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Trends

09.12.2015

Trend: Klimawandel

Der Klimawandel ist ein globales Phänomen, doch die Auswirkungen sind lokal spürbar. Die Alpen sind doppelt betroffen: Durch einen überdurchschnittlichen Ausstoss an klimaschädlichen Gasen und durch eine überdurchschnittliche Erwärmung.

Die Temperaturen steigen in den Alpen doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. Dies hat verschiedene Ursachen. Die Erwärmung über Landmassen ist generell grösser. In den Alpen kommen wegen der besonderen Topografie und geologischen Beschaffenheit weitere verstärkende Effekte hinzu. Problematisch sind vor allem Rückkoppelungseffekte: Je geringer und kürzer die Schnee- und Eisbedeckung, desto mehr erwärmt sich das schnee- und eisfreie Land, und desto schneller schmelzen wiederum Schnee und Eis.

Alpine Landschaft verändert sich

Die Veränderungen durch die Klimaerwärmung zeigen sich am deutlichsten an den Gletschern. In den vergangenen Jahrzehnten schrumpften viele Alpengletscher auf teilweise weniger als die Hälfte ihrer einstigen Ausdehnung. Bis Ende Jahrhundert könnten alle Alpengletscher – bis auf wenige Ausnahmen – abgeschmolzen sein. Die Folgen des Gletscher- und Permafrostrückgangs: vermehrte Hanginstabilitäten  wie Fels- und Bergstürze, in Kombination mit einer Zunahme der Starkniederschläge und Murgänge im Sommer.

Steigende Temperaturen haben auch Auswirkungen auf die immense biologische Vielfalt in den Alpen: Die Waldgrenze steigt, die Vegetationszonen verschieben sich nach Norden und nach oben. Die Verlierer sind Arten, die auf kühlere und hochalpine Lebensräume angewiesen sind. Rund 45 Prozent der alpinen Arten sind bis Ende des Jahrhunderts vom Aussterben bedroht.

Alpen sind Vorbild

Doch die Alpenbewohnerinnen und -bewohner sind nicht nur Leidtragende, sondern auch Verursacher der Klimaerwärmung. Sie verbrauchen pro Kopf etwa zehn Prozent mehr Energie als im europäischen Durchschnitt, dies hauptsächlich wegen der vergleichsweise längeren Verkehrswege und des regen Tourismus- und Freizeitverkehrs. Beim Verkehr ist denn auch der stärkste Zuwachs an Treibhausgasemissionen zu verzeichnen. Die zunehmende Mobilität wird das Problem weiter verschärfen.

Die landschaftlichen Veränderungen werfen die Frage auf, wie die Menschen in den Alpen ihr Verhältnis zur Natur gestalten. Sie müssen ihre Lebens- und Wirtschaftsweisen anpassen. Besonders gefordert durch steigende Temperaturen sind Waldwirtschaft, Landwirtschaft, Energieproduktion und Tourismus sowie durch drohende Umweltkatastrophen Verkehr und Besiedlung. Weitere wichtige Handlungsfelder sind soziale Innovation und Raumplanung.

Mag der Beitrag, den die rund 14 Millionen Alpenbewohnerinnen und -bewohner an die Reduktion des globalen CO2-Ausstosses leisten können, vergleichsweise klein sein, so ist er doch wesentlich: Die hoch entwickelte Gesellschaft in den Alpen ist ein Vorbild für viele andere Gebirgsregionen und zeichnet den Weg vor. Deshalb spielt sie eine Vorreiterrolle beim aktiven Klimaschutz.

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Trend: Zunehmende Mobilität

Die Menschen sind zwar nicht öfter, aber immer länger, weiter und schneller unterwegs. Und sie steigen immer öfter ins Auto. Der grösste Teil des Verkehrs in den Alpen ist hausgemacht. Auf Grund der räumlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ist der Anteil der Wege, die mit dem eigenen Auto bewältigt werden, grösser als ausserhalb.

In den letzten Jahrzehnten wurden allerorts kräftig Strassen gebaut und ausgebaut. Zusammen mit einer unzulänglichen Regulierung trug dies dazu bei, dass der individuelle motorisierte Personenverkehr überdurchschnittlich zunahm im Vergleich zum öffentlichen Verkehr. Das trifft sowohl auf den Kurz- als auch den Langstreckenverkehr zu. Gleichzeitig wird die Mobilität durch Staus wiederum eingeschränkt.

