkatalog für seine zweijährige Vorsitzzeit in Form eines 10-Punkte-Programms vorgelegt. Damit wird der Fortschritt der Konvention messbar. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass der Vorsitz viel geleistet hat, dass aber in manchen Staaten nicht sehr ernsthaft an der Umsetzung der Alpenkonvention gearbeitet wird.

Späte Funktionsfähigkeit des Ständigen Sekretariats
Der erste Punkt sieht die schnellstmögliche Herstellung der vollen Funktionsfähigkeit des Ständigen Sekretariats und der Aussenstelle vor. Der Generalsekretär ad interim hat allerdings seine Stelle später als vorgesehen angetreten und mit Berufung auf die zu knappen personellen Ressourcen auf inhaltliche Arbeit weitgehend verzichtet. Erst im Jahr 2004 waren aus dem Sekretariat gehaltvolle Dokumente und erste Ansätze einer Öffentlichkeitsarbeit zu erkennen.

Überprüfungsausschuss
Der neu eingerichtete Überprüfungsausschuss hat die wichtige Aufgabe, die Einhaltung und Umsetzung der Alpenkonvention und ihrer Protokolle durch die Vertragsparteien zu überwachen. Dazu hat der Ausschuss unter deutschem Vorsitz das Format und die inhaltlichen Vorgaben für die regelmässigen Länderberichte über ihre Umsetzungsmassnahmen entwickelt. Wenn die VIII. Alpenkonferenz den Fragebogen genehmigt, werden die Staaten gestützt darauf im Jahr 2005 erstmals umfassend und überprüfbar über ihre Bemühungen zur Umsetzung der Alpenkonvention und ihrer Durchführungsprotokolle Rechenschaft ablegen.

Verkehrsprotokoll durch Italien gefährdet
Im Verkehrsbereich setzte der Vorsitz einen Schwerpunkt darauf, die Zeichnung und Ratifikation des Verkehrsprotokolls durch alle Vertragsparteien ein-schliesslich EU voranzutreiben. Hier hat sich leider wenig getan. Die Europäische Union verharrt diesbezüglich in Lethargie, und Italien beabsichtigt, alle Protokolle ausser dem Verkehrsprotokoll zu ratifizieren. Dies ist ein schwerer Schlag gegen eine gemeinsame zukunftsfähige Verkehrspolitik und stellt die in den letzten Jahren erzielten Fortschritte ernsthaft in Frage.
Die Arbeitsgruppe der Alpenkonvention, welche zum Thema der gemeinsamen Umsetzung des Verkehrsprotokolls getagt hat, hat einen bestehenden Bericht über die Umsetzungsaktivitäten der Vertragsparteien aktualisiert und damit zum Erfahrungsaustausch beigetragen.

Alpenweites Indikatorensystem in Sicht
Seit einigen Jahren ist eine Arbeitsgruppe der Alpenkonvention damit beschäftigt, aus der Konvention und ihren Protokollen (Umwelt-)Qualitätsziele abzuleiten. Dieser Prozess ist nun abgeschlossen. Jetzt soll ein alpenweites Indikatorensystem erarbeitet werden, damit in einem Alpenzustandsbericht regelmässig Aussagen über den Zustand der Alpen gemacht werden können. Hier wird es besonders wichtig sein, bald für die Öffentlichkeit sichtbare Resultate vorzulegen.

Naturkatastrophen-Netzwerk entsteht zaghaft
Vor dem Hintergrund der immer deutlicher werdenden Zusammenhänge zwischen den Auswirkungen des Klimawandels und der Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen beabsichtigte der Vorsitz, Gefahrenabwehr und Vorbeugung wirksam zu verbessern. Das bescheidene Ziel, für die VIII. Alpenkonferenz im November 2004 eine politische Beschlussfassung zum Thema Naturkatastrophen vorzubereiten, mit der die konkrete Zusammenarbeit weiter intensiviert werden soll, wurde erreicht. Liechtenstein hat hier mit einer Tagung vorgespurt, die konkrete Vernetzungsarbeit wird aber frühestens im Jahr 2005 beginnen.

Kreative Ideen für nachhaltige Tourismusformen sind weiterhin selten
Der Vorsitz hat in Aussicht gestellt, kreative Ideen wie etwa einen Wettbewerb für nachhaltigen Tourismus anzuregen und zu fördern. Dies wäre in Anbetracht der Phantasielosigkeit und Rückwärtsgewandtheit gerade im Massentourismus ein sehr wichtiger Impuls und würde dazu dienen, die Alpenkonvention positiv sichtbar zu machen. Leider ist in dieser Sache bis anhin nichts geschehen.

