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Wirkungsvoller über Klimaschutz sprechen

26.08.2021 / Maya Mathias, CIPRA International
Persönlich, dringend, nah: Erkenntnisse aus der Psychologie zeigen, wie wir besser über die Klimakrise kommunizieren können.
Bild Legende:
Öfter Fahrrad fahren und öffentliche Verkehrsmittel nutzen, möglichst regional einkaufen und Ökostrom beziehen: Das Verhalten von Menschen im eigenen sozialen Umfeld und gezielte Kommunikation fördern umweltfreundliches Verhalten. © Jenni Kuck

Klimawandel, Klimakrise, Klimanotstand: Die Art und Weise wie wir über Klimaschutz reden, beeinflusst unsere Wahrnehmung und unser Verhalten. Doch Fakten und Informationen führen nicht automatisch zu neuem Handeln. Damit die Menschen ihr Umweltverhalten überdenken und ändern, spielen auch psychologische Faktoren eine Rolle. Die Psychologie als Lehre vom menschlichen Erleben und Handeln kann einen wichtigen Beitrag für die Nachhaltigkeit leisten. Die Umweltpsychologie betrachtet das Denken, Fühlen und Handeln des Individuums in Bezug zur Umwelt und erforscht die Interaktionen zwischen Menschen und Umwelt.

Gehirnfreundlich kommunizieren

Wie bringt man Menschen dazu, sich an der Lösung der Klimakrise zu beteiligen? Bei einer Online-Konferenz der CIPRA zur Klimakommunikation im Sommer 2020 verdeutlichte der norwegische Umweltpsychologe Per Espen Stoknes, was zwischen der Kommunikation und dem Handeln steht: «Unser grösstes Hindernis ist etwa 15 Zentimeter dick und befindet sich zwischen unseren Ohren». Der Wissenschaftler vom Zentrum für grünes Wachstum der Norwegischen Business School in Oslo meinte damit unser Gehirn und psychologische Barrieren, die wir bei der Kommunikation über den Klimawandel überwinden müssen: Distanz, Unheil und Dissonanz.

Distanz: Der Mensch als soziales Wesen

Nachrichten über den Klimawandel fühlen sich sehr oft weit weg an – die psychologische Distanz ist gross. Einerseits gibt es einen grossen zeitlichen Abstand, Klimaziele formulieren wir für die nächsten 30 Jahre. Die stärksten Auswirkungen des Klimawandels spüren wir selten vor Ort, schmelzende Gletscher hoch in den Bergen sind meist weit weg vom alltäglichen Leben. Hinzu kommt eine grosse Abstraktion: CO2 können wir weder sehen, riechen, noch fühlen. Um diese räumliche, zeitliche und abstrakte Distanz zu überwinden, ist es wichtig die Verhaltensänderung zu einer persönlichen Sache zu machen. Die Kommunikation sollte daher nahe und dringende Argumente einbauen. Der Mensch ist ein soziales Wesen und hält sich an Normen, um in der Gruppe akzeptiert zu werden. Soziale Normen sind geteilte Regeln, Standards und Erwartungen, die vorgeben, wie man sich in einer Situation verhalten soll oder wie nicht. Umweltschädliche, Normen wie «80 Prozent der PendlerInnen fahren mit dem eigenen Auto zur Arbeit» zu kommunizieren, ist deshalb kontraproduktiv. Um Verhalten zu ändern, können umweltfreundliche Normen durch die Kommunikation betont werden. Der soziale Vergleich mit Menschen aus dem eigenen Umfeld wie Freunde, Familie und Nachbarn ist dabei besonders wirkungsvoll.

Unheil: Müde von der ewig drohenden Katastrophe

Bergstürze, Dürren, Überschwemmungen: Die Bilder und die Sprache zum Klimawandel verkünden meist Unheil und Katastrophen. Diese generieren am Anfang zwar mehr Aufmerksamkeit, zeigen aber keine Lösungen auf. Als Folge fühlt sich der Mensch hilf- und machtlos, er kann scheinbar nichts an diesen übermächtigen Katastrophen ändern. Die ständige Wiederholung dieser Szenarien führt dazu, dass die Leute emotional abstumpfen, das Thema vermeiden oder den Überbringer der Nachrichten abwerten. Daher ist es hilfreicher, den Klimawandel auch in einem unterstützenden, positiven Rahmen zu präsentieren. Zum Beispiel könnte die Kommunikation die Zusammenhänge mit Gesundheit, Lebensqualität oder neuen Arbeitsplätzen aufzeigen und die Vorteile umweltfreundlichen Verhaltens betonen.

Dissonanz: Handlungsalternativen aufzeigen

Wenn unsere Einstellung dem eigenen Verhalten widerspricht, entsteht ein innerer Konflikt. Eine Person nimmt sich zum Beispiel als umweltfreundlicher Mensch wahr, gleichzeitig fliegt sie in den Urlaub. Wird die Person mit Informationen konfrontiert, die ihr diesen Widerspruch bewusst machen, entsteht ein unangenehmer Spannungszustand. Die einfachste Methode, um diese Spannung zu lösen, sind Rechtfertigungen und Ausreden. Denn unsere Einstellungen ändern wir nicht so schnell, und Verhaltensänderung ist oft mit viel Aufwand verbunden. Aus diesem Grund reicht es nicht, eine Person mit den negativen Folgen ihres Umweltverhaltens zu konfrontieren. Man muss ihr auch einfachere und überzeugendere Handlungsalternativen aufzeigen.

Diese Erkenntnisse aus der Umweltpsychologie bieten Strategien für eine wirkungsvollere Klimakommunikation. Nun gilt es, diese anzuwenden und neue, kreativere Wege und Worte in der Klimadebatte zu finden.

> Literaturhinweis: Stoknes, Per Espen (2014): Rethinking climate communications and the “psychological climate paradox”. In: Energy Research & Social Science 1, S. 161–170.

Konferenz zu Klimakommunikation

Wie können wir wirkungsvoller und kreativer über Klimathemen diskutieren? Dieser Frage widmete sich die Online-Konferenz «Ohren spitzen, Geschichten erzählen, Kontakte knüpfen» im Sommer 2020, organisiert von der «Alpinen Partnerschaft für lokale Klimaaktionen» (ALPACA). Städte, Gemeinden und Netzwerkorganisationen setzen sich mit Alpaca gemeinsam für mehr Klimaschutz ein. CIPRA International, «Allianz in den Alpen» und «Alpenstadt des Jahres» begleiten die Initiative. Die ALPACA-Online-Konferenz wurde ermöglicht durch die Unterstützung des deutschen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, das österreichische Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sowie die Autonome Provinz Bozen – Südtirol.

www.cipra.org/de/alpaca