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Was Innovationen erfolgreich macht

22.09.2008 / Wolfgang Pfefferkorn
Im Mittelpunkt des dritten Blocks der Alpenwoche 2008 standen aktuelle Innovationsthemen und Fragen: Welche Mechanismen kennzeichnen Innovationsprozesse aus? Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es? Mit welchen Herausforderungen müssen Innovationsprozesse umgehen?
Mobilitätsmanagement
Bild Legende:
Es braucht Menschen, die offen sind zu lernen und die bereit sind zu erkennen, dass Dinge auch anders gemacht werden können als bisher. Franz Killmeyer / Zeitenspiegel
Ob auf der Gemeinde- oder internationaler Ebene, sei es im Bereich Landwirtschaft, Biodiversität oder Wirtschaft - es gibt einige vorbildliche Beispiele nachhaltiger Innovationen, aus denen man sowohl Erfolgsfaktoren als auch die Herausforderungen erkennen kann.

Die Innovativsten zeigen, wie es geht
Im Achental zwischen Chiemsee/Bayern und Kaisergebirge/ Tirol haben sich seit 2000 zehn Gemeinden aus Deutschland und Österreich zum Verein "Ökomodell Achental" zusammengeschlossen, um die Qualität des Lebensraums grenzüberschreitend durch vernetztes Denken und gemeinsames Handeln dauerhaft zu erhalten. Die Vermarktung bäuerlicher Produkte und gezielte Landschaftspflegemassnahmen haben zu einer Stabiliserung der Landwirtschaft beigetragen. Knapp 50 % der Betriebe arbeiten nach ökologischen Grundsätzen. Auch die Bevölkerung ist über Initiativkreise und Umweltbildungsprojekte in die Gestaltung der Region eingebunden.
In einem anderen Bereich bereiten vier Organisationen; CIPRA, ALPARC, ISCAR und der WWF ein Projekt für einen ökologischen Verbund über die ganzen Alpen und darüber hinaus vor. Das von der MAVA Stiftung finanzierte Projekt soll den Austausch und die Wanderung von Tieren und Pflanzen zwischen den Schutzgebieten dauerhaft erleichtern. Die Projektpartner arbeiten im Rahmen der neu eingerichteten Plattform "Ökologischer Verbund" der Alpenkonvention eng mit den Alpenstaaten zusammen.
Im Raum Grenoble werden die Gründung und die Start-Up Phase von neuen Unternehmen im Rahmen der Initiativen "GRAIN": Grenoble Alps Incubation und "PETALE": Pépinière Technologique Alpine d´Entreprises systematisch unterstützt.
Während GRAIN die Jungunternehmen beim Ausarbeiten von Marketingstrategien ect. unterstützt, bietet PETALE Hilfe bei der Suche nach Kooperationspartner oder Finanzierungsmöglichkeiten.

Erfolgsfaktoren Mensch und sozialer Kitt
Was können wir aus diesen Beispielen über das Thema Innovation im Alpenraum lernen? Für Claudia Irlacher, die Geschäftsführerin des Ökomodells Achental, steht der Aspekt der Einbindung im Vordergrund: Durch die Mitarbeit der Bevölkerung am regionalen Entwicklungsprozess kann einerseits das vielfältige Wissen der Menschen mobilisiert werden, andererseits steigt die Akzeptanz in der Region.
Der Prozess braucht einen "sozialen Kitt", der durch Märkte, Feste und andere Veranstaltungen entsteht. Nachhaltige Entwicklung ist kein "Verzichtprogramm", das mit erhobenem Zeigefinger von oben verordnet wird, es macht auch Spass.
Neben dem Bewusstsein für breite, verbindende Aktionen soll auch dem Individuum die nötige Aufmerksamkeit geschenkt werden, etwa im Rahmen von Einzelberatungen für landwirtschaftliche Betriebe.