Tourismus bringt Mehrverkehr

Die Spezialisierung und Segmentierung der Wirtschaft bringt eine Verschiebung von Arbeitsplätzen vom Land in die Städte mit sich und führt so zu einem höheren Pendlerverkehr. Haushalte geben in gering besiedelten Alpenregionen etwa ein Drittel mehr für Verkehr aus als in dicht besiedelten. Der Abwanderungsdruck nimmt zu. Ob Strassenverkehrsprojekte indes zu einer besseren Wirtschaftsentwicklung in den Alpen führen, ist nicht bewiesen.

Viel Verkehr beschert den Alpen auch das Tourismus- und Freizeitverhalten: 84 Prozent der Urlaubsreisen werden mit dem eigenen Auto unternommen. Allerdings gibt es grosse Unterschiede zwischen den Alpenländern. Die Touristinnen und Touristen, aber auch die Einheimischen in der Schweiz etwa profitieren von einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetz. Doch alpenweit betrachtet nimmt das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln insbesondere in ländlichen Regionen eher ab. Zwar möchten alle Alpenstaaten den Bahnverkehr für Personen und Güter verbessern. Doch die Bemühungen konzentrieren sich mehrheitlich auf Hochgeschwindigkeitstrassen, während das Nebenstreckennetz vernachlässigt wird.

Belastung für Bevölkerung und Umwelt

Auch der alpenquerende Güterverkehr hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen; am Mont Cenis-Fréjus und Brenner hat er sich in den letzten zwei Jahrzehnten gar verdoppelt. Rund ein Drittel der Güter durch die Alpen wird per Bahn transportiert. Auch hier gibt es grosse Unterschiede zwischen den Alpenländern.

Zwar ist der Transitverkehr nur für einen kleinen Teil des Verkehrsaufkommens verantwortlich. Doch gerade entlang der Korridore stösst das Strassennetz an seine Grenzen, sowohl betreffend die Kapazitäten als auch die Umwelt-, Luft- und Lärmbelastung. Die NO2-Konzentrationen sind trotz technischer Fortschritte gleich geblieben oder haben zugenommen. Die Ozon-Grenzwerte werden in weiten Teilen der Alpen überschritten. 25 Prozent des Ausstosses an klimaschädlichen Treibhausgasen gehen zu Lasten des Verkehrs – Tendenz steigend.

Entscheidend für das Mobilitätsverhalten ist demnach die Frage, wie und wo wir wohnen und arbeiten und wie wir den Tourismus organisieren. Ein Schlüssel für die Regulierung des Verkehrs ist die Raumplanung.

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Trend: Segmentierung der Wirtschaft

Die Alpen waren auch wirtschaftlich schon immer Teil Europas. Früher sorgten Säumer für einen regen Austausch von Waren und Weltsichten zwischen Alpen und Umland. Heute lassen sich zunehmend spezialisierte Unternehmen an den Alpenrändern nieder – und mit ihnen eine mobile, hochqualifizierte Arbeitnehmerschaft. Die Wertschöpfungsketten und Arbeitswege werden immer länger.

Beliebt sind gewisse gut erschlossene Alpenregionen im Grossraum von Metropolen wie Genf oder München. Die Unternehmen sind oft multinational aufgestellt und im Dienstleistungssektor, in der Forschung oder in der Fertigung hochwertiger Produkte tätig. Manche nutzen die bergige Umgebung für ihre Markenstrategie. Die Verstädterung am Alpenrand bringt einen zunehmenden Landverbrauch, höhere Bodenpreise und eine rege Pendlermobilität mit sich. Gewisse Regionen am Alpenrand sind funktional enger verbunden mit ausseralpinen als mit inneralpinen Regionen. Damit sie im globalen Standortwettbewerb bestehen können, bauen sie ihre Infrastrukturen stetig aus.

Fortschritt verdrängt Tradition

Mit der Konzentration auf wissensintensive und wertschöpfungsstarke Branchen verlieren traditionelle Sektoren – die vorwiegend im ländlichen Raum und Berggebiet angesiedelt sind – an Bedeutung. Arbeitsplätze und traditionelle Fertigkeiten gehen verloren und damit auch ein Stück alpine Identität. Gleichzeitig sind authentische Produkte, Dienstleistungs- und Kulturangebote aus dem Alpenraum beim städtischen Publikum wieder hoch im Kurs.

