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Zukunftsperspektiven für die Wintersportorte in den Alpen - Strategien und Alternativen im Wintertourismus

29.11.2006 / Damiano Di Simine
Das Anwendungsprotokoll "Tourismus" der Alpenkonvention fordert für die Alpen ein breit gefächertes Angebot, in dem Tourismus und regionale Wirtschaft integriert werden. Im Gegensatz dazu stehen die öffentlichen Investitionen vorzugsweise für intensive, spezialisierte und gebündelte Tourismusangebote. Doch der Klimawandel stellt diese Investitionen in Frage.
Schneesportangebote bilden eine wesentliche Komponente des Tourismus in den Alpen; das wird auch in Zukunft so bleiben, obwohl der Markt keine Anzeichen einer steigenden Nachfrage in diesem Segment bietet. Die stetig wiederkehrenden und kurzfristig nicht absehbaren Ereignisse klimatischer Ausnahmesituationen haben in den vergangenen Jahren zu grosser Ungewissheit für die Akteure des Ski-Business geführt. Am stärksten hat wohl der Sommerskilauf darunter gelitten: Bedingt durch den Rückzug der Gletscher, den notwendigen Rückbau der Infrastrukturen, die auf Permafrost errichtet wurden, und die morphologischen Veränderungen der Gletscheroberflächen ist er in den Südalpen beinahe ganz verschwunden.

Im Hauptwirtschaftssektor, dem Winterskisport, wirken die Tourismusorte dieser Entwicklung mit unterschiedlichen Massnahmen entgegen:

Die technische Massnahme, die sich heute fast überall durchgesetzt hat, ist die künstliche Beschneiung. Die Umweltauswirkungen steigen in erheblichem Masse, denn neben dem hohen Energie- und Wasserbedarf zur Kunstschneeerzeugung stellt die Schaffung einer homogenen Schneedecke und die Notwendigkeit, die Abfahrten auch bei dünnen Schneedecken sicherzustellen, hohe Anforderungen an die Geometrie und Ebenheit der Pistenhänge, so dass zum Bau neuer Pisten ein erheblicher Aufwand für das Einebnen und Versetzen tausender Kubikmeter Erdreich und Fels erforderlich ist. Darüber hinaus bedarf es umfangreicher Grabungsarbeiten zum Verlegen der Wasserleitungen und zur Errichtung von Speicherbecken, die zu gravierenden Einschnitten in die alpine Umwelt führen. In milden Wintern sind all diese technischen Massnahmen ausserdem wirkungslos, da die Kunstschneeerzeugung Temperaturen erfordert, die die Eisbildung ermöglichen. (Vgl. S. 7)

Anpassungsmassnahmen dagegen sehen die Verlegung der Anlagen in grössere Höhenlagen vor. Diese Verlegungen sind extrem kostenaufwändig und verschlingen Finanzmittel, die andernfalls für die Regionalentwicklung bereitgestellt werden könnten. Oft sind diese Massnahmen in Grossprojekte zum Ausbau der Skigebiete integriert und sehen die Verbindung mehrerer Skigebiete vor. Damit steigenden die Gesamtauswirkungen auf die Ökologie sensibler Gebiete im hochalpinen Raum stetig. So stehen viele dieser Eingriffe beispielsweise in den italienischen Alpen in Konflikt mit den Schutzgebieten: Projekte zum Ausbau der Skigebiete betreffen den Nationalpark Stilfser Joch, die beiden Regionalparke des Adamello und zahlreiche Natura-2000-Gebiete.

Multifunktionelle Massnahmen wiederum erzeugen die positivsten Wirkungen bei gleichzeitig geringsten Umweltbeeinträchtigungen. Hier versucht man, ein möglichst breit gefächertes Angebot zu schaffen (Wanderungen, Thermen, Wellness, Themenwege für Gastronomie und Kultur, Kinderanimation, usw.). Dieser bietet zahlreiche Vorteile, unter anderem auch die Verlängerung des Aufenthalts und echte touristische Erlebnisse, die sich nicht einfach nur auf das Wintersportpaket beschränken. Dadurch lassen sich in die Reihe der NutzniesserInnen des Tourismus auch zahlreiche weitere Produktions- und Dienstleistungsunternehmen einbinden (Landwirtschaft, Handwerk, Lebensmittelerzeuger, Kultur), die nicht unbedingt am Tourismusort selbst ihren Sitz haben, sondern über die gesamte Region verteilt sind. In diese Richtung gehen einige Gesetzesbestimmungen in Italien, in denen der Begriff des "Tourismussystems" eingeführt wird. Sie zielen auf eine als strukturierte Form der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Standorten und Wirtschaftsakteuren.