Grenzüberschreitende Schutzgebiete im Alpenraum
Die Ausweisung von geeigneten Schutzgebieten im Alpenraum ist ein wichtiges Instrument zur Umsetzung der Konvention und insbesondere zur Erhaltung der einzigartigen Artenvielfalt in den Alpen. Der Vorsitz hat sich dafür eingesetzt, die bisherige Zusammenarbeit bei der Sicherung und beim Management von Schutzgebieten im Alpenraum auch grenzüberschreitend weiter zu vertiefen und die Ausweisung von grenzüberschreitenden Schutzgebieten voranzubringen. Dazu soll das Netzwerk Alpiner Schutzgebiete einen Vorschlag für ein Projekt ausarbeiten, in dem der Bestand des alpenweiten Netzes an Schutzgebieten und an Verbindungen zwischen den Schutzgebieten dargestellt sowie zweckmässige Ergänzungen der Verbindungen analysiert werden. Verschiedene Staaten und Gebietskörperschaften haben in Aussicht gestellt, ein solches Projekt finanziell zu unterstützen.

Bevölkerung und Kultur: Ein Flop
Das Thema "Bevölkerung und Kultur" wurde vom Vorsitz als wichtiger Bereich bezeichnet, bei dem ein baldiges Einverständnis darüber erzielt werden sollte, welche Aspekte durch die Konvention und die Protokolle noch nicht genügend erfasst sind und Gegenstand eines spezifischen Instruments der Alpenkonvention werden sollen. Der italienische Vorsitz der zuständigen Arbeitsgruppe hat die Arbeit behindert und erschwert. Dank dem Einsatz von Staaten und Beobachtern wurden trotzdem inhaltliche Schwerpunkte identifiziert, welche den Rahmen für ein Protokoll "Bevölkerung und Kultur" der Alpenkonvention abstecken könnten. Eine Mehrzahl der Staaten scheint aber der Auffassung zu sein, dass ein weniger verbindliches Instrument wie beispielsweise eine Deklaration zu erarbeiten sei. Die CIPRA hat verschiedentlich darauf hingewiesen, dass es ein sehr schlechtes Zeichen an die Bevölkerung im Alpenraum wäre, ausgerechnet im Bereich "Bevölkerung" eine schwächere Rechtsform zu wählen als bei den anderen Themen der Konvention. An der Erarbeitung einer Deklaration würde sich die CIPRA nicht beteiligen, weil eine solche rechtlich keinerlei Wirkung hat und nicht der Überprüfung der Umsetzung unterliegt.

Vernetzung mit anderen Bergregionen eingeleitet
Die internationale Vernetzung der Alpenkonvention mit anderen Bergregionen sollte einen weiteren Beitrag zur "Internationalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung in Bergregionen" leisten, die auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg im Jahr 2002 vereinbart wurde. Dazu haben verschiedene Vertragsparteien der Alpenkonvention und auch der deutsche Vorsitz Aktivitäten gesetzt, um die Zusammenarbeit mit den Bergregionen der Karpaten, des Kaukasus und Zentralasiens weiter auszubauen.

Verspätung beim mehrjährigen Arbeitsplan
Anlässlich der VIII. Alpenkonferenz soll erstmals ein mehrjähriger Arbeitsplan für die Alpenkonvention verabschiedet werden, welcher für die Umsetzungsaktivitäten konkrete Arbeitsziele, Massnahmen und Projekte vorgibt. Ein Entwurf für einen solchen Arbeitsplan wurde vom Ständigen Sekretariat für das Frühjahr 2004 versprochen. Er wurde aber erst Mitte August fertig gestellt und sollte Anfang September an einer Sitzung überarbeitet werden. Damit war es nicht möglich, den Entwurf in den Verbänden der Beobachter und in den Ministerien der Vertragsparteien gründlich zu diskutieren. Es ist zu hoffen, dass die Diskussion darüber bis zur Alpenkonferenz abgeschlossen werden kann. Damit würde die Alpenkonvention erstmals über einen längerfristigen Fahrplan mit konkreten Vorgaben verfügen.

Unterschiedliche Geschwindigkeiten gefährden den Erfolg
Dieser kurze Rückblick auf die letzten beiden Jahre zeigt eine gemischte Bilanz: In einigen Punkten ist die Alpenkonvention weiter gekommen. Wenn das Ständige Sekretariat den leider erst im letzten Halbjahr eingeschlagenen Kurs der professionellen Arbeit weiter verfolgt, wird das Sekretariat eine wichtige Stütze für die Umsetzung der Alpenkonvention sein. Gleichzeitig kann es dazu beitragen, die Alpenkonvention in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Sollten aber insbesondere Italien und die Schweiz ihr Spiel weiter spielen und einzelne Protokolle neu verhandeln wollen, so könnte dies zu einer Bruchlandung führen, bevor die Alpenkonvention wirklich abgehoben hat. Auch der Europäischen Union würde es gut anstehen, ein Zeichen in Richtung Europa der Regionen zu setzen und diese erste Konvention zur nachhaltigen Entwicklung einer ganzen Bergregion aktiv zu unterstützen.

Stand der Ratifizierung
Alle Protokolle ratifiziert haben Liechtenstein, Deutschland, Österreich und Slowenien.
Einen Teil der Protokolle ratifiziert haben Frankreich und Monaco.
Noch keine Protokolle ratifiziert haben die Schweiz, Italien und die Europäische Union.
Die Mehrheit der Protokolle sind von der Mehrheit der Vertragsparteien ratifiziert worden.
Stand: Ende August 2004. Aktuelle Informationen: www.cipra.org