Die Berglandwirtschaft ist vielerorts in ihrer Existenz bedroht. Schwierig zu bewirtschaftende Flächen in Hanglagen werden aufgegeben, die Bewirtschaftung leicht zugänglicher Flächen in Tallagen wird intensiviert – sofern die Flächen dem Siedlungsdruck standhalten. Die grossen, rationalisierten Landwirtschaftsbetriebe, die scheinbar gut für die Globalisierung gerüstet sind, sind teilweise Verursacher massiver Umweltprobleme. Auch viele Tourismusdestinationen setzen im globalen Wettbewerb auf Wachstum, Monokultur und Eventisierung – und damit die Grundlage des Tourismus, die vielfältige alpine Natur und Kultur, aufs Spiel.

Not macht erfinderisch

Die Alpenbewohnerinnen und -bewohner können diese globalen Trends kaum beeinflussen. Doch der Druck löst auch Innovation aus. Manche Bergbäuerinnen und Bergbauern veredeln und vermarkten ihre hochwertigen Produkte selber, bieten Ferien auf dem Bauernhof an, oder bringen ihr Handwerk den Touristinnen und Touristen in Schaukäsereien näher. Diese multifunktionale Wirtschaftsweise erfordert eine Anpassung der Bildungsangebote, nicht nur im Agrarbereich. Mehrere Berufe gleichzeitig auszuüben ist für die jüngeren Generationen heute selbstverständlich. Die zunehmende Digitalisierung bietet gerade für abgelegene Regionen neue Chancen.

Es zeigt sich, dass die Wirtschaftsentwicklung im Alpenraum, wie die Bevölkerungsentwicklung, heterogen und polarisiert ist. Mit der Spezialisierung und Segmentierung der Wirtschaft fehlt zunehmend auch der soziale Zusammenhalt. Gewisse branchen- und gesellschaftsübergreifende Handlungsfelder können den sozialen Zusammenhalt stärken, so das Verhältnis von Mensch und Natur, Tourismus, soziale Innovation, Wohnen und Arbeiten sowie Raumplanung.

Quellen und weitere Informationen:

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Trend: Demografischer Wandel

Zuwanderung und Abwanderung gab es schon immer in den Alpen. Was sich akzentuiert hat, sind die Unterschiede zwischen den Alpengebieten und die Heterogenität der Bewohnerinnen und Bewohner.

Die Bevölkerung wächst insgesamt, und zwar besonders im mittleren und nördlichen Teil der Alpen, während sie in den Ostalpen schrumpft. Gut 14 Millionen Menschen leben auf den rund 190‘000 Quadratkilometern (Stand 2013). Mit 75 Einwohnerinnen und Einwohnern pro Quadratkilometer gehören die Alpen zu den am dünnsten besiedelten Regionen Mitteleuropas, aber zu den am dichtesten besiedelten Bergregionen weltweit. Nur etwa 25 Prozent des Alpenraums ist dauerhaft besiedelt, weshalb die Siedlungsdichte dort entsprechend höher ist.

Grosse Unterschiede zwischen den Regionen

Das Wachstum ist grösstenteils auf Zuwanderung zurückzuführen. Besonders beliebt sind städtische Gebiete und solche entlang von Hauptverkehrsachsen. In abgelegenen Regionen – namentlich dort, wo es kaum Tourismus gibt – reicht die Zuwanderung nicht aus, um die Überalterung und den Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu kompensieren, so im Nordosten der österreichischen Alpen und in den italienischen Ostalpen.

Die demografischen Veränderungen haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, das soziale Gefüge, kulturelle Entwicklungen und die Anforderung an die Grundversorgung. Wo mehr ältere Menschen leben, ist wegen der längeren Lebenserwartung auch der Frauenanteil höher. Darüber hinaus ziehen Menschen im Ruhestand oft (wieder) in die Alpen. Die jungen Frauen, die früher in der Regel für die Kinder- und Altenbetreuung zuständig waren, arbeiten heute vermehrt auswärts. So stellt sich die Frage, wie der steigende Pflegebedarf abgedeckt werden kann.

«Rurale Renaissance»

Ein relativ neues Phänomen ist die Wohlstandsmigration: Junge, gut situierte Städterinnen und Städter suchen in den Alpen neue Lebensformen und tragen so zu einer Revitalisierung von abgelegenen Bergdörfern bei. Angefangen hat die «rurale Renaissance» in den Westalpen und breitete sich dann Richtung Osten aus. Viele dieser neuen Alpenbewohnerinnen und -bewohner arbeiten dank neuer Technologien zu Hause und pendeln zwischen mehreren Wohnsitzen. Das bringt Mehrverkehr in die Alpen.

