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Regionalentwicklung im Chiemgau

15.05.2019
Am 06.06.2019 fand in Traunstein im Coworking-Space b1-connect@ die zweite Knotenpunkt-Veranstaltung statt. Diesmal war das Thema Regionalentwicklung und die entsprechenden Finanzierungsmöglichkeiten. Die Veranstaltung wurde in Zusammenarbeit mit der Hochschule Weihenstephan Triesdorf (HSWT) und der LAG Chiemgauer Alpen gestaltet und war sogleich der Abschluss einer Projektwoche von Studierenden des Masterstudiengangs „Regionalmanagement in Gebirgsräumen“ der HSWT. Neben den Studierenden, waren zahlreiche Akteure aus der Region, sowie Akteure, die entweder der Einladung von CIPRA, der LAG oder einem der anderen Partner (Alpenkonvention, Allianz in den Alpen, HSWT) folgten, anwesend.
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Regionalentwicklung ist ein sehr breites Thema und umfasst viele Teilbereiche, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung miteinander verknüpft werden. So ist das Thema Regionalentwicklung in der Theorie nur schwer greif- und diskutierbar. Aus diesem Grund wurden die Studierenden eingeladen die vorläufigen Ergebnisse ihrer Projektarbeiten vorzustellen. Anhand der Projekte, welche die Themen Landwirtschaft, Natur- und Kulturlandschaftspflege, Tourismus und Mobilität berühren, konnten sich die Teilnehmenden mit Ihrem Fachbereich einbringen und die Projekte, aber auch das Verständnis von Regionalentwicklung konkretisieren.

Meist sind solche Ideen in der Initiation und Umsetzung von Förderungen abhängig. Die Vielzahl an Töpfen und komplizierte Regularien machen es allerdings oft sehr schwierig den Durchblick zu behalten. Daher wurde im zweiten Teil ein anschaulicher Eindruck gegeben, wo und wie Ideen für eine lokale nachhaltige Entwicklung gefördert werden.

Studienprojekte

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Nach einer kurzen Begrüßung durch Uwe Roth von CIPRA Deutschland, Kolja Zimmermann von der LAG Chiemgauer Alpen und Stefanie Maier, einer Studentin der HSWT, stellten die Studierenden die Ergebnisse der Projektwoche vor. Es gab insgesamt drei Themen, die jeweils von einer Gruppe bearbeitet wurden:

  1. Nachhaltige Mobilität im Drei-Seen-Gebiet
  2. Almen und Bergsteigerdorf Sachrang
  3. Spitzensport im Chiemgau

Ziel der Projektwoche war es, Ideen und Konzepte für neue Projekte in der Region zu entwickeln, die auf den Meinungen von lokalen Akteuren und Experten basierten. Die Gruppen arbeiteten mit Fragebögen und Interviews, um das Wissen und die Meinungen zu den jeweiligen Themen zu bündeln.

Nachhaltige Mobilität im Drei-Seen-Gebiet

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Das Drei-Seen-Gebiet liegt innerhalb eines Naturschutzgebiets sowie direkt an der B305 zwischen Reit im Winkl und Ruhpolding und gilt als Erholungsort sowohl für Touristen als auch für Einheimische. Vor allem zu den Stoßzeiten sind die Auswirkungen von Besuchern, die primär mit dem eigenen PKW anreisen, zu spüren: Die Parkplätze sind überfüllt, vor dem Seegatterl oder neben der Straße als Wildparker stauen sich die Autos. Neben dem sinkenden Erholungswert im Gebiet, hat dies auch negative Auswirkungen auf die Ökosysteme vor Ort.

Durch die Befragungen fanden die Studierenden heraus, dass die Besucher vor allem aufgrund von Komfort, Direktheit und Zeit mit ihrem PKW anreisen und nicht beispielsweise mit dem ÖPNV. Aus den Experteninterviews kristallisierte sich heraus, dass in erster Linie der ÖPNV attraktiver gestaltet, das Parkraummanagement verbessert und die Besucher für diese Thematik sensibilisiert werden sollten. Wichtig ist, dass nicht nur einzelne Maßnahmen umgesetzt werden, sondern eine Kombination dieser. Bei unterschiedlichen Meinungen müssen Kompromisse gefunden werden. Zudem ist eine klare Zuständigkeit wichtig.

