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Energieeffizient Bauen –Bewährtes verbreiten und umsetzen

21.12.2007 / Felix Hahn
Passivhäuser und energieeffiziente Sanierungen stecken nicht mehr in der Experimentierphase. Trotzdem sind energieeffiziente Baumassnahmen noch längst nicht Standard, obwohl hier ein riesiges – und verhältnismässig kostengünstiges – CO2-Einsparpotenzial liegt. Die Kampagne climalp der CIPRA trägt mit einer Vielzahl regional angepasster Aktivitäten dazu bei, dass bewährte energiesparende Baukonzepte mehr Verbreitung finden und umgesetzt werden.
Passivhaus
Bild Legende:
Energieeffiziente Neubauten gewinnen an Boden – Vorarlberg/A nimmt hier eine Vorreiterrolle ein und setzt zugleich oft auf regionales Holz als Baustoff. © CIPRA International
In der Reduktion des Raumwärmebedarfs von Gebäuden durch Baumassnahmen steckt ein riesiges Potenzial, um CO2 einzusparen.

Haushalte sind Energieschleudern - Sparprogramm setzt beim Bauen an
Alleine die privaten Haushalte haben in den Alpenländern mit rund 30% einen gleich hohen Anteil am Endenergieverbrauch wie der gesamte Verkehrssektor. Den grössten Anteil im Haushalt nimmt dabei die Raumheizung mit über 70% ein, wobei vornehmlich Heizöl und Erdgas zur Wärmeproduktion eingesetzt werden. Wenn heute ökologisch und energetisch schlechte Häuser gebaut werden, dann hat dies Auswirkungen auf den Energieverbrauch und die Belastung des Klimas für viele Jahrzehnte.

Weniger CO2, weniger Kosten, mehr Komfort
Die EU diskutiert heute, bis 2020 die CO2-Emissionen gegenüber 1990 um 20 bis maximal 30 Prozent zu reduzieren. Gegenüber dem Kyoto-Abkommen mag dies ambitioniert wirken. Aber zumindest bezogen auf die Einsparmöglichkeiten im Gebäudebereich erscheinen die Ziele mager. Durch thermisch intelligente Sanierungen und Neubauten lassen sich verhältnismässig einfach 70 bis 90 Prozent der CO2-Emissionen einsparen, welche durch das Heizen verursacht werden.
Angesichts der ständig steigenden Kosten für Heizöl und Gas sprechen nicht nur Klimaschutzargumente für energieeffiziente Bauten, sondern sehr rasch auch finanzielle Überlegungen. Billiger und effizienter als im Gebäudebereich lassen sich vermutlich nirgends vergleichbare Mengen CO2 einsparen – dies unterstreichen auch der so genannte McKinsey-Bericht (Enkvist et al. 2007) sowie Empfehlungen der EU-Kommission. Und nicht zuletzt genügen Passivgebäude auch sehr hohen Komfortansprüchen (permanent frische Luft in allen Räumen, keine Staub- und Pollenbelastung, weniger Strassenlärm, keine Schadstoffkonzentrationen in Räumen etc.).
Dass Niedrigstenergiehäuser wie das Passivhaus nicht Science Fiction sind, sondern auch wirklich funktionieren, zeigen tausende von Beispielen. Alleine in Österreich stehen heute fast 2.000 Passivhäuser, welche in den letzten rund zehn Jahren errichtet wurden – Tendenz markant steigend.
Das Passivhaus-Konzept ist zudem nicht an eine bestimmte Nutzung oder an einen Gebäudetyp gebunden. Es gibt moderne wie traditionelle Bauten als Passivhäuser, Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser, Schulen, Verwaltungsgebäude, Gewerbehallen oder Kirchen. Das Konzept ist denkbar einfach: Minimierung der Wärmeverluste bei gleichzeitiger Maximierung der solaren Gewinne­.

