CIPRA Vertretungen:

Benutzerspezifische Werkzeuge

  Suchfilter  

Weiterführende Informationen

News

Pestizid-Prozess eröffnet

13.11.2020 / alpMedia
Kritik an Pestiziden unerwünscht: Ein Südtiroler Landesrat hat zusammen mit über 1300 LandwirtInnen Pestizid-Kritiker wegen übler Nachrede angezeigt.
Bild Legende:
Prozessauftakt in Bozen/I: Für das Umweltinstitut München sind die Klagen ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. (c) Jörg Farys, Umweltinstitut

Mit einer provokativen Kampagne hatte das Umweltinstitut München 2017 den massiven Einsatz von Pestiziden auf Südtiroler Apfelfeldern angeprangert. Internationale Aufmerksamkeit erregte die Gemeinde Mals, als sie mit Hilfe einer BürgerInnen-Abstimmung den Einsatz giftiger Spritzmittel gänzlich verbieten wollte. Diese Geschichte hat der Autor Alexander Schiebel in seinem Buch «Das Wunder von Mals» verarbeitet. Darin kritisiert er die Obstwirtschaft und deren Gifteinsatz scharf. Nun hat Arnold Schuler, Landesrat für Landwirtschaft, gemeinsam mit über 1300 LandwirtInnen Anzeige gegen den Autor sowie VertreterInnen des Oekum Verlags und des Umweltinstituts erstattet. Die Kritik sei üble Nachrede und soll der Südtiroler Landwirtschaft geschadet haben.

Klage mit Folgen

Südtirol produziert rund zehn Prozent aller Äpfel in der EU – intensive Landwirtschaft und der Einsatz von Pestiziden machen es möglich. Doch die Pestizide lagern sich auch in der Umgebung der Felder ab und der Wind verteilt sie bis über die Grenze. Zum Beispiel bis zu 14 Kilometer weit in das Schweizer Val Müstair, wie der Kanton Graubünden 2020 belegte. Oder auf Kinderspielplätze, wie eine von CIPRA Südtirol beauftragte Studie 2017 nachwies. Für Andreas Riedl, Geschäftsführer von CIPRA Südtirol, ist das Vorgehen des Landesrats unverständlich: «Der wahre Image-Schaden für die Südtiroler Obstwirtschaft ist die völlig überzogene Reaktion des klagenden Landesrates und der Bauernschaft. Das Ziel sollte sein, die Landwirtschaft weiterzuentwickeln und nachhaltiger zu gestalten anstatt sich in persönlichen Streitigkeiten zu verlieren.»

Gut 200‘000 Menschen und über 100 Organisationen aus dem Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutz solidarisierten sich mit den Angeklagten. Kurz vor dem Prozessauftakt kündigte Landesrat Schuler an, die Anzeige zurückzunehmen. Trotzdem startete die Verhandlung Mitte September in Bozen/I, da die Einwilligung der MitklägerInnen fehlte. Die Staatsanwaltschaft verfügte ausserdem, dass die Betriebshefte der beteiligten LandwirtInnen eingezogen werden. Darin sind die genauen Pestizidmengen festgehalten, die sie auf ihren Feldern versprühen. Da sich die Pestizid-Kritiker weigern, dieses einmalige Datenmaterial geheim zu halten, relativierte der Landesrat jedoch jüngst wieder seine Ankündigung, die Klage fallen lassen zu wollen.

 

Quellen und weiterführende Informationen:

www.zdf.de/politik/frontal-21/pestizid-streit-um-aepfel-in-suedtirol-100.html#xtor=CS5-91, www.suedtirolnews.it/politik/strafprozess-wegen-kritik-an-pestiziden-in-suedtirol, www.tageszeitung.it/2020/09/14/schuler-zieht-klage-zurueck/, www.salto.bz/de/article/30092020/unmoralisches-angebot, www.oekom.de/beitrag/pestizidprozess-landesrat-schuler-muss-angriff-auf-die-meinungsfreiheit-endlich-beenden-149?p=1, www.vglobale.it/2020/09/15/il-processo-a-bolzano-di-chi-critica-luso-di-pesticidi/ (it), www.slowfood.it/pesticidi-in-alto-adige-slow-food-esprime-solidarieta-con-attivisti-querelati/ (it)