Konkrete Maßnahmen wären beispielsweise ein autofreier Aktionstag, ein Parkleitsystem, Park and Ride oder die Förderung von E-Bikes als Autoersatz sowie die dafür nötige Infrastruktur. Der ÖPNV muss billiger werden und braucht eine bessere Taktung. Damit diese Maßnahmen auch von den Touristen angenommen werden, ist das Marketing und die richtige Kommunikationsstrategie von Bedeutung.

Es gilt viele Herausforderungen zu meistern, wie beispielsweise die Regulierung von Spitzenzeiten und Besucherkapazitäten; jedoch gibt es auch viele Potentiale: Die Stärkung des Umweltbewusstseins und vor allem ein ursprünglicheres und schöneres Naturerlebnis.

Almen und Bergsteigerdorf Sachrang

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Die zweite Studierenden-Gruppe identifizierte drei Handlungsfelder für ein gemeinsames Angebot von Almen und dem Bergsteigerdorf Sachrang für Touristen und stellten jeweils Chancen und Risiken gegenüber.

Ein Handlungsfeld wäre, einfache Übernachtungsmöglichkeiten oder Gastronomie auf der Alm anzubieten. Vorteilhaft dabei wäre, dass die Bergbauern eine Nebeneinkunft gewinnen und ein nachhaltiger Tourismus (im Sinne der endogenen Potentiale) gestärkt werden würde. Jedoch ist die Akzeptanz von Touristen noch fraglich, die Bergbauern können sich leicht überlasten und die Anpassung von Infrastruktur (Sanitär, Sicherheit usw.) wäre sehr kostenintensiv.

Bei einer weiteren Idee würden die Touristen nicht auf der Alm selbst, sondern im Dorf übernachten. Im Rahmen der Ausstellung „Die Alm ins Dorf holen“ sind auch spezielle Übernachtungsmöglichkeiten für diesen Zweck denkbar. Dadurch fiele der kostenintensive Umbau der Alm weg, die Wertschöpfung bleibt im Dorf und die Lebensqualität könnte dort gesteigert werden. Allerdings spricht ein solches Angebot hauptsächlich Übernachtungsgäste an.

Ein Angebot für die physische Unterstützung der Bergbauern wäre Freiwilligenarbeit auf der Alm. Dies unterstützt die Sensibilisierung von Nachhaltigkeit und Regionalität bei den Besuchern und stellt eine Art des Bildungstourismus dar. Jedoch wäre dieses Angebot für die Almwirte durch die Einarbeitung der Freiwilligen zunächst sehr zeitintensiv.

Die Studierenden schlussfolgerten, dass für eine erste Ausarbeitung bzw. Umsetzung der Ideen ein Vermittler zwischen Angebot und Nachfrage notwendig wäre. Dieser müsste wohl zunächst durch Fördermittel unterstützt werden. Eine Zusammenarbeit mit regionalen und überregionalen Verbänden könnte dies initiativ ermöglichen. Ein Zusammenschluss der Almwirte zu einer Genossenschaft könnte eine andere Option sein, um Kräfte zu bündeln und Synergien zu nutzen und schließlich eine solche Stelle möglich zu machen.

Spitzensport im Chiemgau

Spitzensport, wie zum Beispiel Biathlon und Eisschnelllauf, sind von herausragender Bedeutung für das Chiemgau. Bei Ruhpolding und in Inzell stehen jeweils zwei Sport-Arenen, die als Trainingsgelände dienen und für die Austragung von Groß-Events im Winter genutzt werden. Jedoch wirkt dieses touristische Potential kaum in den Sommer und zudem werden die Arenen von einem Natura 2000 Gebiet umgeben, beziehungsweise grenzen an eines an.

Die Studierenden fanden anhand von Passanten-Befragungen in Ruhpolding und Inzell sowie Experteninterviews heraus, welche Handlungsoptionen es gibt, um den Spitzensport rund um die Arenen auch im Sommer präsenter werden zu lassen und eine nachhaltige Entwicklung des Angebots zu gewährleisten.  