Die Städterinnen und Städter treffen in den Alpen auf eine ansässige Landbevölkerung, auf betagte Rückkehrende, auf ausreisewillige junge Menschen. Gemeinsam gestalten sie ihren Lebensraum. Auswirkungen hat das insbesondere auf das Verhältnis von Mensch und Natur, den Tourismus, den Bereich Wohnen und Arbeiten, die Entstehung sozialer Innovation und die Raumplanung.

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Trend: Mediatisierung

Die Informationsflut, die Anzahl der Kanäle und Nutzer wachsen stetig. Alle können sich jederzeit überall einbringen. Die Demokratisierung der Information hat ihre Schattenseiten: Langfristig ausgerichtete Themen bleiben auf der Strecke, darunter solche der nachhaltigen Entwicklung.

Medien sind wichtige Akteure für den Meinungsbildungsprozess in Demokratien. Sie beeinflussen nicht nur die öffentliche Meinung, sondern auch das politische System. Dank des Internets können sich heute (theoretisch) alle am öffentlichen Diskurs beteiligen. Das Tempo der Informationsverbreitung nimmt zu, die Informationen vervielfältigen sich, die Quellen sind oft nicht mehr nachvollziehbar. In der Flut der Informationen interessieren sich die Leute in erster Linie für jene Dinge, die sie betreffen und/oder ihnen am nächsten liegen.

Betroffenheit aufzeigen

Die herkömmlichen Medien versuchen mitzuhalten. Sie orientieren sich an den Launen des Publikums und setzen so ihre Rolle als «vierte Macht» im Staat – nebst Legislative, Exekutive und Judikative – aufs Spiel. Die sensationelle Meldung, die sich gut als Geschichte erzählen und mit spektakulären Bildern illustrieren lässt, macht das Rennen. Dies führt zu einer Skandalisierung und Boulevardisierung der Information. Seltene Ereignisse haben grössere Chancen in die Medien zu kommen als häufige. Somit werden Randerscheinungen höher gewichtet als die Normalität. Zum Beispiel wird Umweltkatastrophen viel Platz eingeräumt, während schleichende Umweltentwicklungen wie der Klimawandel oder langfristige Lösungsstrategien wie nachhaltige Entwicklung nur schwerlich durchdringen.

Zwar hat sich die Nachhaltigkeitsdebatte in den Medien seit der Konferenz von Rio 1992 deutlich verstärkt. Insbesondere die gesellschaftliche Dimension von Nachhaltigkeit findet vermehrt Beachtung. Doch die öffentliche Kommunikation ist durchzogen von Erwartungen an das (freiwillige) individuelle Umwelthandeln. Höhere Ebenen wie die Politik oder die Wirtschaft werden selten adressiert. Gleichzeitig wird die persönliche Betroffenheit nicht genügend aufgezeigt, sodass die einzelnen Menschen die Verantwortung gerne an den Staat und die Unternehmen delegieren.

Meinungsvielfalt braucht Medienvielfalt

Generell wird eine «Amerikanisierung» der europäischen Mediensysteme festgestellt. Sie bringt eine Liberalisierung mit sich, die privatwirtschaftlichen Profit höher gewichtet als den Informationsauftrag. Unabhängigkeit und Vielfalt sind bedroht durch eine Medienkonzentration: Zeitung kauft Zeitung, Zeitung kauft Druckerei, Zeitung kauft Fernsehen, Zeitung kauft Online-Versandhandel in Dänemark, kauft Kaffeerösterei in Afrika, kauft egal was irgendwo – oder wird aufgekauft.

Die konstruierte Realität in der Medienberichterstattung prägt unsere Wahrnehmung und Meinung. Mit alpMonitor möchte die CIPRA die Lücken dazwischen füllen und so zur besseren Meinungsbildung beitragen. Im Fokus sind langfristige Entwicklungen und schleichende Veränderungen. Das Wissen darum ermöglicht, die wichtigen Fragen zu stellen in den für die Alpen zentralen Handlungsfeldern Mensch und Natur, Tourismus, Wohnen und Arbeiten, soziale Innovation und Raumplanung.

Quellen und weitere Informationen:

  • Bonfadelli, Heinz (2007): Nachhaltigkeit als Herausforderung für Medien und Journalismus. In: Birbaumer, Nadja / Kaufmann-Hayoz, Ruth (Hrsg.): Nachhaltigkeitsforschung – Perspektiven der Sozial- und Geisteswissenschaften. Bern, S. 255-279.
  • Michelsen, Gerd / Godemann, Jasmin (Hrsg.): Handbuch Nachhaltigkeitskommunikation. Grundlagen und Praxis. 2., aktual. u. überarb. Aufl. München.
  • Meier, Klaus (2007): Journalistik. Konstanz

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