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Wissensschätze heben - "alpKnowhow": Phase der Wissenssammlung abgeschlossen

20.03.2007 / Michael Gleich
Die Zukunft gehört denen, die sie mitgestalten. In den Alpen arbeiten ungezählte Initiativen mit abertausenden AktivistInnen als Zukunftsmacher. Doch wissen die meisten von ihnen nicht, dass irgendwo Menschen an exakt den gleichen Problemen tüfteln wie sie. An dieser Stelle setzt das Projekt "Zukunft in den Alpen" der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA an. Es geht darum, alpenweit Erfahrungswissen zu sammeln, zu ordnen und jenen zur Verfügung zu stellen, die dieses Wissen benötigen.
CIPRAInfo82 Einstieg
Bild Legende:
Ein Jahr lang waren mehr als 40 Wissenschaftler, Planerinnen und Praktiker in den Alpen unterwegs, um das Wissen zu sechs Themenkomplexen zusammen zu tragen. Resultat der Kooperation ist eine einzigartige Studie, die eine Übersicht über Planungen, Politische Handlungsstrategien und Projekte in den Alpen liefert. © CIPRA International
Schauplatz eins: das Valle Varaita im Piemont. Eine Gruppe junger Leute versucht, den Bürgermeister und die Gemeinderäte von der Idee eines multifunktionellen Gemeindezentrums zu überzeugen. Der Kindergarten, der vor drei Jahren geschlossen wurde, soll wieder eröffnet werden. Auch ein Lebensmittelgeschäft und der Kulturverein sollen hier eine neue Heimat finden. Aber wie geht man am besten vor: Vielleicht würden die Nachbargemeinden, die in einer ähnlichen Situation sind, mitmachen? Könnten nicht nationale oder europäische Fördertöpfe angezapft werden?

Viele Fragen, auf die es schon Antworten gibt
Schauplatz zwei ist Kobarid, im slowenischen Soca-Tal. Ein Gebiet, in dem die Forstwirtschaft eine bedeutende Rolle spielt. Gegenwärtig wird das Holz ins Ausland exportiert und dort verarbeitet. Warum, fragen sich die Unternehmer, verarbeiten wir das Holz nicht selbst? Das würde Arbeitsplätze bringen, neue Betriebe entstehen lassen, vielleicht sogar neue Branchen. Weniger BewohnerInnen müssten auspendeln, vielleicht sehen mehr junge Leute eine Perspektive, am Ort zu bleiben. Wo gibt es in den Alpen Vorbilder für solche selbstorganisierten Wertschöpfungsketten? Mit wem müsste man reden, um herauszufinden, welches Vorgehen Erfolg verspricht?
Die gute Nachricht lautet: Auf all diese Fragen gibt es Antworten. Sie bestehen in reichen Erfahrungen, die andernorts gemacht worden sind. Leider weiß kaum jemand, was die Menschen in den Alpen alles wissen. Genau darum geht es der CIPRA im Projekt "Zukunft in den Alpen": Wissensschätze zu heben, zu systematisieren und allen Interessierten zur Verfügung zu stellen. Insbesondere geht es darum, gelungene Projekte vorzustellen und die wertvollen Erfahrungen aus der Praxis anderen zur Verfügung zu stellen.

Grenzübergreifendes Lernen aus Erfahrungen
Bei diesem aufwändigen Vorhaben hatte die CIPRA einige Hürden zu überwinden. Denn das für die Zukunftsgestaltung wertvolle Wissen verteilt sich auf sieben Länder. Sprachbarrieren verhindern den Informationsfluss, die Rechts- und Verwaltungssysteme sind unterschiedlich. Aber gemeinsame Themen und Herausforderungen machen einen Wissenstransfer sinnvoll.: Land- und Forstwirtschaft, Tourismus und Skisport, Verkehr und Klimawandel, Bewahrung der kulturellen und biologischen Vielfalt. So unterschiedlich die Projekte sein mögen - ihre Erfahrungen lassen sich nicht "eins zu eins" kopieren, aber andere können davon lernen und sich inspirieren lassen.
"Wir wollen Menschen in den Alpen ermutigen, ihre Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen", sagt CIPRA-Koordinator Wolfgang Pfefferkorn. Zu viele Projekte scheitern daran, dass sie nicht über das Wissen zur Umsetzung verfügen. Das will "Zukunft in den Alpen" ändern und konzentriert sich dabei auf sechs Komplexe:

o Regionale Wertschöpfung: Wie können örtliche und regionale Ressourcen besser zum Aufbau von Wertschöpfungsketten genutzt werden?
o Soziale Handlungsfähigkeit: Wie können Individuen und Gemeinschaften insbesondere in benachteiligten Gebieten gestärkt werden?
o Grossschutzgebiete: Wie können sie gleichzeitig zur Sicherung der Biodiversität und zur regionalen Wertschöpfung beitragen?
o Mobilität: Welche Lösungen im Sinne der Nachhaltigkeit gibt es für den Tourismus-, Freizeit- und Pendlerverkehr?
o Neue Formen der Entscheidungsfindung: Wie können neue Formen der Entscheidungsfindung dazu beitragen, dass Raumnutzungsansprüche besser ausgehandelt werden - im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung?
o Politische Handlungsstrategien: Wie kann Politik so verändert werden, damit sie besser zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt und dass gute Ideen gut umgesetzt werden?

Expertinnen und Experten präsentieren Vorzeigeprojekte
Ein Jahr lang waren sechs international zusammengesetzte Teams in den Alpen unterwegs, um das Wissen zu diesen Fragen zusammen zu tragen. Die Kooperation der mehr als 40 Wissenschaftler, Planerinnen und Praktiker mündet in einer einzigartigen Studie, die zum ersten Mal eine Gesamtschau über Planungen, Politiken und Projekte in den Alpen liefert. Auf den folgenden Seiten werden die umfangreichen Reports der ExpertInnenteams präsentiert. Die Reports können im Internet heruntergeladen werden (siehe "Daten & Fakten").
Wichtiger Bestandteil der Forschungsphase, "alpKnowhow" genannt, war die Suche nach vorbildlichen Projekten. Sie sollen besonders gut organisiert, erfolgreich und inspirierend sein. Die Recherche dieser "Best Practices" mündete im Sommer 2005 in einem alpenweit ausgeschriebenen Wettbewerb, bei dem zu jedem der sechs Themen Projekte eingereicht werden konnten. In jeder Kategorie erhielt das beste Projekt ein Preisgeld von 25.000 Euro. Das Echo war groß: 572 Projekte bewarben sich. Ausgezeichnet wurden beispielsweise die "Holzbaukunst Bregenzerwald" in Österreich, der Landschaftspark im slowenischen Logartal, der von lokalen AkteurInnen im Rahmen einer eigenen Gesellschaft getragen wird und die Gemeinde Werfenweng, ebenfalls in Österreich, mit ihren Aktivitäten zum Thema nachhaltige Mobilität.
"Wir müssen aktiv auf die möglichen Nutzerinnen und Nutzer zugehen und unsere Erkenntnisse und Hilfen anbieten," sagt CIPRA Geschäftsführer Andreas Götz. Deshalb wird alpKnowhow begleitet von weiteren Elementen. Unter dem Titel "alpService" etwa bietet die CIPRA das gesammelte Material den relevanten Zielgruppen an: Akteurinnen und Multiplikatoren wie Bürgermeisterinnen, Gemeinderäte, Beamtinnen, Wirtschaftstreibende, Mitglieder von NGO´s, PlanerInnen, Regionalmanagementstellen und LEADER-Aktionsgruppen. Neben der Internet-Datenbank organisiert die CIPRA beispielsweise eine Reihe von Workshops in den Alpenländern, über die mit Exkursionen und Kleingruppenarbeit die persönliche Weitergabe von Wissen und ein Voneinanderlernen gefördert werden. Eines der wichtigen gedruckten Medien, um die Wissensschätze zugänglich zu machen, wird ein 2007 erscheinendes populär geschriebenes Buch, der "3. Alpenreport". Im Projektteil "alpPerformance" sollen die AkteurInnen das Wissen aus alpKnowhow in die Tat umsetzen. Hierzu begleitet die CIPRA beispielsweise ausgewählte Pilotprojekte wie die Preisträger des Wettbewerbs 2005 und führt eigenständige Umsetzungsprojekte durch.