Im Themenfeld „Tourismus“ können technische Möglichkeiten, wie z. B. Augmented Reality verwendet werden, um die Atmosphäre von Sportevents im Winter auch im Sommer sichtbar und erlebbar zu machen. Weitere einfache Möglichkeiten wären die Aufstellung von Infotafeln und Kunstobjekten, um eine gewisse Präsenz des Sports herzustellen.

Aufgrund ihrer Lage sind die Arenen ein optimaler Ort, um Touristen und Besucher für Naturschutz zu sensibilisieren und Umweltbildung zu betreiben. Hierzu können durchaus auch die Sportler*Innen eingebunden werden, welche sich in den Interviews aufgeschlossen zeigten.

Im Bereich „Inklusion“ könnten die Arenen sich beispielsweise als Paralympischer Bundestützpunkt bewerben oder Werbekampagnen von Spitzensportlern für Inklusion durchgeführt werden. 

Für eine Verbesserung der Verkehrssituation könnte der ÖPNV mittels Kooperationen gestärkt werden. Wie bereits in anderen Orten und Gemeinden, könnten preiswerte Kombi-Tickets für ÖPNV, inklusive Eintritt zu einer Veranstaltung, angeboten werden.

Der Vortrag zeigte deutlich, dass es zahlreiche Möglichkeiten gibt, den Spitzensport in der Region ganzjährig touristisch besser zu nutzen und gerade auch Umweltbildung damit zu koppeln. Einige der Vorschläge wären einfach und kostengünstig umzusetzen.

Die vorgestellten Themen stießen auf reges Interesse beim Publikum, so dass sogar nach offiziellem Ende der Veranstaltung die ein oder anderen Themen und Ideen noch weiterdiskutiert wurden.

Finanzierungsmöglichkeiten

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Nach einer kurzen Pause, stellte Kolja Zimmermann verschiedene Fördertöpfe vor, um genau solche Maßnahmen, wie sie von den Studierenden entwickelt wurden, finanziell möglich zu machen. Er ging dabei vor allem auf das LEADER Programm der EU ein und auch auf die verschiedenen Säulen von Interreg.

Das LEADER Programm dient der lokalen Entwicklung und ist als Bottom-Up Ansatz konzipiert. Innerhalb dieses Programms können Projekte ganz unterschiedlicher Themen realisiert werden, wichtig ist jedoch, dass die Projekte einen Mehrwert für die lokale Bevölkerung besitzen. Wie die allermeisten Förderprogramme steht LEADER im Ruf, einen hohen bürokratischen Aufwand mit sich zu bringen. Dabei unterstützen jedoch die sogenannten Lokalen Aktionsgruppen (LAG), die es inzwischen flächendeckend im bayerischen Alpenraum gibt.

Das Interreg Programm stammt ebenfalls von der EU und dient vor allem der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Es gibt drei verschiedene Ausrichtungen von Interreg:

  • Interreg A: Grenzübergreifende Zusammenarbeit (z.B. Österreich-Bayern)
  • Interreg B: Transnationale Zusammenarbeit (z.B. Alpenraumprogramm)
  • Interreg C: Interregionale Zusammenarbeit
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Interessant für das Publikum war vor allem, dass im Rahmen von Interreg A auch kleinere Projekte mit einem Fördermittel-Budget von unter 25.000 € gefördert werden können. Denn wie man bereits im ersten Teil der Veranstaltung sehen konnte, gibt es gerade in der Regionalentwicklung viele Maßnahmen, die einfach und mit einem geringen Budget umgesetzt werden könnten.

Kolja Zimmermann wies auch auf die Förderdatenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie hin, die einen schnellen und einfachen Überblick über die verschiedenen möglichen Fördermittel der EU, des Bundes und der Länder verschafft.

Zum Schluss gab es noch eine kurze Diskussionsrunde mit dem Publikum über eventuelle Projekte, die von LEADER oder auch Interreg gefördert werden könnten. Die Diskussion war sehr rege, so dass sich auch hier spannende Themen zum weiterdiskutieren beim Buffet am Ende ergaben.

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Partner

Die Veranstaltung wurde gefördert von Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium.

Unterstützt wurde die Veranstaltung ideell und organisatorisch vom Ständigen Sekretariat der Alpenkonvention, der LAG Chiemgauer Alpen und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

Informationen zum Ausgangspunkt der Veranstaltung finden Sie im Einladungsflyer.