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Druck auf Mindestabflussmengen

01.07.2005 / CIPRA Internationale Alpenschutzkommission
Im Jahr 2000 hat die Europäische Union die Wasserrahmenrichtlinie verabschiedet, doch erst bis 2027 muss sie von allen Mitgliedsstaaten voll umgesetzt werden! In der Zwischenzeit regeln die Alpenländer weiterhin ihre Probleme auf nationaler oder regionaler Ebene. Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen üben beim Thema Mindestabflussmengen unvermindert Druck aus.
Ein Bach, dessen Abflussmenge auf ein Minimum reduziert ist; ein Wasserfall, der seinen alten Schwung verloren hat; ein Schild, das Spaziergänger vor den Gefahren eines plötzlichen Anstiegs des Wasserspiegels warnt. Das sind Bilder, mit denen man heute bei fast 90% der Fliessgewässer in den Alpen konfrontiert wird. Die Betreiber geben an, dass das Wasserkraftpotential der Alpen zu 90% genutzt wird. Die Nutzung der Fluss-Ökosysteme hat vor einem Jahrhundert begonnen und hat einen bleibenden Einfluss auf die Funktionsfähigkeit von Fliessgewässern. Dynamik und Biodiversität der Gewässer leiden unter der Wasserkraftnutzung. Auch geltende Gesetze schaffen hier keine Abhilfe.

Klimaschutz gegen Mindestabflussmengen
Die Lobby der Wasserkraftwerke argumentiert zu Recht, dass die Versorgung mit dieser erneuerbaren Energie Treibhausgas-Emissions-neutral ist. Sie kritisieren die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union, die ihrer Ansicht nach die wirtschaftlichen Aspekte und den Beitrag der Wasserkraft zum Klimaschutz nicht berücksichtigt. Das kommt einer Erpressung mit dem Klimaschutzaspekt gleich.

Unterschiedliche Gesetze in den Alpenländern
Die Alpenländer haben alle zum Thema Mindestabflussmengen Gesetze erlassen. Je nach Land liegt die Reglementierung in der Kompetenz der zentralen staatlichen Behörden oder der Regionen, wie dies eine Studie des BUWAL (Schweizerisches Umweltamt) für 2004 aufzeigt.
In Frankreich bestimmt das Gesetz, dass die Mindestabflussmengen ausreichend sein müssen, damit Fauna und Flora überleben können, sagt jedoch nichts zu den quantitativen Aspekten, die für Anlagen bis zu einer Leistung von 100 MW von den regionalen Präfekten geregelt werden. Grössere Anlagen unterstehen dem Industrie- und dem Umweltministerium. Alle Anlagen müssen zwingend diese Bestimmungen einhalten, mit Ausnahme der Kraftwerke an der Rhône und am Rhein.
In der Schweiz bildet die Bundesgesetzgebung den Rahmen für die Bestimmung der Mindestabflussmengen. Die Umsetzung liegt bei den Kantonen. Diese Gesetzgebung gilt nur für neue Anlagen im Rahmen der Massnahmen zur Erteilung einer Konzession oder für Anlagen, deren Konzession erneuert werden muss.
In Bayern müssen nur Anlagen, die nach 1998 eine Konzession erhalten haben, die auf Landesebene geregelten Mindestabflussmengen einhalten.
In Italien liefert ein nationales Gesetz aus dem Jahr 1989 den qualitativen Rahmen. der dann in den Regionen und Provinzen konkretisiert wird. Die Umsetzung in den Alpenregionen ist unvollständig.
In Österreich unterstehen Anlagen, die schon vor der Novellierung des Gewässerschutzgesetzes 1985 eine Konzession hatten, nicht den Verpflichtungen im Rahmen der neuen Bestimmungen über Mindestabflussmengen. Die Regionen haben rechtlich nur dann die Möglichkeit zu handeln, wenn das öffentliche Interesse es erfordert, was in der Praxis bisher nicht vorgekommen ist. Österreich ist der einzige Alpenstaat, in dem die Mindestabflussmengen für jedes betroffene Fliessgewässer individuell berechnet werden, ein Schema auf nationaler Ebene gibt es nicht.

Verluste zwischen 1,6 und 30% bei der Stromerzeugung
Jedes Land und sogar jede Region wählt ein spezifisches Berechnungssystem zur Bestimmung der Mindestabflussmengen. Für die Kraftwerksbetreiber bedeutet das Produktionsverluste. In Frankreich wird der Verlust bei der Stromerzeugung auf 1,6% bis 5,7% geschätzt, in der Schweiz auf ca. 6%, in Deutschland auf 8 bis 10% und in Italien zwischen 10 und 30%.
Obwohl diese Zahlen im Zusammenhang mit der Öffnung der Strommärkte wirtschaftlich durchaus relevant aussehen, sind die Massnahmen zum Schutz der Umwelt unumgänglich, wenn sich die Wasserkraft als ökologische erneuerbare Energiequelle etablieren will.