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Seid Netz zueinander! - Kooperation und Vernetzung als Schlüssel zum Erfolg

20.03.2007 / Michael Gleich
Mehr als 40 Wissenschaftlerinnen, Planer und Praktikerinnen haben ein Jahr lang für "Zukunft in den Alpen" recherchiert und Wissen aus sieben Ländern zusammengetragen. Ihr Fazit: Die wichtigsten Strategien, um nachhaltige Entwicklungen voranzutreiben zu bewältigen, sind mehr Kooperation und engere Vernetzung.
Beobachter
Bild Legende:
Der Erfolg vieler Initiativen hängt oft von einigen wenigen Menschen ab, die sowohl gute Managerinnen oder Manager als auch weit vorausdenkende Visionäre sind. © CIPRA International
Die sechs Frageteams haben ihre Schlussfolgerungen in einem "Synthese-Report" zusammengefasst, der im Internet herunterladbar ist. Die ExpertInnen stellen Kriterien auf, die jeder beachten sollte, der nachhaltige Entwicklungen in den Alpen vorantreiben will. Die CIPRA ist überzeugt, dass die Ergebnisse der Studie den Schutz und die nachhaltige Entwicklung der Alpen voran bringen. Ein Schutz, der den Menschen und die Wirtschaft mit einbezieht.
Eines davon könnte man, mit dem Motto "Mehr Demokratie wagen" bezeichnen. Dazu gehört die Aufgabe, bei Planungen die betroffenen Interessengruppen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Die Herausforderung besteht darin, eine Wissenskluft zu schliessen: Zwischen dem, was die Öffentlichkeit über ein Problem weiss, und dem, was Stand von Wissenschaft und Forschung ist. Bei so komplexen Themen wie Mobilität oder Regionalwirtschaft ist diese Moderationsaufgabe besonders schwierig. Gerade deshalb muss man sich ihr stellen. Nur so ist gewährleistet, dass Beschlüsse wirklich nachhaltig im Sinne von "langfristig sinnvoll" sind.

Neue Netzwerke helfen beim Schritt nach vorne
Die Stärkung sozialer Netze war ein weiteres Augenmerk der Frageteams. Bei ihren Recherchen wurde deutlich, wie wichtig der Zusammenhalt innerhalb von Städten, Gemeinden und Nachbarschaften war, wenn es darum ging, Projekte anzugehen. Besonders erfolgreich sind solche Initiativen, die nicht nur örtlich Netzwerke knüpften, sondern sich auch mit interessanten Partnern ausserhalb der Region verbunden haben. Mit Wissensaustausch, wirtschaftlichen Beziehungen oder gegenseitiger politischer Unterstützung. Innovative Formen wie etwa das Private Public Partnership, bei dem Unternehmen, soziale Organisationen und staatliche Institutionen zusammenarbeiten, versprechen immer dann Erfolg, wenn man mit herkömmlichen Strategien nicht weiterkommt.
Ob beim Thema Regionale Wertschöpfung oder in Mobilitätsprojekten: Immer wieder stiessen die ExpertInnen bei der CIPRA-Studie auf die zentrale Bedeutung von geeigneten Führungspersönlichkeiten. Der Erfolg vieler Initiativen, so das Fazit, hängt oft von einigen wenigen Menschen ab, die sowohl gute Managerinnen oder Manager als auch weit vorausdenkende Visionäre sind. Wenn man sich nicht auf das Prinzip Zufall verlassen will, muss man hoffnungsvolle Führungstalente gezielt durch neue Bildungsangebote etwa im Bereich Management fördern.

