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Lyon-Turin: Güter auf der Schiene ausgebremst

13.11.2013 / alpMedia
Kurz vor dem französisch-italienischen Gipfeltreffen Ende November stimmt die Nationalversammlung erneut für den Bau der Hochgeschwindigkeitsbahn Lyon-Turin. Wie Frankreich die Verlagerung der Güter auf die Schiene und die Modernisierung der bestehenden Bahnlinien ausbremst.
Bild Legende:
Weichenstellung in Frankreich: Lyon-Turin verhindert die rasche Verlagerung der Güter auf die Schiene. © tobyc75 / wikicommons
Frankreich und Italien haben 2001 einen Vertrag über den Bau eines Basistunnels geschlossen, der Personen und Güter schneller von Lyon nach Turin bringen soll. Am 31. Oktober 2013 hat das französische Parlament nun einer Änderung dieses Vertrags zugestimmt, bevor die Staatschefs am 20. November auf einem weiteren bilateralen Gipfel über das rund 26 Milliarden teure Projekt diskutieren. Abgeordnete der grünen Fraktion und Organisationen, die sich für die Verlagerung der Güter auf die Schiene stark machen, sprechen von einer verkehrten Verkehrspolitik.

Welches Geld für welche Projekte?
Die Änderung des Vertrags regelt neu, wer wie viel für die gemeinsame Infrastruktur bezahlt. Unklar ist, woher die Gelder wirklich kommen. Weil sich Rom den Bau der südlichen Zulaufstrecken zum Gotthard-Basistunnel nicht leisten kann, hat die Schweiz kürzlich angekündigt, Italien finanziell unter die Arme zu greifen. Frankreich hat hingegen Ende Oktober die geplante Ökosteuer für Lastwagen auf unbestimmte Zeit aufgehoben. Dabei hätte die "écotaxe" pro Jahr eine Milliarde Euro gebracht.
Italien und Frankreich müssen bis Anfang 2014 belegen, dass sie 60 Prozent des rund 8,5 Milliarden teuren Basistunnels selbst finanzieren können. Nur dann zahlt Brüssel den Fehlbetrag. Diese Fokussierung auf "Lyon-Turin" würde dazu führen, so der französische Rechnungshof 2012, dass kein Geld für die Modernisierung bestehender Strecken bleibe, weder für den Güter- noch für den Personenverkehr. Französische VerkehrsexpertInnen fügen hinzu: Solange "Lyon-Turin" auf der Agenda stehe - die Fertigstellung ist zwischen 2030 und 2050 geplant -, gebe es keine Alternative für die Verkehrsverlagerung.

Lyon-Turin wird zur Priorität, der Regionalverkehr muss warten
Die Infrastrukturpolitik auf der französischen und der italienischen Seite wird nicht nur finanziell durch "Lyon-Turin" bestimmt. Mit der Änderung des Vertrags sind auch die Zulaufstrecken Teil des Projekts. Sie werden damit neu von jenem italienisch-französischen Staatsunternehmen verwaltet, das auch den Basis-Tunnel bauen soll. Das heisst, sämtliche Strecken in der Region werden "Lyon-Turin" und seinem Zeitplan untergeordnet. Zum Beispiel kann die eingleisige Strecke zwischen Lyon und Chambéry nicht verdoppelt werden, weil das Projekt eine ganz neue und vier Milliarden Euro teure Linie vorsieht. Eine kohärente Verkehrspolitik zur Verlagerung der Güter auf die Schiene sähe anders aus, so KritikerInnen des Projekts. Die bestehende Linie zwischen Lyon und Turin wurde für eine Milliarde Euro modernisiert und hätte ausreichende Kapazitäten. "Wir müssen zuerst diese Strecken nutzen, dann die Verkehrsströme durch die Alpen als Ganzes anschauen, politische Rahmenbedingungen schaffen, wie eine Steuer oder eine Transitbörse, und die Gelder dort einsetzen, wo kleine Massnahmen viel bewirken."
Quelle und weitere Informationen: www.ledauphine.com/savoie/2013/10/22 (fr), www.assemblee-nationale.fr/14/cri/2013-2014 (fr), http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-948_de, www.service-public.fr (fr), www.euractiv.fr/transport (fr), www.ccomptes.fr/fr/content/download/1825 (fr)