climalp – Aktivitäten zwischen Nizza und Wien bis in alpine Höhen
Heute finden sich die allermeisten Niedrigstenergie-Gebäude im deutschsprachigen Raum. Die Sprachgrenzen stellen noch immer eine grosse Hürde für die Ausbreitung von Niedrigstenergie-Konzepten dar und bisher hat sich im französisch-, italienisch- und slowenischsprachigen Alpenraum erst relativ wenig bewegt, um die Energieeffizienz im Gebäudebereich zu steigern. Aber sogar in Vorarlberg, der Region mit der wohl höchsten Dichte an Passivhäusern im Alpenraum, wohnt oder arbeitet prozentual gesehen erst eine verschwindende Minderheit an Menschen in Niedrigst-energiehäusern. Rund ein Promille der Wohneinheiten entspricht in Vorarlberg heute dem Passivhaus-Standard. Es existiert folglich auch in den fortschrittlichsten Regionen noch ein sehr grosses Energiespar-Potenzial im Gebäudebereich.
Die CIPRA engagiert sich mit der Kampagne climalp seit über drei Jahren alpenweit für die Förderung energieeffizienter Häuser aus regionalem Holz. Dabei nimmt sie auf die unterschiedlichen Ausgangslagen und die vielfältigen kulturellen Rahmenbedingungen in den verschiedenen alpinen Regionen Rücksicht. Dementsprechend vielfältig sind die climalp-Aktivitäten: Mittels Veranstaltungen, Ausstellungen, Exkursionen, Publikationen und einer Homepage (www.cipra.org/climalp) vernetzt die CIPRA Menschen und Wissen im ganzen Alpenraum. Die vertiefte Zusammenarbeit mit einzelnen so genannten Modellregionen oder das Ausschreiben eines Wettbewerbs für Passivhäuser aus regionalen Baustoffen sind weitere climalp-Aktivitäten.­
Aktuell fokussiert climalp speziell auf Bauten in grosser Höhe wie beispielsweise alpine Schutzhütten. Denn wo viel und aufwändig (das heisst auch teuer) geheizt werden muss, da ist das Einsparpotenzial am grössten. Zudem sind dank intensiver Einstrahlung und nebelarmer Lage kaum woanders in Mitteleuropa die Möglichkeiten der passiven wie aktiven Sonnenenergie-Nutzung grösser als im Hochgebirge. Die 2005 errichtete Touristenunterkunft Schiestlhaus in der Steiermark zeigt, dass sich das Passivhaus-Konzept auch in hochalpinen Lagen umsetzen lässt.
climalp fördert aber nicht nur die Verbreitung von Niedrigstenergie-Gebäuden im Generellen, sondern spezifisch auch die Verwendung von regionalem Holz als Baustoff. Einerseits hat regionales Holz einen sehr geringen Gehalt an grauer Energie und andererseits hat dessen Verwendung nicht zu vernachlässigende positive Auswirkungen auf die Regionalwirtschaft – so können regionale Arbeitsplätze geschaffen und die regionale Wertschöpfung gesteigert werden.