Erhaltung öffentlicher Dienstleistungen für mehr Lebensqualität
Eines der grossen Zukunftsprobleme in den Alpen ist die Binnenwanderung: Die Ballungsgebiete werden weiter wachsen, weil Menschen vom Land oder aus dem Ausland zuwandern; dagegen werden ländliche Regionen stark ausdünnen und überaltern. Als Gegenstrategie sehen die CIPRA-ExpertInnen, dass Dienstleistungen der öffentlichen Hand in abgelegenen Gebieten verstärkt angeboten werden, und zwar in innovativen Formen, etwa indem sich Gemeinden zusammenschliessen und Dienste gemeinsam anbieten. Die Rolle von kleinen Städten und "regionalen Knoten" im grossen Netzwerk der Alpen werde oft unterschätzt. Deren Dienstleistungen und die Infrastruktur beleben die Wirtschaft in weitem Radius in den umliegenden Gemeinden und Siedlungen. Und erhöhen für die Menschen dort die Lebensqualität entscheidend.
Ein überraschendes Ergebnis der CIPRA-Studie bezieht sich auf den Verkehr: Entgegen der unermüdlich wiederholten Behauptung, dass mehr Strassen zu mehr Wirtschaftswachstum führen, kommen die ExpertInnen zu dem Schluss: "Die Qualität des Verkehrssystems und die Erreichbarkeit von Märkten ist nur ein Standortfaktor von vielen." Und nicht der wichtigste. Gerade in peripheren Regionen kann es passieren, dass der Ausbau der Strasseninfrastruktur zu negativen Konsequenzen wie Zerschneidung der Landschaft, Lärm- und Schadstoffbelastung führt, ohne dass die erwarteten positiven regionalwirtschaftlichen Effekte eintreten. Denn die peripheren Gebiete sind durch den Strassenausbau noch stärker der Konkurrenz mit den Ballungsgebieten ausgesetzt.

Verkehr vermeiden und Kooperationen stärken: zukünftige Herausforderungen
Unter der Rubrik "Künftige Herausforderungen" nennt die Studie Felder, auf denen für die Alpenregionen in den nächsten Jahrzehnten entscheidende Weichen gestellt werden:
o Mit den Alpen werben. Die Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten und touristischen Angeboten könnte verbessert werden, indem besondere "Label" auf die alpine Herkunft verweisen. Dabei sei es wichtig, Alleinstellungsmerkmale herauszuarbeiten, sprich: "Dieses Produkt gibt es in dieser Form nur von uns!"
o Neue Märkte erschliessen. Wenn die örtliche oder regionale Nachfrage schwächele, dann sollen Hersteller sich stärker auf die nationale oder internationale Nachfrage konzentrieren - und sich entsprechend ausserhalb der Alpen Partner suchen.
o Verkehr vermeiden. Langzeituntersuchungen sollen zeigen, ob bessere Verkehrswege und Erreichbarkeiten von Orten tatsächlich die Wirtschaftskraft einer Region stärken - und wie die Erfahrungen von Regionen genutzt werden können, die trotz geringer Erreichbarkeit eine positive wirtschaftliche Entwicklung aufweisen. Für die Sicherung der Mobilitätschancen aller Bevölkerungsgruppen braucht es innovative Lösungen und eine Raumordnung, die kurze Wege ermöglicht.
o Kooperationen stärken. In den Alpen gibt es immer noch Gemeinschaften, die sich einer demokratischen Beteiligung aller "Anspruchsgruppen" verweigern. Die Prinzipien von Partizipation und Vernetzung sollten jedoch in Zukunft das politische und wirtschaftliche Handeln leiten.

Die Ergebnisse der Studie sind für die CIPRA ein Ansporn, ihre Bemühungen noch zu verstärken, AkteurInnen alpenweit zu vernetzen. Beispielsweise tut sie dies mit "alpPerformance", wo das gesammelte Wissen aus "alpKnowhow" bereits in eigenständigen Folgeprojekten in die Tat umgesetzt wird (siehe Kasten). Der Bericht "Zukunft in den Alpen" zeige schliesslich, so Andreas Götz, "dass der Schutz der Alpen und die Schaffung von interessanten Arbeitsplätzen sich nicht ausschliessen".