Erfolgsfaktor Organisation und Zusammenarbeit
Wenn jemand eine Innovation schaffen will, braucht er oder sie Verbündete, zuverlässige PartnerInnen. Vertrauen ist eine Grundvoraussetzung für gute Zusammenarbeit.
Man hat im Achental erkannt, dass die professionellen Strukturen ein sehr wichtiger Aspekt sind: Kooperation braucht ExpertInnen, die den Prozess des Aufeinander-Zugehens, des Zusammenarbeitens organisieren und begleiten. Das ist eine anspruchsvolle Tätigkeit, die viel Fingerspitzengefühl erfordert und oftmals unterschätzt wird.
Mittlerweile hat sich auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass nicht jeder alles machen muss. Wenn Gemeinden kooperieren, können sie sich Aufgaben teilen, Kosten einsparen und voneinander profitieren. Das Vertrauen, das durch die gute Zusammenarbeit entstanden ist, ist eine wertvolle Basis.
Die Erkenntnis, dass "Organisation" und Organisationsentwicklung für Innovationsprozesse - nicht nur in den Alpen - von entscheidender Bedeutung sind, setzt sich mittlerweile langsam durch. Was jedoch noch sehr zu wünschen übrig lässt ist die Ressourcenausstattung für Organisationsaufgaben im Rahmen von Projekten (Projekt- und Prozessmanagement) und Institutionen (z.B. Budgetausstattung für intermediäre Organisationen). Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf!

Herausforderungen
Dominik Siegrist wies auf einige Hemmnisse hin: Innovation braucht gelebte Demokratie, die Möglichkeit, ja sogar die Ermunterung zum freien Denken, das auch im Gegensatz zum Mainstream stehen kann. Diese Grundvoraussetzung ist in vielen Gegenden in den Alpen nicht gegeben. Die Vordenker haben es oft schwer, denn Propheten gelten meist nichts im eigenen Land. Ein zweiter Punkt sind manchmal auch zu hohe öffentliche Förderungen: sie machen satt, bewirken, dass die Leute nicht mehr nach neuen Antworten auf ihre Sorgen und Probleme suchen.
Ein besonderes Thema in den Alpen ist die Zusammenarbeit zwischen städtischen und ländlichen Räumen. Wie im globalen Massstab sind die Städte und Agglomerationen auch in den Alpen der bevorzugte Wohnort für die Menschen und auch TrägerInnen der wirtschaftlichen Entwicklung. In ihrem Beitrag wiesen Slavka Župan und Yves Michel auf die wachsende Kluft zwischen Stadt und Land in den Alpen hin. Die Herausforderungen sind enorm und betreffen folgende Themen: Abwanderung und Brain drain, regionale Vermarktung, Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, Freizeitnutzung, Pendlerverkehr usw.
Es liegt auch - aber nicht nur - an der Politik
In den Alpen gibt es eine Vielzahl von politischen Rahmenbedingungen, sei es auf lokaler, regionaler, nationaler oder internationaler Ebene. Es ist die Aufgabe und Verantwortung der Politik, so Axel Borsdorf, diese Rahmenbedingungen derart zu gestalten, dass Veränderungen so gut wie möglich bewältigt werden können.
Dies gilt in hohem Ausmass z.B. für die ökologische Vernetzung. Yann Kohler stellte zwei Punkte in den Vordergrund: Ein ökologisches Kontinuum in den Alpen kann nur durch geeignete inhaltliche und methodische Grundlagen hergestellt werden. Gleichzeitig ist es dringend nötig, dass bestehende Instrumente und Richtlinien in der Raumplanung und in der Landschaftsplanung die Gedanken des ökologischen Kontinuums aufgreifen und auch umsetzen. Möglichkeiten dafür gäbe es genug: Natura 2000, die Europäische Landschaftskonvention, die Biodiversitätskonvention sowie die Alpen- und die Karpatenkonvention.
Ein anderes Beispiel für politische Rahmensetzung ist das EU Interreg-Alpenraumprogramm. Das Programm ist offen für Projekte, die einen transnationalen Ansatz verfolgen, die auf einen Bedarf reagieren, die output- und umsetzungsorientiert sind und WirtschaftsakteurInnen einbeziehen. Bleibt nur zu hoffen, dass angesichts der Einzelinteressen der verschiedenen Projektpartner und der bürokratischen Anforderungen des Programms das Thema "Innovation" nicht auf der Strecke bleibt.
abgelegt unter: Fördermassnahmen