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Verkehr in den Alpen muss stärker auf die Schiene verlagert werden

20.3.2003 Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2003 vom 20. März 2003 Stellungnahme der CIPRA Deutschland

Grundsätzliches

Der am 20. März vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) vorgelegte Entwurf für den Bundesverkehrswegeplan 2003 (BVWP) wird nach Auffassung der in der CIPRA Deutschland zusammengeschlossenen Verbände, die bundesweit über 1 Mio. Bürger repräsentieren, den Zielen und Inhalten der Alpenkonvention (insbesondere des Verkehrsprotokolls) in diversen Punkten nicht gerecht. Die Bundesrepublik Deutschland hat die Alpenkonvention und ihre Durchführungsprotokolle im Jahr 2002 ratifiziert und sich damit verpflichtet, die Inhalte der Alpenkonvention in die Pläne und Programme des Bundes aufzunehmen und auf eine entsprechende Umsetzung hinzuwirken.

Die Planungsmethodik des Bundesverkehrswegeplan-Entwurfs ist trotz Verbesserungen in einzelnen Bereichen weitgehend einseitig auf den sektoralen Ausbau der Verkehrsnetze ausgerichtet und wird von Entscheidungen über isolierte Einzelprojekte dominiert. Die von den Ländern vorgeschlagenen Einzelprojekte werden weitgehend nach selektiven Kosten/Nutzen-Rechnungen bewertet, Umweltaspekte spielen – entgegen der offiziellen Ankündigung im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans - eine untergeordnete Rolle. Die gleichberechtigte Berücksichtigung ökologischer (derzeit nur etwa 6 % Gewicht!) und sozialer Aspekte, wie sie einer nachhaltigen Verkehrsplanung entsprechen würde, unterbleibt. Ebenso fehlt in weiten Teilen die Einbettung in ein integrierendes Gesamtkonzept, das einer Verkehrsinvestitionsstrategie unter dem Aspekt der besten Zielerfüllung und Kosteneffizienz folgt (wie es vom Umweltbundesamt 1998 vorgeschlagen wurde).

 Grundsätzlich sollten Gelder im Bundesverkehrswegeplan nicht für den Bau einzelner Infrastrukturprojekte bereitgestellt werden, sondern zur Lösung von (zumeist regionalen) Problemen. Die bereitgestellten Gelder sollten bevorzugt für eine nachhaltige Lösung der Probleme im Rahmen einer integrierten Verkehrsplanung auf regionaler Ebene eingesetzt werden. Ziel muss eine umweltgerechte Optimierung des gesamten Verkehrssystems im jeweiligen Planungsraum sein, der auch den Ausbau von Schiene, ÖPNV, Radverkehr, Lärmsanierung an Durchgangsstraßen und die Optimierung des nachgeordneten Straßennetzes berücksichtigt. Erreicht werden kann dies durch eine zwingend für das Raumordnungsverfahren vorzuschreibende strategische Umweltverträglichkeitsprüfung, die sämtliche verkehrlichen Alternativen unter Einschluss einer Stärkung des öffentlichen Verkehrs wie auch von Nullvarianten für den Straßenverkehr prüft.

 Grundsätzlich positiv beurteilt die CIPRA, dass erstmals erhebliche Mittel für die Erhaltung und Sanierung der bestehenden Verkehrsinfrastruktur eingeplant wurden. Die nicht für Erhaltungsmaßnahmen gebundenen Mittel sollten bevorzugt auf den Aus- und Aufbau umweltgerechter Mobilitätsangebote konzentriert werden. Die Prioritäten müssen hierbei insbesondere auf einer Optimierung und Modernisierung des Schienennetzes liegen. Im vorliegenden Entwurf des BVWP werden jedoch weiterhin mehr Investitionen in den Straßenverkehr eingeplant (5,2 Mrd. €) als in den Schienenverkehr (4,2 Mrd. €). Um die Verlagerung von Gütern auf die Bahn zu fördern, sind zudem ausreichend Mittel für die bessere Vernetzung der Verkehrsträger einzuplanen (Verpflichtung nach Art 7 Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention). Im Personen- und Güterverkehr sollten innovative Mobilitätsdienstleistungen gefördert werden (z. B. Aufbau von Mobilitätszentralen, neue Informationssysteme etc.). Hierzu werden im BVWP keine konkreten Aussagen getroffen.

 
Straßeninvestitionen

CIPRA Deutschland nimmt nicht zu einzelnen Straßenbauprojekten im deutschen Alpenraum Stellung. Wir verweisen auf die Stellungnahmen unserer Mitgliedsorganisationen. CIPRA-Deutschland verweist auf das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention und fordert das BMVBW auf, die im Alpenraum vorgesehenen Maßnahmen hier hingehend zu überprüfen. Grundsätzlich ist der Bau neuer Autobahnen und Bundesstraßen für den alpenquerenden Verkehr nicht vereinbar mit dem Verkehrsprotokoll. Neue Bundesstraßen im Alpenraum können nur als Ortsumgehungen akzeptiert werden, wenn diese zu einer wesentlichen Entlastung der Ortsdurchfahrten beitragen und keine schwerwiegenden Eingriffe in Natur und Landschaft bedingen. Diese Voraussetzungen sind beispielsweise bei der geplanten Bundesstraße B 15 neu (Rosenheim/Westtangente Rosenheim) nicht erfüllt.