Passivhäuser – nicht die Ausnahme sondern die Regel?
Welche CO2-Einsparungen könnten erzielt werden, wenn in den Alpen zukünftig verstärkt Anstrengungen im Bereich energieeffizientes Bauen und Sanieren unternommen würden? Dieser Frage soll hier mittels eines Neubau- sowie eines Sanierungsszenarios nachgegangen werden. Der Einfachheit halber liegt der Fokus dabei jeweils auf dem Wohnbaubereich: In den Alpen gibt es schätzungsweise 5,5 Mio. Wohnungen (Stand 2004). Im Nicht-Wohnbau gibt es natürlich ebenfalls ein beträchtliches Potenzial zur CO2-Einsparung.
Für das Szenario «Neubau» galten folgende Annahmen: Die Neubaurate beträgt rund 1%, d.h. es werden jährlich alpenweit ca. 55.000 neue Wohnungen gebaut. Eine durchschnittliche Wohnung ist 100 m2 gross. Passivhäuser benötigen maximal 15 kWh/m2a an Heiz-energie, welche klimaneutral mit Holz erzeugt wird, konventionelle Neubauten hingegen weisen einen Heizenergie-bedarf von 100 kWh/m2a auf, welcher mit Erdgas oder Heizöl gedeckt wird.
Werden ein Jahr lang nur noch Passivhäuser an Stelle von konventionellen Neubauten errichtet, so spart dies jährlich 15.000 Tonnen CO2. Nach fünf Jahren Bautätigkeit sind es jährlich danach bereits 75.000 Tonnen CO2, welche dank des nicht verheizten Öls und Gases eingespart werden. Dies entspricht den jährlichen CO2-Emissionen einer durchschnittlichen europäischen Stadt mit 90.000 EinwohnerInnen.
Beim Szenario «Sanierungen», wenn an Stelle von konventionellen Sanierungen ohne Einfluss auf die Energieeffizienz der Gebäude nur noch energetisch intelligente Sanierungen vorgenommen werden, ist das CO2-Einsparpotenzial sogar noch deutlich grösser als beim Neubauszenario. Gestützt auf die Annahmen, dass Altbau-Wohnungen mit einer durchschnittlichen Grösse von 100 m2 vor der Sanierung einen durchschnittlichen Heizenergiebedarf von 220 kWh/m2a aufweisen (gedeckt mit Öl und Gas), nach der Sanierung jedoch nur noch 60 kWh/m2a (gedeckt durch Holz) benötigen, lässt sich das CO2-Einsparpotenzial abschätzen.
Bei einer aktuellen Sanierungsrate von 1% können jährlich durch energetisch intelligente Sanierungen rund 320.000 Tonnen CO2 vermieden werden. Nach fünf Jahren Sanierung macht dies jährlich bereits 1,6 Millionen Tonnen CO2-Ersparnis. Und würde die Sanierungsrate auf angenommene 4% gesteigert, so liessen sich nach fünf Jahren bereits rund 6,5 Millionen Tonnen CO2-Emissionen jährlich vermeiden – dies entspricht annähernd dem jährlichen CO2-Ausstoss einer Stadt von der Grösse Turins mit ca. 900.000 EinwohnerInnen.
Die genauen Berechnungen finden sich im climalp-Report der CIPRA (www.cipra.org/climalp).

Riesiges Potenzial – ungenügende Baustandards
Während bei der Fahrzeugindustrie der Schritt vom 12-Liter-Auto zum marktfähigen 1-Liter-Auto bei gleichem Komfort und gleicher Leistung noch in weiter Ferne ist, wurde ein vergleichbarer Entwicklungsschritt beim Hausbau bereits vollzogen. Altbauten benötigen 15 bis 25 Liter Heizöl-Äquivalent pro Quadratmeter und Jahr an Heizenergie, so genannte Passivhäuser brauchen noch maximal 1,5 Liter!
Aber obwohl heute unzählige erfolgreiche Beispiele energieeffizienter Neubauten und Sanierungen existieren und das riesige CO2-Potenzial im Gebäudebereich belegen, sind die heutigen Baustandards bezüglich Energieeffizienz zumeist noch absolut ungenügend. Zwar fördern einzelne deutschsprachige Regionen im Alpenraum energiesparende Baumassnahmen massiv und können schöne Erfolge vorweisen, aber es bleibt auch hier noch sehr viel zu tun. Es gilt, von den Besten zu lernen und das Wissen im energiesparenden Bauen im ganzen Alpenraum zu verbreiten und dessen Umsetzung überall zu fördern.
Das grösste Energiesparpotenzial liegt bei den Sanierungen, weshalb die Sanierungsrate im Sinne des Klimaschutzes gesteigert werden sollte. Durch thermisch optimale Sanierungen und eine erhöhte Sanierungsrate lassen sich zudem sehr viele Arbeitsplätze schaffen was die heimische Wirtschaft ankurbelt. Bei Neubauten muss maximale Energieeffizienz selbstverständlich Standard sein.
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