Im Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention (Art 11) verpflichten sich die Alpenstaaten, auf den Bau neuer hochrangiger Straßen für den alpenquerenden Verkehr zu verzichten. Auch wenn Verkehrsinfrastrukturen, für die zum Zeitpunkt der Annahme des Verkehrsprotokolls (31.10.2000) der Bedarf gesetzlich festgelegt ist, von der Regelung ausgenommen wurden, widerspricht der („nicht disponible“) Weiterbau der A7 (Nesselwang – Grenztunnel bei Füssen) den Zielen dieser Vereinbarung.

 
Schieneninvestitionen

Im Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention (Art. 1) verpflichten sich die Alpenstaaten zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik, die Belastungen und Risiken im Bereich des inneralpinen und alpenquerenden Verkehrs auf ein Maß senkt, das für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume erträglich ist, unter anderem durch eine verstärkte Verlagerung des Verkehrs, insbesondere des Güterverkehrs, auf die Schiene, vor allem durch Schaffung geeigneter Infrastrukturen und marktkonformer Anreize;....

Im Entwurf für den BVWP 2003 werden mehr Mittel für den Neubau von Straßen eingeplant als in den Neubau von Schienen. Der BVWP kann daher nur begrenzt dazu beitragen, Verkehr in nennenswertem Umfang auf die Schiene zu verlagern. 

Weiterhin verpflichten sich die Alpenstaaten im Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention (Art 10), ihre Bahninfrastrukturen durch den Bau und die Entwicklung großer alpenquerender Achsen einschließlich der Anschlüsse und angepasster Terminals zu verbessern. Schienenprojekte, die den Anschluss an die Schweizer NEAT-Strecken herstellen oder aber an die Bahnverbindung zum Brenner heranführen, weisen von daher eine besondere Bedeutung auf. Dies gilt insbesondere für die „Südbahn“ mit dem Erfordernis der Elektrifizierung, Beschleunigung und Modernisierung (Stuttgart-)Ulm – Friedrichshafen – Lindau(-Innsbruck) und die Elektrifizierung, den Ausbau und die Modernisierung der Bahnlinie (München-)Geltendorf – Memmingen – Lindau (- Zürich). Beide Strecken sind derzeit im BVWP als „Internationale Projekte“ ausgewiesen. Von den veranschlagten 4,8 Mrd. €, welche die Realisierung sämtlicher im BVWP ausgewiesenen internationalen Projekte erfordern würde, sind jedoch lediglich 0,4 Mrd. € tatsächlich gedeckt. Abgesehen davon, dass unklar ist, in welchem Teil von Deutschland diese 0,4 Mrd. € verwendet werden sollen, würden diese 0,4 Mrd. € für diese beiden Maßnahmen nicht ausreichen. Die beiden o.g. genannten Projekte sind, um den Anforderungen des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention gerecht zu werden, explizit im vordringlichen Bedarf des BVWP zu verankern. Für beide Strecken verweisen wir auf die jeweiligen Landesentwicklungspläne von Baden-Württemberg und Bayern. Wir weisen weiter darauf hin, dass die Schweiz eine finanzielle Beteiligung von 50 Mio. € für die Elektrifizierung der Strecke München-Lindau-Zürich im Abschnitt Geltendorf-Memmingen-Lindau – ohne jegliche Gegenleistungen zu verlangen - zugesagt hat.

Die einseitige Konzentration der Zulaufstrecken für den Alpentransit und die verkehrliche Erschließung der Alpen von Norden auf den Brenner über die Relation München-Kufstein-Innsbruck und die Neuen Alpentransversalen (Lötschberg und Gotthard-Basistunnel) über den Oberrheingraben, so wie sie im BVWP verfolgt und verfestigt wird, ist unzureichend und entspricht nicht der Intention des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention. Bereits seit einigen Jahren findet im unmittelbaren Alpenvorland wie auch grundsätzlich südlich einer Achse Stuttgart-Ulm-Augsburg-München eine deutliche Verschlechterung der Verkehrsangebote auf der Schiene statt, und zwar sowohl beim Personenverkehr als auch beim Güterverkehr. Wir verweisen in diesem Zusammenhang u.a. auf die Ausdünnung und den teilweise ersatzlosen Wegfalls von Interregio-Zügen sowie auf die Schließung gleich mehrerer Container- bzw. Güterverkehrsterminals in diesen Räumen. Neben dem Ausbau des Oberrheingrabens sind somit auch die o.g. Bahnverbindungen als vordringlicher Bedarf auszuweisen und somit baldmöglichst zu elektrifizieren, zweigleisig auszubauen und zu ertüchtigen, damit die Schiene sowohl beim Personen- als auch Gütertransport hier gegenüber der Straße wieder wettbewerbsfähig wird.

Im Sinne einer integrativen regionalen Lösung von Verkehrsproblemen wird die Herausnahme der Regionalbahnstrecken aus der Einzelbewertung des BVWP grundsätzlich begrüßt. Jedoch ist eine mit entsprechenden Finanzmitteln unterlegte, ehrgeizige Investitionsstrategie für die Modernisierung und Reaktivierung regionaler Schienenstrecken im BVWP nicht erkennbar. Für das gesamte Regionalnetz wird im BVWP-Entwurf weniger Geld bereit gestellt, als der Bund allein für den Transrapid zur Beschleunigung der Anbindung des Flughafens an die Stadt München an Zuschuss gewähren will!

Zahlreiche Regionalbahnen im bayerischen (Vor-)Alpenraum sind von der Stillegung bedroht. Regionale Konzepte zur Erhaltung und Modernisierung dieser Strecken sind von erheblicher Bedeutung auch für die Entwicklung eines umweltverträglichen Tourismus in dieser Region. Für den Ausbau von regionalen Schienenstrecken im Alpenraum sind daher ausreichende Baukostenzuschüsse zu gewähren, anstatt, wie geplant, nur zinslose Darlehen.